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Diskussion der Unterdimension Ästhetik unter Berücksichtigung der aktuellen Fernsehästhetik |
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Ästhetische Filmgestaltung: Ausdrucksstärke des Bildes |
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Ästhetische Filmgestaltung: Einsatz von Filmtricks |
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Ästhetische Filmgestaltung: Lichtgestaltung |
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Ästhetische Filmgestaltung: Dramaturgischer Aufbau |
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Ästhetische Filmgestaltung: Dramaturgisch begründeter Musikeinsatz |
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Ästhetische Filmgestaltung: Dramaturgisch begründeter Einsatz von Geräuschen/ Stille |
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Gewichtung und Gesamtbewertung der Dimension Vermittlung |
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Die
Ausführungen zur „gegenwärtigen Fernsehästhetik“ sind nicht grundlegend
genug, um daraus die Qualitätskriterien der Unterdimension „Ästhetik“
zu entwickeln |
Die Definition der Ästhetik erfolgt u. a. auf Grundlage der Aussagen von Aristoteles, Schopenhauer, Bourdieu, Mikos und mehrerer Werbeexperten |
Ästhetik wird in dieser Arbeit definiert als rezipientenabhängiges, filmimmanentes Strukturmerkmal auf inhaltlicher und formaler Ebene |
Nach Meinung von Medientheoretikern und –praktikern gilt die ästhetische Gestaltung sowohl beim Print- als auch beim Fernsehjournalismus als Qualitätsmerkmal. Für den Printjournalismus nennt der Medientheoretiker Karamisim (1996:18) die Form und die äußere Erscheinung eines Artikels als Bezugspunkt der Qualität. Zu diesem Zweck sollte nach Meinung von Karamisim der Journalist bemüht sein, etwas Schönes, Stilsicheres und Geschmackvolles hervorzubringen. Ästhetische Ansprüche äußern Medienfachleute zudem im Hinblick auf das Fernsehen. Ästhetik ergibt sich nach Ansicht des Qualitätsforschers Göpfert (1993:101/103) aus dem Thema und der Darstellung, die dem Zeitgeist unterworfen sind. Je stärker dabei die individuelle Betroffenheit des Rezipienten aktiviert wird, um so besser ist das Kommunikationsziel erreicht. Dem scheint die „neue“ Ästhetik des Fernsehens zu entsprechen, die von Fernsehexperten beispielsweise als „Videoclip- Ästhetik“ (Groebel:1994:69), als „MTV- Look“ (Haedecke:1996:207) oder „Infotainment- Ästhetik“ (Schumacher:1994:478ff.) beschrieben wird. Unabhängig von der Bezeichnung nennen diese Autoren immer wieder dieselben charakteristischen Merkmale der gegenwärtigen Fernseh- Ästhetik. Dazu zählen beispielsweise rasante Schnitte, eine hohe Dichte der Bildabfolgen oder aber auch der ständige Wechsel des Bildausschnittes. Die Ausführungen der Cutterin Heike Haedecke (1996:207) und Bernward Frank (1996:210), beide beim ZDF beschäftigt, scheinen die These von der „neuen Ästhetik“ zu bestätigen. So setzen die Programmverantwortlichen des ZDF auf das „Corporate Design“, Stroboskopbilder, blur- Effekte, schnelle Schnittfolgen oder Mehrfachbildüberlagerungen. Allerdings gilt diese „neue Ästhetik“, zieht man die Ergebnisse von Bruns (1997:286) bezüglich der bei den Nachrichtenfilmen eingesetzten Gestaltungsmittel hinzu, nicht für die Fernsehnachrichten. Zudem sind die Aussagen der eben genannten Autoren bezüglich der „neuen Ästhetik“ für eine grundlegende Definition der „Ästhetik“ nicht weitreichend genug. Daher kann anhand dieser Ausführungen auch nicht die „Ästhetik“ eines Filmbeitrages bewertet werden. In der anglo- amerikanischen Forschung gibt es Ansätze zur qualitativen Bewertung der „Artistery“, also der künstlerischen Wirkung/ Vollendung eines Films. Sie stellt nach Albers (1992:61) bei Wettbewerben ein Kriterium zur Einschätzung der Qualität von Filmberichten dar. Albers befragte auch Programmmacher nach deren ästhetischen Qualitätsparametern. Die jedoch definieren die ästhetische Gestaltung eines Filmes als „indefinable chemistry which is essential to high quality television“ (Albers:1992:61)
Diese scheinbar „undefinierbare Chemie“ gilt es im Folgenden zu definieren, um danach jene ästhetischen Gesichtspunkte herauszufiltern, die einen Filmbeitrag in ästhetischer Hinsicht zu einem qualitativ wertvollen Filmbeitrag machen. In
der Antike schon beschäftigte sich Aristoteles in seiner Schrift „Poetik“
mit dem Begriff des Schönen. Im Zuge des nachahmenden Charakters von Komödie
und Tragödie (Mimesis) sieht Aristoteles (1982:25) im Schönen das Ergebnis
einer bestimmten Anordnung von Teilen, die zu einem Ganzen zusammengefügt
wurden. Zudem beruht das Schöne nach Meinung von Aristoteles nicht nur auf
seiner Anordnung, sondern auch auf seiner Größe. Das Vergnügen entspringt aus
der Anschauung der Nachahmung. Diese unterteilt sich in die Nachahmung nach den
Mitteln, nach den Gegenständen und nach der Art und Weise.
(Aristoteles:1982:9/11). Fuhrmann (1982:132/161f.) gibt zu bedenken, dass
Aristoteles wohl vom Vergnügen spricht, es aber nicht weiter definiert. Aus
seiner Kenntnis von Aristoteles Schriften schließt Fuhrmann daher, dass sich
das Vergnügen, von dem Aristoteles spricht, auf „Phobos“ und „Eleos“
bezieht, auf einen heftigen Erregungszustand, der einerseits von „Schrecken
und Schaudern“ gekennzeichnet ist, wie auch durch Jammer und Rührung
(Fuhrmann: 1982:162f.). Daraus entspringt nach Platz- Waury (1992:146) die
Katharsis, die die Reduktion dieser Gefühle auf ein erträgliches Maß bewirkt.
Der Zweck des Vergnügens ist die aus dem Erregungszustand hervorgehende
Katharsis. Bei
Schopenhauer (1965:Bd.1:250f.) liegt die Quelle des ästhetischen Genusses in
der Erkenntnis von der Idee des zu betrachtenden Objektes. Wichtig ist in diesem
Zusammenhang, dass Schopenhauer verschiedene „ästhetische Qualitätsniveaus“
kennt. Der Philosoph unterscheidet zwischen dem Reizenden und dem Erhabenen
(Schopenhauer:1965:Bd.1:244f.). So zieht das Reizende den Beschauer nach Ansicht
Schopenhauers: „aus
der reinen Kontemplation, die zu jeder Auffassung des Schönen erforderlich ist,
herab“, [...] wodurch der
Betrachter nicht mehr reines Subjekt des Erkennens bleibt, sondern zum bedürftigen,
abhängigen Subjekt des Wollens wird“ (Schopenhauer:1965:Bd.1:
245). Dagegen
setzt Schopenhauer den (zur Erkenntnis des Schönen notwendigen) Begriff der
„erhabenen“ (Kunst)betrachtung. Sie entsteht dadurch, dass ein dem Willen
geradezu ungünstiger Gegenstand zum Objekt der reinen Kontemplation wird
(Schopenhauer:1965:Bd.1:244). Mit dieser Auffassung des Schönen und der Ästhetik
stößt Schopenhauer bei Pierre Bourdieu auf Kritik. Bourdieu (1984:782) sieht
in der von Schopenhauer als einzig wertvollen Variante der Ästhetik
postulierten Erhabenheit ein Mittel der Ausgrenzung sozial minderer Schichten.
Die minderen Schichten, so Bourdieu, sind aufgrund ihrer Bildung nur zur
Entzifferung leicht fasslicher Ästhetik befähigt (Bourdieu:1984:756). Diese
Art der Ästhetik entspricht bei Schopenhauer dem Begriff des „Reizenden“.
Da nun gesellschaftlich höher Gestellte gelernt haben, komplexe Objekte nach
den Regeln der bürgerlichen Ästhetik zu dechiffrieren, empfinden sie laut
Bourdieu (1984:756) ästhetische Objekte, die leicht entschlüsselbar sind, als
oberflächlich und billig. Weiter
argumentiert Bourdieu, dass der mit der bürgerlichen Ästhetik einhergehende
Ekel vor dem ästhetisch Leichten nichts weiter darstellt, als „die
gemeinsame Animalität, auf der und gegen die sich die moralische Unterscheidung
ausbildet.“ (Bourdieu:1984:763)
Als
Fazit der
bisherigen Definition kann Folgendes festgehalten werden. Ästhetik als
Wissenschaft um allgemeine Probleme der Kunst und des Schönen untersucht die
Bedingungen, unter denen ein Objekt (Gegenstand, Schauspiel etc.) von ästhetischem
Wert entstehen kann, sowie Bedingungen und Formen der ästhetischen Rezeption.
Dabei bringen sowohl Aristoteles als auch Schopenhauer und Bourdieu den Begriff
des Ästhetischen und Schönen in Verbindung mit einem „Reiz“ oder Effekt,
der vom ästhetischen Objekt ausgeht. Medientheoretiker
Faulstich (1982:9-197) analysiert die Ästhetik des Fernsehens, indem er nach
den Bedingungen für die Konstruktion von Kunst im Fernsehen sucht. Dabei verfährt
Faulstich dialektisch, wobei er die vier Begriffe von Unterhaltung,
Manipulation, Serie und Substitution als zentrale Kategorien der Fernsehästhetik
begreift. Ferner führt Faulstich eine exemplarische Analyse des
dokumentarischen Fernsehspiels „Die Nacht, als die Marsmenschen Amerika angriffen“ durch.
Faulstichs Analyse der Fernsehästhetik basiert auf der Ausgangsthese, beim
Fernsehen handele es sich um ein Medium der Unterhaltung (Faulstich:1982:14).
Dabei sieht Faulstich (1982:38) in der Fernsehunterhaltung die ersatzweise Überhöhung
dessen, was so langweilig sei, dass es der künstlerischen Dynamisierung bedürfe.
Damit Inhalte nicht unvermittelt unkontrollierbare Erfahrungen bewirken, wurden
sie nach Ansicht Faulstichs (1982:39) auf das Bekannte, Serielle,
zurechtgestutzt, was einer Formalisierung gleichkomme. Diese Formalisierung
zeigt sich nach Faulstich (1982:39/40) auch in dem von ihm analysierten
Fernsehspiel, in der Spannung, die durch eine hohe Schnittfrequenz induziert
wird, wobei die zahlreichen Kameraschwenks zusätzlich die
Orientierungslosigkeit des Zuschauers bewirken. Diese künstliche Hektik auf der
Netzhaut gehe dem Zuschauer jedoch nicht unter die Haut. Letztendlich führt die
Formalisierung, wie sie sich in dem unterhaltenden Dokumentarspiel zeigt, nach
Ansicht Faulstichs dazu, dass sich die Ästhetik des Fernsehens als Ästhetik
der Dekonstruktion offenbart. Mit anderen Worten: Ästhetik ist im Fernsehen
nicht realisierbar. Der
Medientheoretiker Fürnkäs (1993: 27) bezieht sich bei seiner Definition der Ästhetik
auf den Philosophen Odo Marquard, der das Ästhetische in der Gegenwart
angesichts ihrer „Konjunktur“ als unvermeidlich betrachtet und zwischen der
Doppelfigur von Ästhetik und Anästhetik unterscheidet und funktional wertet.
Dabei dient die Ästhetik der Sensibilisierung, die Anästhetik der Betäubung.
Die Kunst im Fernsehen entspricht hierbei der Anästhetik, die als schönes
Narkotikum gegenüber der schmerzhaften Wirklichkeit dient. Hier wird die Nähe
Marquards und Faulstichs zu Neil Postman und seiner negativen Sichtweise des
Fernsehens als Ursache der Informationsverflachung und als Instrument der
Desinformation als deutlich. [Vergleiche hierzu Abschnitt 3.2.1.1]. Fürnkäs
(1993:30) spricht ferner davon, dass Bilder- und
Unterhaltungsproduzenten sowie Werbetreibende die Verfahren des ästhetischen
Modernismus (wie etwa das Zitat oder die Montage) „gelernt“ und indifferent
gemacht haben, um sie anschließend in postmoderne Kommunikationstechnologien
umzuwandeln. Letztendlich enthüllen die medientheoretischen Erläuterungen Fürnkäs´ wiederum, dass dem Fernsehbild ein spezifischer Reiz innewohnt. Von diesem Reiz sprechen auch Rolf Kloepfer und Hanne Landbeck (1991:79f.) in ihrem Buch „Ästhetik der Werbung“. Diese beiden Autoren definieren Fernsehästhetik zum ersten Mal positiv als „audiovisuelles Wohlgefallen“, wobei das ästhetisch gestaltete Objekt auf kleinstem Raum eine „eigene Ordnung“ bildet (Kloepfer/ Landbeck:1991:80). Mit dieser Definition beziehen die Autoren die Ästhetik eines Objektes – ähnlich wie schon Aristoteles – auf die Anordnung der Teile. Diskussion
der Dimension Vermittlung Als die drei Erscheinungsformen des Ästhetischen nennen die Autoren das „Wohlgefallen, die Proportionen und die Distinktion“. Dabei wird die Selbstgenügsamkeit der Ästhetik, ihre scheinbare Überflüssigkeit, nach Ansicht der Autoren seit jeher genutzt - nicht erst mit Aufkommen der TV-Spots. Die Suspendierung der üblichen Zweckrationalität ermöglicht nach Kloepfer und Landbeck (1991:81) erst das Eingehen des Empfängers auf das Werbeangebot, denn: „der
Selbstverweis eines Gegenstandes/ eines Zeichens entfaltet die latente
Polyfunktionalität des Ästhetischen als emotives/ appellatives Kommunikat.“ In diesem Kontext beziehen sich Kloepfer und Landbeck (1991:92) wiederum auf Aristoteles – nämlich auf sein Verständnis der Katharsis. Diese stellt nach Meinung der Autoren eine Folge der Wirklichkeitskonstruktion der Rezipienten (Sympraxis) dar. Der Sympraxis ordnen sich die Kunst der Nachahmung (Mimesis), der Diskurs (Erörterung/Verhandlung) unter, wobei sich die „Ästhetik“ aus dem Zusammenspiel zwischen Sympraxis, Mimesis und Diskurs ergibt. Hier wird die rezipientenorientierte Sicht der Ästhetik deutlich. Ästhetik kann nur als Ästhetik des Rezipienten verstanden werden. Mit dieser Betrachtungsweise stehen die Autoren dem rezipientenorientierten Ästhetikbegriff von Mikos (1997:55) nahe. Dieser bezeichnet Ästhetik als das „Movens,
das die Text- ZuschauerIn- Interaktion als dynamischen Prozeß initiiert“. Laut
Mikos (1997:52) geht es bei der ästhetischen Gestaltung von Filmen darum, die
Wahrnehmung und Aufmerksamkeit des Zuschauers zu erregen. Ästhetik, so Mikos´
(1997:52f.) Meinung, entspreche der werkimmanenten Struktur aller Film- und
Fernsehtexte. Dabei zeige sich Ästhetik sowohl auf inhaltlicher als auch auf
formaler Ebene. Da
die ästhetische Qualität eines Filmberichtes, ähnlich der Unterhaltung, aus
der Sicht der Rezipienten bewertet werden soll, werden die eben dargestellten
Aussagen von Kloeper/ Landbeck (1991) und die Darstellung der Ästhetik durch
Mikos (1997) als Grundlage zur Definition der Ästhetik verwendet. Somit ist ein
ästhetisches Objekt dadurch gekennzeichnet, dass ihm ein bestimmter „Reiz“
oder „Effekt“ innewohnt, der unter anderem von der Anordnung seiner Teile
(seinen Proportionen) ausgeht. Der Zuschauer interagiert mit dem ästhetischen
Objekt, welches scheinbar überflüssig und um seiner selbst willen existiert.
Bei diesem Prozess entscheidet der Zuschauer für sich, ob er das Objekt als ästhetisch
ansprechend empfindet oder nicht. Die
von Mikos genannten ästhetischen Kriterien bilden zusammen mit den von
Appeldorn (1984:84) aufgezählten Gestaltungselementen in dieser Arbeit die
Grundlage zur Evaluierung der ästhetischen Qualitätsvariabeln und
-indikatoren. Als formale ästhetische Gestaltungselemente nennt Mikos (1997:52)
beispielsweise den Bildausschnitt, die Perspektive, die Kamerabewegung, die
Lichtgestaltung, sowie den Einsatz auditiver Gestaltungsmittel. Ästhetische
Gestaltungsmittel auf inhaltlicher Ebene sind nach Mikos die Plotgestaltung, die
Dramaturgie, die Erzähltechniken sowie die Charaktergestaltung. Appeldorn
(1984:84) unterscheidet zwischen handlungsdramaturgischen, bilddramaturgischen
Gestaltungstechniken sowie der Licht- und Tongestaltung. Aus diesen Kriterien
werden zur Qualitätsbewertung folgende Qualitätsvariablen gezogen: Die Ästhetik
der Bildgestaltung, Filmtricks, ästhetischer Lichteinsatz, der dramaturgische
Aufbau sowie den dramaturgisch begründeten Einsatz von Musik und Geräuschen.
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Diskussion
der Dimension Vermittlung |
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4.4.4.1 |
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Von
welcher Machart muss ein Bild sein, um in ästhetischer Hinsicht als wertvoll zu
gelten? Wittwen (1995:207) und Sturm (1998:243) beziehen sich bezüglich der
Qualität nachrichtlicher Filmberichte auf die Aussagekraft des Bildinhaltes.
Gefragt sind gefühlsanregende Bilder, die Atmosphäre vermitteln,
beziehungsweise eine Geschichte in „starken“ Bildern (Sturm:1998:243) erzählen. Dem entspricht
Wembers (1976:151) Vorstellung, die Bilder dienten unter anderem zur
Sichtbarmachung der Atmosphäre der dargestellten Situation. Wittwen (1995:108)
bezieht sich in diesem Zusammenhang auf die Macht ausdrucksstarker Bilder. So
veranlaßte ein BBC- Bericht über verhungernde Kinder in Äthiopien den Musiker
Bob Geldof in den achtziger Jahren zu seiner „Live-Aid“ – Aktion, dem
weltweit größten Benefizkonzert. Bezüglich nachrichtlicher Filmberichte
liefert Sturm (1998:106) zahlreiche Anregungen, wobei er zwischen aktionsreichen
und ungewöhnlichen Bildern sowie Schicksals- und Neugierbildern unterscheidet
Unter der Rubrik „aktionsreiche Bilder“ erscheinen Kundgebungen,
Demonstrationen, Eröffnungen oder Polizeisuchaktionen. Gemeinsam ist ihnen der
bewegte Bildinhalt, die „Action“ (Sturm:1998:105), die die Aufmerksamkeit
des Zuschauers erhöhen. Als „ungewöhnliche Bilder“ klassifiziert Sturm
(1998:106) zum Beispiel Luftaufnahmen, Unterwasseraufnahmen oder Bilder, die Gewöhnliches
aus einer ungewöhnlicher Perspektive zeigen, so etwa durch die filmische
Imitation der Sichtweise eines Kleinkindes. Auch hier wird der Zuschauer
angeregt, genauer hinzusehen – und die Bilder nicht an sich vorbeiziehen zu
lassen. Ferner kennt Sturm (1998:106) sogenannte „Neugierbilder“. Hierunter
fallen Aufnahmen von Orten und Personen, die der Zuschauer nicht täglich sieht,
wie zum Beispiel der Blick von einem Windrad, in einen Rettungswagen oder in die
Kühlkammer einer Schlachterei. Besonders
wirksam sind nach Sturm (1998:105f.) außergewöhnlich schöne, stimmungsvolle
Bilder, wie sie in der Fernsehwerbung zu finden sind. Dazu zählen etwa
Sonnenuntergänge oder die Großaufnahme eines Glases beim Eingießen von Bier.
Aus diesem Grund empfiehlt Sturm (1998:106) den jungen Journalisten, Bildideen für
Filmbeiträge den Fernsehspots sowie Spielfilmen zu entnehmen. Als
ausdrucksstark gelten vor allem emotionale Bilder. [Vergleiche hierzu:
(Hickethier:1998:199), (Sauer:1997:69/139), (Huh:1996:176f.),
(Wittwen:1995:110).] Dazu zählen Schicksalsbilder, die Menschen in lebensverändernden
Situationen zeigen (Sturm:1998:106). Das ist zum Beispiel bei Unfällen,
Katastrophen, Krankheiten, Verbrechen oder aber bei Hochzeiten der Fall. Sauer
(1997:69) rechnet zu den emotionalen Aufnahmen solche Bilder, die den Zuschauer
allgemein emotional ansprechen. Dazu rechnet Sauer die Aufnahme einer weinenden
Mutter oder der Anblick einer wogenden Karnevalsmenge. Nach der Studie Sauers
(1997:94), die die Berichterstattung von drei Regionalmagazinen untersuchte
(Aktuelle Stunde/ WDR, Regional Report/ SAT 1, Guten Abend RTL/ RTL), enthielten
24 von 114 untersuchten Filmbeiträgen einen 29-prozentigen Anteil an
emotionalen Bildern, welche dazu angetan waren, den Zuschauer zum näheren
Hinsehen zu veranlassen. Allerdings muss an dieser Stelle darauf hingewiesen
werden, dass solch ein hoher Anteil von emotionalen Bildern zunächst nur für
die eben genannten Regionalmagazine bestätigt werden kann, welche seitens der
jeweiligen Redaktionsleiter als „boulevardesk“ eingestuft wurden. Weiterhin
betrachten es Egli (1997:105f.), Sturm (1998:111), Reinecke (1990:172), Field
(1987:26) und Mehnert (1971:167f.) als Qualitätskriterium, wenn ein Bild
Metabezüge aufweist. In diesem Sinn können Bilder die Information des
auditiven Kanals kommentieren. Auf den ersten Blick handelt es sich unter Umständen
auch um eine Text- Bild- Differenz, welche sich jedoch auf den zweiten Blick als
ein vom Filmautor bewusst eingesetztes Stilmittel erweist. Dazu ein Beispiel:
Die Großeinstellung einer Hand verrät Angst und Nervosität, während ein
Politiker beteuert, er habe nichts über die Schwarzgeldkonten seiner Partei
gewußt. Nach Sturm (1998:111) sprechen Bilder die Erfahrungswelt des Intuitiven
und Emotionalen an; ein Umstand, der bei Interviews genutzt werden kann. Körperhaltung,
Bewegungen, Blicke und / oder eingeblendete Zuschauerreaktionen können das
Gesagte bestätigen, konkretisieren oder widerlegen. Als visuelle Anspielung
sublimer Art nennen Field (1987:26) und Egli (1997:91) die Verwendung von Bild-
Metaphern. Danach verweist etwa eine körperliche Behinderung auf ein seelisches
Leiden oder eine andere Behinderung.
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Fazit
zur Bewertung der Ausdrucksstärke eines Bildes |
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Die
Diskussion zeigte, dass ausdrucksstarken Bildern jene zugerechnet werden, die
aktionsbetont sind, die ungewöhnliche Bildinhalte oder Perspektiven enthalten
oder die Menschen in emotionalen Situationen zeigen. Die Wahrscheinlichkeit, solche Bilder in nachrichtlichen Filmberichten zu entdecken, ist jedoch aufgrund der Studien von Bruns (1997:284f.) sowie den Ausführungen von Huh (1996:121) und Straßner (1982:243) als gering zu bewerten. So strebt die Tagesschau nach „visueller Objektivität“ (Huh:1996:121), welches die Vermeidung „starker emotionaler“ Bilder einschließt. Gleichzeitig tragen auch die Zwänge zur Berichterstattung über visuell- unergiebige Ereignisse (Pressekonferenzen etc.) zum gehäuften Vorkommen von sachlich- neutralen Aufnahmen beziehungsweise von Bildern mit geringem Informationswert bei. Aus
den oben genannten Gründen gelten ausdrucksstarke Bilder als Indiz für die
visuelle Qualität. Daher etabliert die Autorin den folgenden Qualitätsindikator:
„Filmbericht enthält ein
aktionsreiches, ungewöhnliches, emotionales Bild“. Die eben erwähnte Möglichkeit
zur visuellen Kommentierung von Sachverhalten wird ebenfalls in der
nachrichtlichen Berichterstattung für realisierbar gehalten. Aus diesem Grund
wird der Qualitätsindikator gebildet: „Der
Filmbericht enthält eine Bildaussage, die im Sinne eines visuellen Kommentares
den Sprechertext/ das Statement des Interviewten konkretisiert oder
widerlegt.“ |
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Ausdrucksstärke eines Bildes: Indikator(en) |
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Filmbericht enthält ein aktionsreiches, ungewöhnliches, emotionales Bild |
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Der Filmbericht enthält eine Bildaussage, die im Sinne eines visuellen Kommentares den Sprechertext/ das Statement widerlegt oder bestätigt |
Diskussion
der Dimension Vermittlung |
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Den Einsatz von Trickfilm wurde bereits im Hinblick auf eine verständliche Bild- und Sequenzgestaltung (Abschnitt 4.4.3.1) thematisiert. Die Verwendung von tricktechnischen Verfahren dient jedoch nicht nur der Verständlichkeit – sie kann auch der ästhetischen Filmgestaltung zu Gute kommen. Durch den Einsatz des Computers sind laut Müller (1993:241) Filmtricks heute leichter zu realisieren. Als tricktechnisches Verfahren nennt Müller die Doppelbelichtung. Dabei durchdringen sich die Motive der beiden Aufnahmen und werden ganz oder nur teilweise sichtbar. In Verbindung mit Ab- und Aufblenden führen derartige Doppelbelichtungen zu Überblendungen. Als weitere visuelle Spezialeffekte nennt Müller Filmtricks, die mit mechanischen Vorsatzteilen erzeugt werden. Zu diesen zählen Schlüsselloch- und Fernrohraufnahmen beziehungsweise Doppelgängerbilder, wobei die erstgenannten Effekte beim Zuschauer den Eindruck erwecken, er blicke durch ein Schlüsselloch oder ein Fernrohr. Mit Hilfe von Linsenrasterplatten, Prismenplatten und Zerrprismen werden Spezialeffekte wie Bildverzerrungen und Bildvervielfachungen realisiert. Zahlreiche Farbfiltersysteme ergeben zusätzliche Verfremdungseffekte, bei denen beispielsweise das Bildzentrum in naturgetreuen Farben erscheint, während die Ränder farbig verfälscht wurden (Mülller:1993:241). Sauer (1997:90f.) sieht in dem Einsatz von Schwarz- Weiß Material, in Slow- Motion- Bildern sowie Archivfilmen ein tricktechnisches Mittel. Dieses Mittel wurde nach Sauers inhaltsanalytischer Studie der 114 Filmbeiträge, die in den NRW- Regionalmagazinen (Aktuelle Stunde/ WDR, Regional Report/ SAT 1, Guten Abend RTL/ RTL) produziert wurden, in 31 Filmbeiträgen eingesetzt – und fand damit bei einem Drittel der Beiträge Verwendung. |
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Fazit
zur Bewertung des Filmtrick- Einsatzes
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Die obige Passage verdeutlicht die vielfältigen tricktechnischen Mittel, die einen Filmbericht in ästhetischer Hinsicht bereichern können. Dies gilt auch für die nachrichtlichen Filmbeiträge. Daher werden die potenziell in einem Filmbericht in Erscheinung tretenden Doppelbelichtungen, dramaturgisch begründete Schwarz- Weiß- Bilder, Farb- und Stroboskopeffekte, sowie der Einsatz von Schlüsselloch- und Fernrohraufnahmen als Indikator für ästhetische Qualität gewertet. Ein Filmbeitrag, der einen oder mehrere Filmtricks enthält, bekommt dafür einen Punkt zugewiesen. [Eine Begründung dieser Wertung findet sich in Abschnitt 4.4.5 „Gewichtung und Gesamtbewertung der Dimension Vermittlung“.] |
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Einsatz
von Filmtricks: Indikator(en) |
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Der
Beitrag enthält ästhetisch- dramaturgisch begründete |
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Doppel- bzw. Mehrfachbelichtung |
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Farbeffekte |
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Schwarz- Weißbilder |
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Schlüsselloch- bzw. Fernrohraufnahmen |
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Stroboskop- Effekte |
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sonstige ästhetisch-
dramaturgisch begründete Mittel |
Diskussion
der Dimension Vermittlung |
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Mehnert
(1971:31) vergleicht die Qualität, die der Lichtgestaltung in den Anfängen des
Kinofilms zukam, mit einer „Deckenbeleuchtung“.
David Griffith war es schließlich, der nicht nur die Parallelmontage und Auf-
und Abblenden verwendete, sondern darüber hinaus auch als einer der ersten
Regisseure die dramatisierende Wirkung des Lichtes nutzte. Die wichtigste Regel
bei der Lichtgestaltung ist wohl jene von der „idealen“ Ausleuchtung der
Szenerie. Nach
Mehnert (1971:146), Davis (1974:33) und Müller (1993:89fff.) sollen alle
Gegenstände und Personen, die vom Filmregisseur (und ebenso vom Beitragsautor)
als wichtig erachtet werden, vom Zuschauer gut erkennbar sein. Bildgewichtig
sind auch jene Bildbestandteile, die für den Charakter des Bildes wichtig sind.
Nach Mehnert (1971:328f.) ist bei der Lichtgestaltung eine hauptsächliche
Lichtquelle, das Führungslicht, festzulegen. Dabei sollte die Ausleuchtung so
geschehen, dass sie wie durch die im Bild vorhandene Lichtquelle beleuchtet zu
sein scheint. Die am häufigsten ausgeleuchteten Objekte sind Gesichter, die
jedoch auf keinen Fall zu hell wiedergegeben werden dürfen (Davis:1974:58). Mehnert
(1971:150fff.) behandelt ebenfalls ausführlich die dramaturgische Wirkung des
gewählten Lichtstiles, wobei er zwischen dem Normalstil, dem Low- Key – Stil
und dem High- Key- Stil unterscheidet. Beim Normalstil wird das ganze Bild mit
guter Durchzeichnung wiedergegeben, und zwar von den tiefsten Schatten bis zu
den hellsten Lichtern. Ein Bild im Normalstil soll derartig ausgeleuchtet sein,
dass die Film- bzw. Fernsehzuschauern die abgebildete Szenerie so wahrnehmen,
als stünden sie „real“ vor den abgelichteten Objekten. Der Normalstil ist
mit 80 Prozent der am häufigsten verwendete Filmstil. Beim Low- Key- Stil sind
nur die wichtigsten Bildteile genügend ausgeleuchtet und werden dadurch
besonders hervorgehoben (Mehnert:1971:145/152). Der Low- Key- Stil sollte gewählt
werden, wenn es die Dramatik des Geschehens erfordert, zu denen Mehnert unter
anderem auch Liebesszenen zählt. In diesem Fall werden lichtbedingte harte
Kontraste vermieden und Schatten weich ausgeleuchtet. Als Variante des Low- Key-
Stils nennt Mehnert (1971:152) den aufgehellten Low- Key- Stil, der eine Übergangsform
vom niedrigen zum normalen Ausleuchtungsstil
darstellt. Dieser eignet sich besonders zur Wiedergabe der
„ungeschminkten Realität“. Durch die Vermeidung von Lichtdetails und durch
den Schatten, in den große Teile des Bildinhaltes versinken, eignet sich der
aufgehellte Low- Key- Stil hervorragend, um Armut, Not und Trostlosigkeit zu
schildern (Mehnert:1971:154). Die gegenteilige Stimmung, nämlich Glück,
Gelingen, Hoffnung und frohe Zuversicht entspricht dem High- Key- Stil. Dabei
erhält der High- Key- Stil durch die Verbindung mit Farben eine vollendete
dramaturgische Aussagekraft (Mehnert:1971:155). Dementsprechend orientieren sich die Regeln für die Frage, wo und wie Schatten eingesetzt werden soll, an den Regeln der Lichtgestaltung. Dabei hat auch der Schatten für die Bildgestaltung eine immense Bedeutung (Mehnert:1971:304fff.). Nach Mehnert (1971:309) steigt mit zunehmender Größe auch die Bedeutung eines Schattens für die Bildaussage, wobei er bei der Bildkomposition als charakterisierendes und dramaturgisches Element fungiert (Mehnert:1971:311). Da bei dem nachrichtlichen Fernsehjournalismus die Personalisierung einen wichtigen Faktor darstellt, soll an dieser Stelle noch auf die Personenfotografie eingegangen werden, bei der Fotografen sich des Lichts und des Schattens bedienen, um Personen zu charakterisieren. Ein weicher Schatten unterstützt zum Beispiel das Feminine des Aussehens, während ein Schlagschatten, der aus einer starken Lichtquelle hervorgeht, das Männliche des Aussehens betont. Dabei ist das Gesicht immer der Bezugspunkt für die Szenenausleuchtung (Mehnert:1971:168f.). Egli (1997:23f.) erinnert in diesem Zusammenhang an den subjektiven Charakter der Personenfotografie. So läßt sich zum Beispiel Bill Clinton nach Aussage von Egli immer nur in dem gleichen angenehmen Licht (gleiche Zeit/ gleiche Blende) fotografieren oder filmen.
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Fazit
zur Bewertung der Lichtgestaltung |
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Die beobachteten nachrichtlichen Filmberichte entsprachen allesamt der von Mehnert und Davis geforderten Hauptregel der Lichtgestaltung; alle bildgewichtigen Details waren sichtbar und erfüllten die Forderung nach einer idealen Szenenausleuchtung. Da es sich hierbei sowohl um ein ästhetisches als auch um ein technisch- handwerkliches Kriterium handelt, wird der für die Endkontrolle zuständige Nachrichtenredakteur wahrscheinlich auch auf die gute Sichtbarkeit aller bildwichtigen Objekte und Personen achten. Darüber hinaus entsprachen die fünf analysierten Filmbeiträge (Filmbeiträge zur Argumentation/ Abschnitt 6.2) durchweg dem „Normalstil“, was nicht verwundert. Es ist fraglich, ob in der hektischen Nachrichtenfilm- Produktion ästhetische Gesichtspunkte wie die des zu wählenden Lichtstils eine Rolle spielen. Da Fernsehnachrichten jedoch von Zeit zu Zeit, zum Beispiel aus Anlass von Geburts- oder Todestagen, porträtartige Filmberichte präsentieren, die auch von „langer Hand“ vorbereitet werden können, wird der dramaturgisch – ästhetisch bewusst eingesetzte Lichtstil als Indikator für ästhetische Qualität genutzt. Das gleiche gilt für die dramaturgisch angewandten Regeln der Personenfotografie. Sollte daher ein nachrichtlicher Filmbeitrag in mindestens einer Einstellungsfolge aus ästhetisch- dramaturigischen Gründen vom Lichtstil abweichen, (zum Beispiel, um eine Situation oder Person zu charakterisieren), bekommt dieser Beitrag einen Punkt zugewiesen. [Eine Begründung dieser Wertung findet sich in Abschnitt 4.4.5 „Gewichtung und Gesamtbewertung der Dimension Vermittlung“.] |
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Lichtgestaltung
im Film: Indikator(en) |
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Der Beitrag enthält eine Einstellungsfolge, die mittels Lichtstil/ Schatten die
abzufilmende Person/ Situation
visuell charakterisiert |
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Der Beitrag enthält eine Einstellungsfolge, die aus dramaturgisch- ästhetischen Gründen vom gewählten Lichtstil abweicht |
Diskussion
der Dimension Vermittlung |
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Ästhetische Filmgestaltung:
Dramaturgischer Aufbau |
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Die
Forderung, dass ein 60 bis 180 Sekunden währender nachrichtlicher Beitrag nach
dramaturgischen Gesichtspunkten gestaltet sein sollte, klingt zunächst absurd.
Nach Wittwen (1995:207) und Straßner (1982:60f.) ist die Kürze ein
dramaturgischer Bestandteil der Nachrichtenfilme und nachrichtlichen Beiträge.
So gelten laut Straßner „Filmchen“ als wertvoll, wobei diese nach Ansicht
der im Nachrichtenbereich Tätigen nicht länger als 1´40 Minuten dauern
sollten. Dies trägt nach Wittwen zum Vorwurf der oberflächlichen und ungenauen
Berichterstattung bei. Auf der anderen Seite bedingt die Kürze eine
temporeiche, lebhafte Berichterstattung, die sich der Werbeästhetik annähert.
Zudem zeigen die Ausführungen Sturms (1998:243), Straßners (1982:60) und
Hallers (1995:93), dass die dramaturgische Gestaltung auch bei nachrichtlichen
Filmberichten vorausgesetzt werden kann. Sturm (1998:243) zufolge ist die
Dramaturgie logisch und spannend zu gestalten. Straßners Empfehlung an die
jungen Fernsehjournalisten lautet: „Der
Wurm (Beitrag) muß dem Fisch (Publikum) gefallen und nicht dem Angler (Autor)“ Nur,
welche dramaturgischen Mittel wenden die Fernsehjournalisten an, damit ein
Beitrag dem Publikum gefällt? Einen ersten Hinweis darauf liefern die
Narrationstheorie Hickethiers (1997) und die Ausführungen Hartleys (1982:115
fff.), der die Nachrichtenfilme mit „Crime- Stories“ vergleicht. So gibt es
laut Hartley in beiden Formen dramaturgisch durchdachte Erzählmuster und eine
Stereotypisierung, die erreicht wird durch die Kontrastierung von positiv und
negativ bewerteten Sachverhalten und Charakteren. Damit wird das erste
dramaturgische Gestaltungsmittel offensichtlich, dass der Kontrastierung und
Gegenüberstellung. Mit diesem Ansatz korrespondieren die von Appeldorn
(1984:67/74f.) genannten dramaturgischen Mittel. So muss auch einem
nonfiktionalen Film eine Motivation, ein Konfliktpotenzial zu Grunde liegen.
Dieses Konfliktpotenzial ergibt sich unter anderem aus dem Aufbau des
Filmberichtes. In
einem neueren Aufsatz schreibt Hickethier (1998:190) von der Übersichtlichkeit
als einem der nachrichtlichen Stilprinzipien. Ähnlich den fiktionalen
Sendeformen führt eine Nichtbeachtung des Übersichtlichkeitsprinzips zu einer
Missachtung oder negativen Bewertung des nachrichtlichen Filmbeitrages durch den
Zuschauer. Der Filmbeitrag kann chronologisch oder szenenzentriert aufgebaut
sein (Egli:1997:90f.). Szenenorientierte/ formalorientierte dramaturgische
Strukturen sind eher für Filmberichte mit porträtartigem Charakter geeignet.
Dabei ist der szenenartig strukturierte Filmbericht durch die lockere
Aneinanderreihung verschiedener Szenen gekennzeichnet, wobei die einzelnen
Szenen etwas Typisches über die zu charakterisierende Person oder Situation
aussagen. Zudem werden bei einer solchen Struktur meist Geräusche oder Musik
leitmotivisch eingesetzt, welche sich wie „ein roter Faden“ durch den
Beitrag ziehen und dabei sowohl eine sinnstiftende als auch eine ästhetische
Funktion innehaben. Wie
zu beobachten war, ist im Nachrichtenbereich eher die chronologische Dramaturgie
gebräuchlich, bestehend aus Exposition, Konflikt und Höhepunkt. Dabei deckt
sich diese Beobachtung mit den Aussagen von Huh (1996:195) und Appeldorn
(1984:73f.). Die filmische Exposition sollte den Zuschauer über die Umgebung,
die Atmosphäre und die Menschen informieren (Appeldorn:1984:73f.). Dass diese
strukturellen Forderungen in der nachrichtlichen Fernseh- Praxis erfüllt
werden, demonstriert Huh (1996:195) mit der exemplarischen Diskussion eines
Filmberichtes, der sich mit der Lage der Bevölkerung in Sarajevo während des
Jugoslawienkrieges beschäftigt. So führt eine Exposition den Zuschauer in das
Geschehen der „Filmgeschichte“ ein, indem sie die näheren Umstände einer
Beerdigung erläutert. Die dramaturgische Konfliktsituation sieht Huh (1996:196)
in der Darstellung des Schmerzes einer weinenden Frau gegeben. Als Höhepunkt
der Geschichte bezeichnet Huh die Thematisierung der Lebensgefahr, in die sich
die Trauernden zwecks Beerdigung ihres Angehörigen begeben haben. Eine dramaturgische Gestaltung konnte auch bei den beobachteten Filmbeiträgen nachgewiesen werden. So weisen der PRO 7 – Beitrag und der RTL- Beitrag (vergleiche Kapitel 6.2) ganz deutlich eine Exposition auf, indem sie durch die Visualierung der idyllischen Winterlandschaft auf die äußeren Tagungsumstände eingehen, die im gänzlichen Kontrast zur tatsächlichen Tagungsatmosphäre stehen. Damit verwenden diese Beiträge als weiteres dramaturgisches Stilmittel das der Gegenüberstellung. Der Höhepunkt des RTL- Beitrages liegt ganz klar am Ende, wird doch hier auf den Waffenhändler Schreiber verwiesen, der im CDU- Skandal (den der Bericht eigentlich thematisiert) als Schlüsselfigur fungiert. Der RTL- Beitrag enthält somit den markanten Schluß, den Wittwen (1995:121) neben dem inneren Spannungsbogen und dem interesseweckenden Einstieg als dramaturgisches Gestaltungsmerkmal nennt. Vielen Journalisten ist als dramaturgisches Gestaltungsprinzip auch der „runde Beitrag“ bekannt, bei dem sich das Ende des Films auf den Filmbeginn bezieht. Solch einen „runden Beitrag“ präsentierte das ZDF „heute journal“ seinen Zuschauern am 25. Oktober 1999 in einem Filmporträt anlässlich des 80. Geburtstages von Beate Uhse. Bei diesem Filmbericht bezog sich der Beitrag zu Beginn als auch zum Schluss auf das Verhältnis der öffentlich- rechtlichen Sender zur Pornografie. Plangger
(1993:20), Sauer (1997:91/131), Wittwen (1995:121) und Egli (1997:94) betonen
die Bedeutung des filmischen Einstiegs als dramaturgisches Einstiegsmittel.
Danach bevorzugen nachrichtliche Filmberichte laut Wittwen (1995:121) den schnörkellosen
Einstieg, der gemäß den Funktionen der Exposition folgende journalistische
Fragen beantwortet: Wer? (Motiveinstieg), Was? (Aktionseinstieg),Wo? (Szenerie-
Einstieg). Als weitere Einstiegsvarianten nennt Wittwen den O-Ton- Einstieg
(z.B. berichtet eine Frau vom Mordanschlag auf ihren Verlobten) oder den
Einstieg durch eine Metapher. (Die Speisekarte des Bundestages ist eine Metapher
für den politischen Speiseplan von Altbundeskanzler Kohl) Die meisten der
gerade genannten „Einstiegsvarianten“ können auch für den „Ausstieg“
aus einem Filmbeitrag genutzt werden, so etwa die eben genannte Metapher oder
eine längere Präsentation der Szenerie, welche das Abschlussbild darstellen könnte. Ein
weiteres, recht umstrittenes dramaturgisches Gestaltungsmittel ist das
Nachstellen von Szenen. Hier steht der Wunsch nach ästhetischer Gestaltung der
Forderung nach sachlicher Richtigkeit entgegen. Das Ideal bei der Filmgestaltung
erläutert Reinecke (1990:170f.), der den Filmautor mit einem Bildhauer
vergleicht, welcher das Rohmaterial stilisiert, um eine wesentliche Aussage zum
Vorschein zu bringen. Sehr oft sieht sich jedoch der im Nachrichtenbereich tätige
Fernsehjournalist mit der Tatsache konfrontiert, dass er, wie zum Beispiel beim
Zugunglück in Asta, nicht über geeignetes Dokumentationsmaterial verfügt, mit
der er die visuelle Aussage eines Filmes „auf den Punkt“ bringen könnte.
Zudem sind auch politische Standardereignisse visuell unergiebig. Amerikanische
und australische Fernsehjournalisten begannen daher vor Jahren damit, Szenen für
die Nachrichten nachzustellen. Das veranlasst einige Kritiker jedoch zur
Annahme, die Journalisten kreierten sich – gemäß eines Bildhauers- ihre
eigene Realität, was dem journalistischen Anspruch nach „sachlich
richtiger“ Berichterstattung widerspricht (Wittwen:1995:130). Auch Sauer
(1997:140), die das Stilmittel der „Nachinszenierung“ bei Filmbeiträgen
nachwies, die von den Regionalmagazinen (RTL, SAT 1 und WDR) ausgestrahlt
wurden, beschäftigt sich ausführlich mit der Problematik potenziell
mangelhafter Authentizität. Sauer (1997:132) sieht eine Möglichkeit zur Lösung
des Problems in der Kenntlichmachung der nachgestellten Szenen. So betont sie,
bei der für einen SAT 1 Beitrag nachgestellten Selbstmord- Szene werde ihr
symbolhafter Charakter deutlich. Dieser Lösungsstrategie schließt sich die
Autorin an. Im Falle, dass die nachgestellten Szenen entsprechend gekennzeichnet
sind (zum Beispiel durch ein Insert „Szene nachgestellt“) wird eine nachgestellte Szene als Indikator für
die ästhetische Qualität eines Beitrages gewertet. |
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Fazit zur Bewertung des dramaturgischen Aufbaus |
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Aus
der obigen Diskussion geht hervor, dass auch in nachrichtlichen Filmberichten
dramaturgische Gestaltungsprinzipien Anwendung finden. Dabei haben die
Fernsehjournalisten verschiedene Möglichkeiten bezüglich des dramaturgischen
Aufbaus. Neben einem szenenartigen Aufbau (bei dem mitunter Musik und/ oder Geräusche
leitmotivisch zum Einsatz kommen) besteht die Möglichkeit, die Informationen
chronologisch anzuordnen. Wichtig ist hierbei der Einstieg, der sowohl Interesse
wecken, als auch in die Situation einführen soll. Dabei erfüllt die Exposition
eines Nachrichtenfilmes dieselbe Funktion wie die Exposition eines Spielfilmes,
da auch hier die Exposition den Ausgangspunkt für den herauszuarbeitenden
Spannungshöhepunkt markiert. Dieser folgt mittelbar auf die Exposition, wobei
ein nachrichtlicher Filmbeitrag den Beobachtungen der Autorin zufolge mehrere
„Höhepunkte“ aufweisen kann. Besonders auffällig ist es, wenn der
Spannungshöhepunkt am Ende des Beitrages angesiedelt ist. In diesem Fall
handelt es sich um einen sogenannten „markanten“ Schluss. Ein weiteres
dramaturgisches Prinzip ist das des „runden Beitrages“ bei dem sich der
Schluss auf den Filmbeginn bezieht. Ferner kann ein Beitrag durch die Verwendung von Kontrasten strukturiert werden. Weiterhin haben Journalisten in bestimmten Fällen die Möglichkeit, aus ästhetisch- dramaturgischen Gründen eine Szene nachzustellen. Das Vorkommen von nachgestellten Szenen wird als Indikator für die ästhetisch- dramaturgische Qualität erachtet, sofern die Nachinszenierung als eine solche gekennzeichnet ist. Im Falle, dass ein nachrichtlicher Filmbeitrag eines oder mehrere der eben genannten Stilprinzipien aufweist, erhält er für seinen dramaturgischen Aufbau einen Punkt. [Eine Begründung dieser Wertung findet sich in Abschnitt 4.4.5 „Gewichtung und Gesamtbewertung der Dimension Vermittlung“.] |
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Dramaturgischer
Aufbau:
Indikatoren |
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Der
Filmbeitrag weist dramaturgische Gestaltungsprinzipien auf durch: |
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eine szenenartige/ collagenartige Dramaturgie |
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Verwendung des kontrastierenden Gestaltungsprinzips |
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eine chronologisch
dargestellte Handlung mit spannender Exposition und Höhepunkt |
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einen interesseweckenden Einstieg und einen markanten Schluss |
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den
Bezug der Schlußszene zum Beitragsbeginn |
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den Einsatz von nachinszenierten Szenen, die als solche
gekennzeichnet sind |
Diskussion
der Dimension Vermittlung |
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Ästhetische Filmgestaltung: Dramaturgisch begründeter Musikeinsatz |
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Musik
ist nach Michel (1969:116f.) eine spezifische Art der ästhetischen
Verallgemeinerung, die Stimmungsbilder vermittelt. Ferner hat Musik eine
Ausdrucksfunktion – sie führt Gefühle nicht einfach vor, sondern wird über
die als Mittler fungierende Bildschirm- Figur vom Komponisten auf den Zuschauer
übertragen. Dabei hält Michel (1969:118) die Musik für ein hervorragendes
Instrument, durch welches sich der Zuschauer mit den Ängsten und Hoffnungen der
Bildschirmfigur identifiziert. In diesem Kontext bezieht sich Michel auf Jean-
Paul Satre, der in einem Aufsatz davon berichtet, dass der Trauermarsch von
Chopin ihn zur Identifikation mit der Darstellerin auf der Leinwand veranlasste.
Ebenso beziehen sich die Forscher um Meutsch (1990:36f.) sowie Brosius
(1997:151) und Heussen (1997:376) auf die emotionalisierende Wirkung der Musik.
Der Ton schafft nach Meinung Heussens Spannung, Erwartung, Ärger oder Täuschung,
wobei Heussen davon ausgeht, dass es nicht die Bilder sind, die Angst und
Erschrecken beim Anschauen eines Filmes auslösen, sondern die Musik und die Geräusche.
In diesem Zusammenhang verweist Michel (1969:142) auf den möglichen
manipulierenden Charakter. So kann Musik als sublimer Kommentar das visuelle
Geschehen kommentieren, ohne dass diese Beeinflussung dem Zuschauer bewußt
wird. Übereinstimmend
berichten Bruns (1997:151) und Wittwen (1995:129) von dem eher zögerlichen
Einsatz der Musik in Nachrichtensendungen. Musik wird nach Bruns (1997:189) vor
allem im Bereich der Magazinsendungen eingesetzt. Dabei stieg der Musikanteil
von 5,5 Prozent (1986) auf 13,4 Prozent (1994). In den NRW- Regionalmagazinen
von RTL, SAT 1 und dem WDR waren 33 Filme von 114 Filmen (29 Prozent) mit Musik
unterlegt (Sauer:1997:90). Musik, so die Forscherin Sauer, wird bei bunten, ökologischen
und politischen Themen eingesetzt, ferner auch bei Gesundheitsthemen. Sauer
zufolge entfiel der Musikeinsatz lediglich bei zwei Themenfeldern – dem der
Wirtschaft und dem der Unfälle/ Unwetter. Musik als Bestandteil der qualitativen Bewertung findet sich auf einer Liste, die der Wissenschaftler Whittaker zusammenstellte und die der Qualitätsforscher Albers (1992:65) im Anhang seiner Erörterungen aufführt. Ein Kriterium zur qualitativen Bewertung der Verwendung von Musik ergibt sich aus der Lautstärke, die sich der Aussageintention des Gesamtbeitrages unterordnen sollte. [Vergleiche hierzu auch Michel (1969:167), der den Film- und Fernsehstudenten die technischen Handwerksregeln des Musikeinsatzes erklärt.] Eine Faustregel zum korrekten Musikeinsatz stammt von Egli (1997:115): Musik soll Akzente setzten und Atmosphäre schaffen; sie soll aber nie das eigentliche Geschehen dominieren. Ferner sollte die Musikauswahl mit der Themenwahl harmonieren. Heusen (1997:277) kritisiert in diesem Zusammenhang einen Musikeinsatz, der sich am „Effekt“ orientiert und nicht dramaturgisch begründet ist. Hierbei wird mit Verweis auf Michel (1969:143) und Egli (1997:113) aber eingeräumt, dass Musik wohl effektbetont eingesetzt werden kann, sofern sie eine gliedernden Funktion hat. In diesem Fall wirkt Musik wie ein Leitmotiv, welches verschiedene Filmszenen miteinander in Beziehung setzt. Dies ist zum Beispiel bei einer collagenartigen Dramaturgie der Fall. Daneben kann Musik laut Egli (1997:115) ähnlich einem auditiven Kommentar eine Situation/ eine Person charakterisieren – und die Statements der zu porträtierenden Person oder Situation konterkarieren. In diesem Kontext sei nochmals auf Michels (1969:142) verwiesen, der auf den potenziell manipulatorischen Charakter der Musik hinwies. Sturm (1998:137) warnt die jungen Fernsehjournalisten bei der Musikauswahl auch vor dem Einsatz von Beziehungstiteln (Thema: Radfahren/ Lied „Ich fahr so gerne Rad“). Dieses Stilmittel ist unter Journalisten der elektronischen Medien allgemein verpönt, da sie fürchten, den Zuschauer/ Zuhörer mit einem „abgegriffenem“ Gestaltungsmittel zu langweilen. |
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Fazit
zur Bewertung des Musikeinsatzes |
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Aus der obigen Diskussion wird ersichtlich, dass Musik eine charakterisierende Funktion innehat und als verfeinerndes dramaturgisches Gestaltungsmittel die Atmosphäre des Beitrages beeinflussen sowie die Äußerungen des Statement- Gebers musikalisch verstärken oder konterkarieren kann. Weiterhin dient Musik bei collagenartigen/ szenenartigen Beiträgen als Klammer über Einstellungen und Szenen hinweg und gliedert damit den Beitrag in leitmotivischer Funktion. Daher soll das Vorkommen einer Sequenz in einem Filmbeitrag, in der die Musik eine Situation/ eine Person(enaussage) charakterisiert oder kommentiert, als Indikator für die ästhetisch- dramaturgische Qualität eines Filmbeitrages gewertet werden. Ferner stellt die leitmotivische Verwendung der Musik einen Qualitätsindikator dar. Beim Vorkommen eines oder beider Qualitätsindikatoren wird dem entsprechenden Filmbeitrag einen Punkt vergeben. [Eine Begründung dieser Wertung findet sich in Abschnitt 4.4.5 „Gewichtung und Gesamtbewertung der Dimension Vermittlung“.] |
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Musikeinsatz: Indikatoren |
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Der Filmbeitrag enthält eine Einstellungsfolge, in der die Musik eine Situation/eine Person(enaussage) charakterisiert/ kommentiert |
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Die Musik hat eine leitmotivische Funktion im Filmbeitrag inne |
Diskussion der Dimension Vermittlung |
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Ästhetische Filmgestaltung: Dramaturgisch begründeter Einsatz von Geräuschen/ Stille |
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Zunächst ist mit Verweis auf Michel (1969:97f.) zwischen Ton und Geräusch zu differenzieren. Der Begriff Ton gilt übergeordnet für Sprache, Musik und Geräusche. Zum Geräusch zählen in Anlehnung an Michel alle akustischen Erscheinungen, die von Dingen oder Lebewesen willkürlich ohne bewußte Formung hervorgerufen werden. Schon bei der Diskussion des Musikeinsatzes wurde darauf hingewiesen, dass Musik die Bildaussage beeinflusst. Dasselbe gilt für die Geräusche; sie verändern die Wahrnehmung der Zuschauer. So wissen Zuschauer laut Heussen (1997:375) erst anhand des Geräusches, ob sie eine Szene dokumentarisch ernst nehmen oder als Satire einstufen sollen. Diesen Effekt veranschaulicht Michel (1969:97) anhand von Chaplins Film „City Lights“. Hier dient das Gequäke der Reden als gestalterisches Mittel zur Parodierung der Inhaltslosigkeit der Reden. Es wird ferner deutlich, dass Geräusche die Glaubwürdigkeit und die Beweiskraft des Bildinhaltes beeinflussen, weil sie das Abbild konkreter und individueller machen. Michel (1969:99 fff.) sieht im Hinblick auf die „Authentizität“ kein Problem darin, wenn in Filmbeiträgen Geräusche aus dem Archiv beigemischt werden. Probst und Buchholz (1993:103) sowie Michel (1969:104) machen bezüglich der Dramaturgie auf die leitmotivische Funktion der Geräusche aufmerksam. Leitmotivisch eingesetzte Geräusche haben Signalwirkungen. Ähnlich der Musik dienen sie der Ankündigung von Vorgängen und bewerten Personen und Vorgänge. Ebenso kann die Abwesenheit jeglicher Geräusche als dramaturgisches Mittel eingesetzt werden. In diesem Fall wirkt die Stille laut Michel (1997:107) unheildrohend und unwirklich. Sie enthält ein surrealistisches Moment.
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Fazit
zur Bewertung des Einsatzes von Geräuschen/ Stille |
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Der obige Abschnitt zeigte, dass Geräusche, ähnlich der Musik, dramaturgische Wirkungen haben. Sie dienen als Leitmotiv und können in dieser Funktion als Klammer über Einstellungen und Szenen hinweg erscheinen und damit einen Beitrag gliedern. Ferner taugen Geräusche zur Charakterisierung einer Situation oder einer Person und können die Bildaussagen in diesem Kontext verstärken oder in Frage stellen. Auch der Verzicht auf jeglichen Ton – also die Verwendung von Stille – kann aus einem ästhetisch- dramaturgischen Gestaltungswillen heraus erfolgen. Meist entscheidet sich ein Beitragsautor für den Verzicht auf Geräusche, um den unheilbringenden Charakter einer Szene/ einer Situation zu verdeutlichen. Somit erhält ein Filmbeitrag, bei dem Geräusche leitmotivisch eingesetzt werden, beziehungsweise bei dem der Einsatz von Geräuschen/ Stille dazu dient, Situationen oder Personen zu charakterisieren oder zu verfremden, einen Punkt. [Eine Begründung dieser Wertung findet sich in Abschnitt 4.4.5 „Gewichtung und Gesamtbewertung der Dimension Vermittlung“.] |
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Einsatz
von Geräuschen und Stille: Indikatoren |
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Der Filmbeitrag enthält mindestens eine Einstellungsfolge, in der Geräusche/Stille folgende Funktion aufweisen: |
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leitmotivische Funktion |
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Funktion der Charakterisierung (Verstärkung/ Infragestellung eines Beitragsinhaltes) |
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Funktion der Verfremdung |
Diskussion der Dimension Vermittlung |
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Wie sehr die Bedeutung der Dimension Vermittlung im Bewusstsein der Journalisten verankert ist, zeigt das Ergebnis der Befragung unter 101 Journalisten, die Weber und Rager (1994:4) durchführten. Journalisten stuften die Vermittlung mit 35,5 Prozent als zweitwichtigste Dimension direkt hinter der Dimension Richtigkeit ein. Zu den der Vermittlung zuzurechnenden Kriterien gehören nach Ansicht der Journalisten die zielgruppengerechte Ansprache des Publikums, die Verständlichkeit, eine angemessene Umsetzung des Themas sowie eine ansprechende optische Illustration. Nach Angaben von Weber und Rager (1994:8) wird die Verständlichkeit seitens der Journalisten am höchsten unter den Kriterien der Dimension Vermittlung eingestuft. 98 Prozent der Journalisten meinten, ein Zeitungsartikel müsse ohne Vorinformation verständlich sein. Da die Verständlichkeit eines Filmberichtes für die Vermittlung als bedeutendes Kriterium erachtet wird, soll den Indikatoren der Unterdimension Verständlichkeit jeweils 2 Punkte zugeteilt werden. Eine Ausnahme davon bildet die Qualitätsvariable „Zusätzliche Stimuli"; hier vergibt die Autorin unabhängig von der Tatsache, ob eine oder drei Indikatoren erfüllt wurden, 2 Punkte. Der Grund hierfür ist die Warnung des Qualitätsforschers Fischer (1995:87), Stimuli sollten wie das Salz sparsam eingesetzt werden, da zuviel Stimulanz „die Suppe versalzen" könne. Ebenfalls erhält jede Qualitätsvariable der Unterdimension „Ästhetik" jeweils 1 Punkt, unabhängig davon, wieviele Indikatoren für ästhetische Qualität sie in sich vereint. Mit dieser Bewertung soll zum Ausdruck gebracht werden, dass die ästhetischen Kriterien eines Beitrages wohl als Qualitätsmerkmal geschätzt werden; sie sollen jedoch gegenüber den Kriterien der Verständlichkeit nicht überbewertet werden. Diese Punkteverteilung trägt auch der teilweise strittigen Bewertung einzelner ästhetischer Mittel (wie zum Beispiel der Nachinszenierung/ Abschnitt 4.4.4.4) durch verschiedene Medientheoretiker Rechnung. Innerhalb der Dimension Vermittlung wird keine zu erreichende Mindestpunktzahl festgelegt. Im schlimmsten Fall führt ein wenig verständlicher Beitrag dazu, dass der Zuschauer sich überfordert fühlt und den Fernsehkanal wechselt. Bei einem ästhetisch unattraktiven Beitrag wird er diesen vielleicht als langweilig empfinden.
Hiermit ist die Diskussion der einzelnen Dimensionen abgeschlossen. Das Ergebnis der Diskussion ist der Codierbogen, der der Magisterarbeit beigefügt ist. (Die Magisterarbeit ist einsehbar in der Ruhr-Universität Bochum.) |
der Magisterarbeit |
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