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der Magisterarbeit

 

 



 

 

ZUSAMMENFASSUNG

Lässt sich die Qualität nachrichtlicher Filmberichte messen? Entsprechend dem derzeitigen Forschungsstand dürfte diese Frage wohl von vielen Fernsehwissenschaftlern mit einem „Nein“ beantwortet werden. Grund hierfür scheint die Heterogenität der Ansätze und Fragestellungen innerhalb der fernsehbezogenen Qualitätsdebatte. Das eigentliche Problem der aktuellen Qualitätsforschung im Bereich des Fernsehens liegt nach Ansicht der Autorin jedoch weniger in den divergierenden Qualitätsdefinitionen sondern im fehlenden Glauben an die Messbarkeit der abstrakt erscheinenden Qualitätseigenschaften.

 

Eine ähnliche Situation lag zu Beginn der neunziger Jahre im Bereich der printbezogenen Qualitätsforschung vor. Günther Rager trug im besonderen Maße dazu bei, die Qualität von Zeitungsartikel messbar zu machen. Das Ragersche Modell zur Qualitätsbewertung misst die journalistische Qualität in den vier Dimensionen Aktualität, Richtigkeit, Relevanz und Vermittlung. Beim Ragerschen Modell handelt es sich um ein sogenanntes Skalierungsverfahren, eine spezielle Form der Inhaltsanalyse, mit der qualitative Bereiche eines sozialen Phänomens numerisch bestimmbar gemacht werden.

 

Nachdem die Autorin dieser Arbeit, Zweitstudentin im Fach Journalistik an der Universität Dortmund, sich in einer Hausarbeit näher mit Ragers vierdimensionalen Modell beschäftigt hatte, gelangte sie zur Auffassung, Ragers Modell tauge auch zur Qualitätsbewertung fernsehjournalistischer Produkte. Der große Vorteil des Ragerschen Modells liegt darin, dass seine vier Dimensionen einerseits abstrakt genug sind, um allgemeine Eigenschaften journalistischer Produkte zu erfassen; andererseits lassen sich durch die Diskussion der einzelnen Dimensionen präzise Richtlinien für die qualitative Prüfung konkreter Medienangebote ableiten.

 

Die Arbeit ging daher von der Hypothese aus, dass das Ragersche Modell sowohl für die qualitative Bewertung von Printprodukten als auch für die Bewertung von fernsehjournalistischen Produkten einen idealen „Qualitäts- Rahmen“ darstellt. Diese Hypothese galt es entweder zu verifizieren oder zu falsifizieren. Zu diesem Zweck widmete sich die Autorin dem kürzesten fernsehjournalistischen Produkt, dem nachrichtlichen Filmbericht ab einer Mindestlänge von 61 Sekunden. Für die qualitative Bewertung des nachrichtlichen Filmberichtes galt es, entlang der Ragerschen Dimensionen Aktualität, Richtigkeit, Relevanz und Vermittlung einen Codierbogen zu entwickeln.

 

Die Entwicklung des Codierbogens erfolgte in mehreren Schritten. So beschäftigt sich das zweite Kapitel mit den methodischen Grundlagen, auf deren Basis der Codierbogen konzipiert werden sollte. Zu diesen zählt die inhaltsanalytische Verfahrensweise, wobei auch die Ergebnisse der Cultural Studies- Forschung berücksichtigt wurden. Ferner basiert der Codierbogen auf dem dynamisch- transaktionalen Modell von Früh und Schönbach zur Erklärung der Medienwirkungen. Im zweiten Kapitel wurde ebenso mittels eines generellen Vergleichs der Medientypen Buch und Fernsehen sowie des Vergleichs der Qualitätsvorstellungen von im Print- und im Fernsehbereich beschäftigten Medientheoretikern und –praktikern geprüft, ob mit dem ursprünglich printbezogenen Ragerschen Modell die Qualität nachrichtlicher Filmberichte bewertet werden kann.

 

 

Die beiden Vergleiche ergaben, dass innerhalb der Medientypen „Print“ und „TV“ ähnliche Arbeitsroutinen und Qualitätsvorstellungen herrschen. Zudem ließen sich die Qualitätsvorstellungen der Fernsehtheoretiker und – praktiker den vier Dimensionen von Ragers Modell zuordnen. Mittels der beiden Vergleiche konnte die Autorin vorläufig beweisen, dass mit Ragers vierdimensionalem Qualitätsmodell nachrichtliche Filmberichte bewertet werden können.

 

Da sich verschiedene Nachrichtenanbieter im Fernsehen dem Trend zu mehr „Infotainment“ geöffnet haben, beschäftigt sich das dritte Kapitel mit der Unterhaltung als Qualitäts- Komponente des nachrichtlichen Filmberichtes. Entgegen der Geringschätzung der Unterhaltung durch Medientheoretiker wie Postman oder Adorno hat die Unterhaltung wesentliche Aufgaben inne. Sie dient unter anderem der Stimmungsregulierung sowie der Lebens- und Umweltorientierung. Unterhaltung enthält folglich für den Rezipienten einen bestimmten Nutzen. Die Unterhaltsamkeit eines nachrichtlichen Filmberichtes wurde daher als spezifische Qualität erachtet und mit Hilfe geeigneter „weicher“ Nachrichtenfaktoren im vierten Kapitel innerhalb der Unterdimension „Individuelle Relevanz“ bewertbar gemacht.

 

Zum endgültigen Beweis, dass sich Ragers Modell zur Qualitätsbewertung nachrichtlicher Filmberichte eignet, wurde im vierten Kapitel jede Ragersche Dimensionen ausführlich diskutiert. Im Anschluss daran wurde innerhalb der diskutierten Dimension nach Qualitätskriterien gesucht, die ein nachrichtlicher Filmbericht aufweisen soll. Entsprechend des angewandten Skalierungsverfahrens unterschied die Autorin bei der Konzeption des Codierbogens zwischen Unterdimensionen, Qualitätsvariablen und – indikatoren. An dieser Stelle sei noch angemerkt, dass die Konzeption des Codierbogens abgerundet wurde, indem die Theorie mit der täglichen Nachrichtenpraxis verglichen wurde. Dies geschah anhand fünf nachrichtlicher Filmberichte, die transkribiert wurden und unter Abschnitt 6.2 nachzulesen sind.

 

Entsprechend der Vorgaben von Rager unterscheidet der Codierbogen bei der DIMENSION AKTUALITÄT zwischen den Qualitätsvariablen „Klassische Aktualität“ und „Latente Aktualität“. Durch die Diskussion der DIMENSION RICHTIGKEIT gelangte die Autorin zur Einsicht, dass weder der Konstruktivismus noch Habermas´ Konsensustheorie zur Fundierung der Dimension Richtigkeit taugen. Somit dient der hypothetische Realismus als Basis der Dimension Richtigkeit. Zur Bestimmung der thematischen Qualität eines Filmbeitrages sieht der Codierbogen die DIMENSION RELEVANZ vor. In Anlehnung an die Verfahrensweise printbezogener Qualitätsforscher ermittelt der Codierbogen die Relevanz eines Filmbeitrages anhand von „harten“ und „weichen“ Nachrichtenfaktoren, welche eng mit der Nachrichtenwert- Theorie verbunden sind. Da diese Theorie als Grundlage zur Qualitätsbewertung der Relevanz dient, wurde diese eingangs kritisch diskutiert. Die Qualität, mit der ein nachrichtlicher Filmbericht ein Ereignis vermittelt, bewertet der Codierbogen innerhalb der DIMENSION VERMITTLUNG. Hierbei wurde das komplexe Verhältnis zwischen „Filmtext“ und Bild mit Hilfe der Unterdimensionen „Verständlichkeit“ und „Ästhetik“ und den ihnen jeweils zugeordneten Qualitätsvariablen soweit untergliedert, dass eine möglichst umfassende Bewertung möglich wurde. Das vierte Kapitel endete mit dem durch die Diskussion entstandenen Codierbogen (siehe: Codierbogen Version 1).

 

 

 

Im fünften Kapitel wurde in einer zweiteiligen exemplarischen Analyse die Anwendbarkeit des entstandenen Codierbogens getestet. Im ersten Teil wurden zwei thematisch voneinander unabhängige nachrichtliche Filmberichte hinsichtlich ihrer Qualität untersucht. Zwecks größtmöglicher Transparenz des Untersuchungsvorgangs erfolgte die Qualitätsanalyse des ersten Filmbeitrages, (ein SAT 1- Beitrag) in schriftlicher Form. Der zweite Beitrag der ersten Untersuchungsreihe liegt dem Leser ebenfalls in transkribierter Form vor. Aus Gründen der Arbeitseffizienz wurde der Analysevorgang aber nicht mehr ausführlich niedergeschrieben. Beim ersten Teil der Analyse schien sich abzuzeichnen, dass der Codierbogen nur einiger kleinerer Änderungen bedurfte.

 

Teil 2 der Analyse erfolgte mit dem leicht veränderten Codierbogen (siehe: Version 2). Im zweiten Teil der Analyse wurden fünf Filmberichte gleichen Themas (die sich anbahnenden Koalitionsgespräche in Österreich // 25./26. Januar 2000) gewählt, um so qualitative Unterschiede zwischen den fünf nachrichtlichen Filmberichten aufzeigen zu können. Des Weiteren diente dieser Teil der Analyse zur nochmaligen Überprüfung der Messtauglichkeit des Codierbogens. Nach der Analyse stellte die Autorin zweierlei fest. Zum einen konnten mit dem Codierbogen qualitative Unterschiede zwischen den fünf nachrichtlichen Filmberichten ausgemacht werden. Zum anderen zeigte sich, dass der Codierbogen in seiner aktuellen Form (Version 2) immer noch nicht ganz ausgereift ist. Innerhalb der Dimensionen „Richtigkeit“ „Relevanz“ und „Vermittlung“ sollten zusätzlich einige Qualitätsindikatoren in den Codierbogen aufgenommen werden. Dadurch würde eine noch differenziertere Qualitätsbeurteilung nachrichtlicher Filmberichte möglich.

 

Mit dieser Arbeit liegt erstmalig eine Indikatorenliste zur Qualitätsbewertung nachrichtlicher Filmberichte vor. Zu diesem Zweck mussten unter anderem innerhalb der Dimension Vermittlung Indikatoren gefunden werden, die dem komplexen Vermittlungsprozess des Fernsehens bzw. des Films gerecht wurden. Darüber hinaus wurde erstmals die Unterhaltsamkeit und die Serviceorientiertheit eines journalistischen Produktes innerhalb der Dimension Relevanz bewertet.

 

Insgesamt konnte die Autorin beweisen, dass mit Ragers Modell die Qualität nachrichtlicher Filmberichte bestimmt werden kann. Inwieweit sich Ragers Qualitätsmodell auch für die Bewertung weiterer Filmgenres eignet (z.B. der politischen Reportage), müsste am einzelnen Genre geprüft werden, wobei die Autorin prinzipiell wiederum von der Anwendbarkeit des Ragerschen Modells zur Qualitätsbewertung nonfiktionaler Film- bzw. Fernsehprodukte ausgeht. Der hier entlang der Ragerschen Dimensionen entwickelte Codierbogen könnte bei entsprechender Weiterentwicklung und Verfeinerung durch ein wissenschaftliches Team einen ersten Baustein bei der Messung filmischer Qualität darstellen.  

 

 

 

   

 

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