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KAPITEL 4 |
QUALITÄTSSTANDARDS DISKUTIERT ANHAND VON RAGERS MODELL |
Erläuterung des hier benutzten Skalierungsverfahrens sowie der weiteren (empirisch begründeten) Vorgehensweise |
Wie
bereits in dem Abschnitt 1.1.2 (Ziele der Arbeit) und dem Abschnitt 2.1.1
(Grundlegende Erläuterung der quantitativen Inhaltsanalyse) angekündigt,
erfolgt hier eine Erläuterung des Skalierungsverfahrens, mit dem die Qualitätskriterien
für nachrichtliche Filmberichte ausfindig gemacht werden sollen. Dabei
weist diese Arbeit explorativen Charakter auf. Zur Evaluierung der für einen
Filmbericht erforderlichen Qualitätskriterien wurden nicht nur, wie dies bei
inhaltsanalytischen Verfahren üblich ist, theoretische Texte genutzt, sondern
zugleich die nachrichtlichen Filmberichte der Abend- und Spätausgaben von ARD,
ZDF, SAT 1, RTL und Pro 7. Zu diesem Zweck zeichnete die Autorin am 5. und 6.
Januar 2000 fünf Beiträge der nachrichtlichen Hauptausgaben von SAT 1
(18.30-nachrichten), RTL (RTL-aktuell), ZDF (heute), PRO 7 (Pro7 nachrichten)
und ARD (Tagesschau) auf, um in Zweifelsfällen die Qualitätsforderungen, die
Medientheoretiker an das Medium Fernsehen bzw. den Kurz- und Hintergrundsbericht
stellen, auf ihre Realitätsnähe zu überprüfen. [Die Skripte der
aufgezeichneten Filmberichte finden sich in Abschnitt 6.2. unter dem Stichpunkt
„Dokumentationsbeispiel für die Argumentation.] Der
Grund für das explorative Vorgehen sei an einem Beispiel erläutert.
Fernsehtheoretiker fordern einen bestimmten Aufbau innerhalb einer qualitativ
hochwertigen Sequenz. Durch den Vergleich dieser theoriegeleiteten Qualitätsanforderung
mit der Praxis bekam die Autorin einen Eindruck von der Stichhaltigkeit dieser
theoretischen Forderung. Da der theoriegeleitete Anspruch innerhalb des Genres
„nachrichtlicher Filmbericht“ durchgängig nicht berücksichtigt wird, wäre
es unnütz gewesen, diese Forderung als Kriterium der visuellen Qualität eines
Filmes (innerhalb der Dimension Vermittlung) in den Codierbogen aufzunehmen.
Gleichwohl wird aber aus dem Abschnitt „Fazit zur Bewertung der Qualitätsvariable
X“ deutlich, (mit der jede Diskussion um die Aufnahme bestimmter Qualitätskriterien
abschließt) ob sich ein bestimmtes Qualitätskriterium generell für die
Messung filmischer Qualität empfiehlt. Das
Skalierungsverfahren, das in dieser Arbeit genutzt wird, ist seit etwa vierzig
Jahren gebräuchlich (Atteslander:1995:261). Skalierungsverfahren sind
Verfahren, die verschiedene Dimensionen (zum Beispiel die Dimension
„Arbeitsintensität eines Studenten“/ Qualität) qualitativ erfassen und
anhand von Skalen quantitativ messen und darstellen wollen. Dimensionen sind in diesem Zusammenhang qualitative Bereiche eines
sozialen Phänomens, die als wissenschaftlich relevante Einheiten numerisch
bestimmt werden können. In dieser Arbeit werden die Dimensionen Aktualität,
Relevanz und Vermittlung zusätzlich in Unterdimensionen aufgeteilt. Die
zu bestimmenden „qualitativen“ Aspekte innerhalb der Dimensionen werden
konkretisiert, indem für sie spezifische Phänomene gefunden werden. Im Falle
eines Studenten zeigt sich die Arbeitsintensität etwa am zeitlichen Einsatz,
mit der er eine Lehrveranstaltung vorbereitet. Ferner zeigt sich die
Arbeitsintensität an der Regelmäßigkeit, mit der er an einer
Lehrveranstaltung teilnimmt. Der „zeitliche Einsatz“ und die „Teilnahmehäufigkeit“
entsprechen zwei Variablen innerhalb
der Dimension „Arbeitsintensität
eines Studenten“. Die in dieser Arbeit verwendete Dimension Richtigkeit wird
beispielsweise durch die Variablen
„Faktentreue“ und „Vollständigkeit“ präzisiert. Woran lässt sich im
Falle des Studenten wiederum innerhalb der Variablen „Teilnahmehäufigkeit“
die Regelmäßigkeit überprüfen? Vermutlich wird anhand einer Teilnahmeliste
die Regelmäßigkeit der Teilnahme überprüfbar. Somit entspricht die „Anzahl
der Unterschriften auf der Teilnahmeliste“ einem „Indikator“ für die Arbeitsintensität des Studenten. Bezogen
auf diese Arbeit zeigt sich die „Faktentreue“ im Filmbericht konkret daran,
dass zum Beispiel nur auskunftsberechtigte Personen interviewt werden, wobei
dieses Kriterium einen Qualitätsindikator
innerhalb der Dimension Richtigkeit repräsentiert. Indikatoren sind somit Anzeiger, durch die der Wissenschaftler
Informationen über Einstellungen, Verhaltensweisen oder über zu bewertende
soziale Phänomene erhält. Nach Atteslander (1995:262) müssen Indikatoren
eindeutig definiert sein und relevante Aspekte der zu untersuchenden sozialen
Tatsache enthalten. An
dieser Stelle ein paar Worte zur generellen Vorgehensweise in Kapitel 4: Jedes
Qualitätskriterium wird innerhalb der zu bewertenden Qualitätsvariablen zunächst
theoretisch erläutert. Danach folgen innerhalb des
„Fazits zur Bewertung“ Überlegungen, ob und aus welchen Gründen ein
Qualitätskriterium zum Bestandteil des Codierbogens werden sollte. Jene
Indikatoren in nachrichtlichen Filmberichten, die nach der theoretischen Erläuterung
für die jeweilige Variable als wertvoll zu erachten sind, werden zum Schluss
unter dem Stichpunkt „Variable X“ –
Indikator(en)“ aufgelistet. Diese Indikatoren finden sich auch auf dem
Codierbogen (der unter Abschnitt 4.5 zu finden ist) wieder. Sie sind unterhalb
der jeweiligen Qualitätsvariable aufgelistet. Zudem entsprechen die unter dem
Stichpunkt „Variable X- Indikatoren“
aufgelisteten Qualitätskriterien der Quintessenz des Abschnittes, so dass auf
eine prä- organisierende Überschrift zu Beginn des Abschnittes verzichtet
werden kann. Im Falle, dass einer Qualitätsvariablen keine Indikatoren
zugewiesen werden können, wird dies in den präorganisierenden Überschriften
zu Beginn des Abschnittes vermerkt. Diese Vorgehensweise soll den
Evaluierungsprozess transparent machen. Am
Ende der jeweiligen Dimension, wenn alle Qualitätsvariablen diskutiert wurden,
erscheint der Abschnitt „Gewichtung und
Bewertung der Dimension X“. Hier erhalten die einzelnen Indikatoren
aufgrund der vorangegangenen Diskussion gemäß des Skalierungsverfahrens einen
bestimmten numerischen Wert zugewiesen, zum Beispiel die Punktzahl 1. Auf diese
Weise kann eine Variable bis zu 4 Punkte erreichen. Die Subjektivität bei der
Punktvergabe ist der Autorin bewußt. Die Punktvergabe erfolgt jedoch nicht
willkürlich, sondern nach vorherigen theoretischen Erwägungen. Ein Blick auf
den anhängigen Codierbogen (Abschnitt 4.5) zeigt, dass die Punktvergabe mit der
Erfüllung, bzw. Nichterfüllung der Indikatoren zusammenhängt. Die
Entwicklung des Codierbogens zur inhaltsanalytischen Messung der Qualität von
Filmberichten entspricht nach Atteslander (1995:243/249) der Aufstellung eines
Kategoriensystems, dem aufwendigsten und schwierigsten Arbeitsschritt bei der
Durchführung einer Inhaltsanalyse. Kategorien sind vom Forscher bestimmte
zielgerichtete und selektive Untersuchungseinheiten. Sie sollen eindeutig
definiert sein und unterteilen sich in Unterkategorien. Kategorien weisen eine
große Ähnlichkeit mit den Dimensionen auf, da auch diese von Qualitätsforschern
in Unterdimensionen untergliedert werden. [Vergleiche hierzu: (Fischer:1995)
(Hagen:1995b).] Zudem zeigt die eben erfolgte Erläuterung der Begriffe
„Dimension“, „Variable“ und „Indikator“, dass es sich bei dem
dimensionalen Untersuchungsschema um die gleichen zielgerichteten und selektiven
Untersuchungseinheiten handelt, wie sie auch in der Inhaltsanalyse verwendet
werden. Der Unterschied zwischen einer Kategorie und einer Dimension liegt in
der eben beschriebenen Funktion der Dimension, qualitative Aspekte eines
sozialen Phänomens in numerische Werte umzusetzen und dadurch messbar zu
machen. Damit stellt eine Dimension eine Spezifikation der Kategorie dar. Dies
bedingt, dass die in dieser Arbeit zu findenden Untersuchungseinheiten des
Codierbogens denselben Anforderungen genügen müssen, die Atteslander
(1995:250) an ein valides und reliables Kategoriensystem stellt. So wird bei der Aufstellung der Qualitätsindikatoren in diesem Kapitel darauf zu achten sein, dass die Dimensionen Aktualität, Richtigkeit, Relevanz und Vermittlung wechselseitig exklusiv sind. Somit darf jeder Qualitätsindikator ausschließlich nur einer Dimension zugeordnet werden. Ferner erfüllt die einleitende grundlegende Diskussion jeder Dimension und jeder Qualitätsvariablen die Forderung, dass Kategorien eindeutig definiert sein sollen. Soll ein valides und reliables Kategoriensystem alle notwendigen Inhalte erfassen, so gilt das auch für Ragers Dimensionen. Dabei zeigte der Vergleich der Arbeitsroutinen und Qualitätsvorstellungen im Bereich des Print- und Fernsehjournalismus in den Abschnitten 2.3.2.1 bis 2.3.2.2, dass Ragers Dimensionen dem Anspruch der Vollständigkeit genügen. Darüber hinaus demonstrierten die Qualitätsforschungen im Printbereich, dass Ragers Dimensionen voneinander unabhängig sind, da die Zuordnung eines Elementes bei diesen Forschungsarbeiten nicht die Einordnung anderer Elemente festlegte. Unter Berücksichtigung dieser Faktoren sollte es gelingen, einen validen und reliablen Codierbogen zur Messung der Qualität nachrichtlicher Filmberichte zu entwickeln. Danach
wird in einer Art „Pretest“ die Prüfung der Reliabiliät und Validität des
Codierbogens durchgeführt; das heißt der Fragebogen wird anhand einer
exemplarischen Analyse daraufhin untersucht, ob er dem Anspruch, die Qualität
nachrichtlicher Filmberichte messen zu können, gerecht wird oder nicht
(Atteslander:1995:16). Zudem wird der Messvorgang durch die in Kapitel 5
vorgenommene ausführlich erläuterte Analyse eines nachrichtlichen
Kurzberichtes intersubjektiv nachprüfbar, was wiederum die Validität des
Codierbogens erhöhen soll. In diesem Stadium kann der Codierbogen entsprechend
der Ergebnisse des Pretests noch verändert werden. Mit
Abschluss des Pretests sind die eingangs formulierten Aufgaben dieser Arbeit
wohl erfüllt. So sollte zu diesem Zeitpunkt bewiesen worden sein, dass die
Qualität nachrichtlicher Filmberichte innerhalb der Ragerschen Dimensionen
gemessen werden kann. Zum anderen sollte zum Schluss dieser Arbeit geklärt
sein, ob die empirische Messung von Qualität mit Hilfe des
Skalierungsverfahrens möglich ist. Ferner wird zum Schluss der Arbeit auch
erstmals ein konkreter Kriterienkatalog für die qualitative Bewertung von (nachrichtlichen)
Filmberichten vorliegen. Dieser dürfte sich entsprechend des zu untersuchenden
Filmgenres ausbauen und verändern lassen. Noch einen abschließenden Tipp: Beim Lesen der nun folgenden Diskussion der Qualitätsstandards anhand des Ragerschen Modells empfiehlt sich ein vergleichender Blick mit dem Codierbogen, der unter Abschnitt 4.5 zu finden ist.
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