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Das
Ragersche Qualitäts- Modell als methodische Grundlage
Übersicht |
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DAS RAGERSCHE QUALITÄTSMODELL |
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Übertragbarkeit des Ragerschen Modells geprüft
anhand eines generellen Vergleichs der Medientypen |
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Übertragbarkeit des Ragerschen Modells geprüft anhand
des Vergleichs von Qualitätsvorstellungen |
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Stand der Qualitätsforschung: Printjournalismus |
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Stand der Qualitätsforschung: Fernsehjournalismus |
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Abschließendes
Fazit zur Vergleichbarkeit von Zeitung und Fernsehen |
2.3 |
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Die Übertragbarkeit des zur Qualitätsbewertung konzipierten, printbezogenen Ragerschen Modells auf Fernsehberichte wird anhand eines zweiteiligen Vergleiches überprüft |
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Kann man Ragers Modell, das in erster Linie zur qualitativen Bewertung des Printjournalismus entwickelt wurde, auch auf die elektronischen Medien beziehungsweise auf das Fernsehen anwenden? Kann dieses Modell zur methodischen Grundlage dieser Arbeit erhoben werden? Dieser Frage soll im Folgenden durch zwei Vergleiche der beiden Medientypen nachgegangen werden. Zu Beginn steht ein grundsätzlicher Vergleich, wobei die spezifischen Charakteristika des Fernsehens und des Buches/ der Zeitung zu untersuchen sind. Bei diesem Vergleich ergeben sich zwei Möglichkeiten: Zum einen könnte er zum Ergebnis führen, dass die beiden Medientypen zu unterschiedlich sind, so dass sich die Entwicklung eines Codierbogens zur Qualitätsbewertung nachrichtlicher Filmberichte erübrigt; zum anderen könnte die vergleichende Analyse ergeben, dass trotz der unterschiedlichen Art der Vermittlung keine Argumente gegen die Entwicklung eines Codierbogens auf der Grundlage von Ragers vierdimensionalem Qualitätsbewertungsmodells sprechen. In diesem Fall folgt der zweite Teil des Vergleiches: Dabei sollen die Qualitätsvorstellungen und Arbeitsroutinen, welche im Print- und Fernsehjournalismus gepflegt werden, gegenüber gestellt werden. Sollte hierbei wiederum deutlich werden, dass die Gemeinsamkeiten der beiden Medientypen die Unterschiede überwiegen, wird das Ergebnis als erste Bestätigung meiner Hypothese von der Anwendbarkeit des Ragerschen Modells auf die Qualitätsbewertung der Fernsehberichterstattung gewertet. Ferner erfolgt durch die Diskussion der einzelnen Qualitätsvariablen in Kapitel 4 eine nochmalige Überprüfung der Anwendbarkeit des Ragerschen Modells.
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Das
Ragersche Qualitäts- Modell als methodische Grundlage |
2.3.1 |
Übertragbarkeit des Ragerschen Modells geprüft
anhand eines generellen Vergleichs der Medientypen |
Im
Gegensatz zu den Printmedien unterminiert das Fernsehen durch seine
Oralität und Visualität gesellschaftliche Gesprächskreise |
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Der
Vermittlungsprozess beim Fernsehen beruht im Kontrast
zu den Printmedien auf einem
komplexen Zusammenspiel von Ton und Bild |
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Die
Komplexität des Vermittlungsprozesses wird bei der Entwicklung des
Codierbogens
in der Ragerschen Dimension „Vermittlung“ berücksichtigt |
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Der Medientheoretiker Joshua Meyrowitz vergleicht in seinem Buch „Überall und nirgends dabei“ stellvertretend für die Printmedien die Charakteristika des Buches mit den spezifischen Eigenschaften des Fernsehens als Platzhalter für die elektronischen Medien. Dabei vertritt Meyrowitz die Ansicht, dass die Medien eine bestimmte Art sozialer Umwelt darstellen, die Menschen auf bestimmte Weise einschließt oder ausschließt, beziehungsweise voneinander trennt oder miteinander vereint (Meyrowitz:1990:148/149). Im Fokus von Meyrowitzes Interesse steht dabei die Frage, wie ein neues Medium soziale Situationen neu strukturiert. In
diesem Zusammenhang führt Meyrowitz eine situative Analyse zwischen Printmedien
und elektronischen Medien durch. Dabei zeigt sich, dass Printmedien allein durch
ihre Schriftlichkeit bestimmte Mitgliedergruppen einer Gesellschaft ausschließen,
so zum Beispiel kleine Kinder und Analphabeten (Meyrowitz:1990:153). Ferner erläutert
Meyrowitz, dass es selbst innerhalb der Printmedien weitere Ausschlussprinzipien
gibt. Diese entstehen durch die unterschiedlichen Schwierigkeitsgrade, in denen
ein Text verfasst sein kann. Voraussetzung für das Verständnis schwieriger
Texte ist die vorherige Beschäftigung mit leichteren, beziehungsweise einführenden
Texten. Nach Meyrowitz (1990:159) entwickelte sich daraus ein Expertentum,
welches mittels elaborierter Sprache „Nichteingeweihte“ von der
Kommunikation ausschließt. Anhand der komplizierten chinesischen Schriftsprache
beweist Meyrowitz (1990:153), dass solcherlei „Codes“ die Machterhaltung
einer schriftkundigen Elite sichern. Ganz anders dagegen die elektronischen
Medien: Aufgrund ihrer Oralität und Visualität schließen sie unabhängig von
der Komplexität des Inhaltes alle Mitglieder einer Gesellschaft in die
Kommunikation ein. So kann die Entstehung der Schwerhörigkeit in einem
medizinischen Fachbuch äußerst ausführlich und komplex erklärt werden. Sie
kann aber auch als leicht verständliche computeranimierte Grafik in einem
Filmbericht der Fernsehnachrichten einem Millionenpublikum nahe gebracht werden.
Diese
spezifischen Eigenschaften von Printmedien und elektronischen Medien enthalten
Stärken und Schwächen (Meyrowitz:1990:162). So erlauben die Printmedien ausführliche
Analysen und Beschreibungen, die jedoch nicht für jedermann zugänglich sind.
Die elektronischen Medien, die die Information allen am Thema Interessierten
verfügbar machen, vermitteln dagegen laut Meyrowitz „Informations-Brocken
“.
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Das
Ragersche Qualitäts- Modell als methodische Grundlage |
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Gerade
auch diese inhaltliche Simplizität als Vermittlungscharakteristikum der
elektronischen Medien bzw. des Fernsehens läßt die Gesamtheit der Bevölkerungsgruppen
an der Diskussion um Themen von öffentlichem Interesse teilhaben und nimmt nach
Meinung von Meyrowitz der Elite die Möglichkeit, sich von der allgemeinen Bevölkerung
abzuschließen. In seinen grundlegenden Eigenschaften erscheint das Medium
Fernsehen somit im Vergleich mit den Printmedien als das „demokratischere“
Medium, denn, so Meyrowitz: [...]
„fast jeder kann sich vor eine Fernsehkamera oder ein Aufnahmemikrophon
stellen und eine Botschaft senden.“
(Meyrowitz:1990:164) Zudem
unterminiert das Fernsehen durch den Einschluss aller gesellschaftlichen Gruppen
Verhaltenstrennungen, da es jede Gruppe in eine einzige Informationsumwelt
einschließt. Laut Meyrowitz (1990:189/190) läßt das Fernsehen niemanden länger
daran zweifeln, über welche Themen Kinder oder Erwachsene Bescheid wissen. In
einer Gesellschaft, die ursprünglich geprägt war durch die von Printmedien
geschaffenen unterschiedlichen Wissensbereiche und Diskussionsgruppen, werden
Tabuthemen in den elektronischen Medien gruppenübergreifend erörtert.
Meyrowitz bezeichnet dies als den Faktor „Zusammenschluß“
(Meyrowitz:1990:168). Auch
bezüglich der Informationsauswahl unterscheiden sich die elektronischen Medien
von den Printmedien (Meyrowitz:1990:168). Erfordert die Auswahl und die
Rezeption eines Buches Zeit und Geld, so verlangt die Informationsteilhabe bei
den elektronischen Medien weitaus weniger Aufwand. Die Langzeitstudie von Klaus
Berg und Marie- Luise Kiefer (1996:256) zeigt, dass elektronische Medien oftmals
als „Begleitmedien“ dienen. Sie
werden neben der Ausführung einer anderen Tätigkeit rezipiert. So waren rund
12 Prozent der befragten Bundesbürger der Meinung, die Fernsehrezeption ließe
sich gut mit anderen Tätigkeiten kombinieren. Für den Hörfunk gaben 20
Prozent der befragten Bürger an, das Radio lasse sich mit anderen Tätigkeiten
kombinieren. Dagegen waren nur 2 Prozent der Befragten der Meinung, das Gleiche
träfe auch für die Zeitungsrezeption zu (Berg/Kiefer:1996:256). Somit
unterscheiden sich die elektronischen Medien von den Printmedien in drei
Faktoren: Sie werden von einer breiten Bevölkerungsschicht genutzt, und zwar
als „low-involvement- Medien“ [Vergleiche hierzu: (Bock:1990:75).] Zudem
weisen die vermittelten Informationen einen flüchtigen Charakter auf. Daraus
ergibt sich für eine erfolgreiche Vermittlung bei den elektronischen Medien,
dass die Informationen leicht verständlich (simpel) aufbereitet sein müssen,
sollen sie beim Rezipienten ankommen. Da im Gegensatz zur Zeitung oder zum Buch
viele Faktoren, wie zum Beispiel die Kameraarbeit, der gewählte Lichtstil und
Originaltonaufnahmen (sogenannte O-Töne), sinnvoll zusammenwirken müssen,
damit die Präsentation verständlich wird, ist der Vermittlungsprozess im
Fernsehen ungleich komplexer.
Diese
höhere Komplexität der Fernsehvermittlung vereitelt jedoch nicht die Qualitätsbewertung
von nachrichtlichen Filmberichten im Rahmen des Ragerschen Modells, in dem unter
anderem die Dimension Vermittlung ihren Platz hat. Die für das Fernsehen
typische höhere Komplexität der Vermittlung bedingt, soweit ersichtlich, bei
der Entwicklung des Codierbogens eine aufwendige, aber durchaus realisierbare
Unterteilung der Ragerschen Dimension Vermittlung in mehrere Qualitätsparameter.
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Das
Ragersche Qualitäts- Modell als methodische Grundlage |
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2.3.2 |
Übertragbarkeit des Ragerschen Modells geprüft anhand
des Vergleichs von Qualitätsvorstellungen |
2.3.2.1 |
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In diesem Abschnitt werden in
chronologischer Abfolge die wichtigsten Studien innerhalb |
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Innerhalb
der Printforschung wird Qualität als messbar erachtet |
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Der
Beginn der neunziger Jahre war im Bereich des Printjournalismus gekennzeichnet
von einer verstärkten Diskussion um Qualität der Printmedien. Dabei gab nicht
zuletzt der Leserschwund (vergleiche Rager 1993 & Rager 1994) Anlaß dazu,
den Lesern ein qualitativ hochwertiges Produkt liefern zu wollen. Qualitätssicherung
und –kontrolle waren dementsprechend gefragte Themen. In dieser Situation
entstand Stephan Ruß-Mohls Artikel „Am
eigenen Schopfe – Qualitätssicherung im Journalismus.“ Mit
diesem Artikel versucht Ruß- Mohl (1992: 85) die scheinbar unzähligen
Komponenten der Qualität auf ein „magisches Vieleck“ zu beschränken. Ruß-
Mohl sucht für die Qualität, die er mit einem „Pudding“,
vergleicht, den es „an die Wand zu
nageln“ gilt, einen theoretischen Rahmen, sozusagen eine auslaufresistente
Form für den noch flüssigen Pudding. Dabei ist er sich durchaus der
Schwierigkeit seines Unternehmens bewußt, sieht er doch in den Qualitätsmaßstäben
„abhängige Variablen“ vom Medium, von seiner Periodizität und nicht
zuletzt vom Publikum. Schließlich entscheidet sich Ruß- Mohl für fünf Qualitätskomponenten,
um mit ihnen journalistische Qualität möglichst umfassend beschreiben zu können
(Ruß-Mohl: 1992: 86). Das magische Vieleck beinhaltet die Komponenten
„Komplexitätsreduktion“, „Objektivität“, „Aktualität“,
„Transparenz“, und „Originalität“. Diese könnten theoretisch von
empirisch arbeitenden Forschern als inhaltsanalytische Kategorien verwendet
werden. Bei näherer Betrachtung der einzelnen Kategorien und der ihnen von Ruß-
Mohl zugeordneten Qualitätskriterien zeigt sich jedoch, dass in einem solchen
Fall die Kategorien „Objektivität“ und „Transparenz“ die sachliche
Richtigkeit eines journalistischen Produktes beurteilen. Die Qualitätskomponente
„Komplexitätsreduktion“ bewertet mit der ihr untergeordneten Unterkategorie
„Faktentreue“ ebenfalls die sachliche Richtigkeit.
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Das
Ragersche Qualitäts- Modell als methodische Grundlage |
Diese
Unterkategorie erschiene, würde man Ruß- Mohls magisches Vieleck zur Grundlage
einer inhaltsanalytischen Qualitätsuntersuchung erheben, gleich zweimal, denn
Ruß- Mohl ordnet sie nochmals der Kategorie „Objektivität“ zu. Die nähere
Beschäftigung mit der von Ruß- Mohl genannten Qualitätskomponenten zeigt,
dass sie Atteslanders (1995:250) Forderungen an das zu bildende Kategoriensystem
nicht genügen, da die in einem solchen Fall weder wechselseitig exklusiv noch
voneinander unabhängig sind. Um bei dem von Ruß-Mohl gewählten Bild vom
„Pudding“ zu bleiben: Die von ihm getöpferte „Puddingform“ ist porös.
Sie weist Löcher auf, durch welche die Hälfte des Puddings austritt. Dennoch
war Ruß- Mohls Versuchs, die scheinbar unzähligen Qualitätskriterien auf
wenige Qualitätskomponenten zu reduzieren, ein wichtiger Beitrag auf dem Weg
zur empirischen Messung journalistischer Qualität. „Hauptsache
gut aufgesetzt- Qualität und Qualitätsurteile im Lokalen“ lautete der
Titel der Diplomarbeit, den die Diplomandengruppe um Christoph Berdi verfaßte.
Mit dem Ziel, die Qualität der lokalen Berichterstattung zu messen, entwickeln
die Autoren erstmalig ein praxisorientiertes, inhaltsanalytisches
Kategoriensystem. (Berdi: 1992: 55/ 190) und gehen damit einen Schritt weiter
als Ruß- Mohl, der es bei einer theoretischen Diskussion belässt. Dabei
kombinieren sie diese inhaltsanalytische Arbeit mit einer Journalisten- und
Leserbefragung. Erstmals
verwenden sie auch den Begriff „Dimension“, der innerhalb der Empirie den
Skalierungsverfahren zugerechnet wird und einer inhaltsanalytischen Kategorie
entspricht. [Der Dimensionsbegriff wird ausführlich zu Beginn des vierten
Kapitels erläutert.] Die fünf Dimensionen lauten: Wichtigkeit, Neuigkeitswert,
Recherche, Objektivität und Präsentation. Ausgangspunkt für die
Zusammenstellung der Dimension waren die Funktionen und Aufgaben, die dem
Journalismus zugeschrieben werden. Die Funktionen des Journalismus ergaben sich
für die Diplomanden aus dem Medienrecht, dem Kodex des Deutschen Presserates,
aus kommunikationswissenschaftlichen Erörterungen und aus journalistischen
Lehrbüchern. Diese fünf Dimensionen kommen schon sehr nahe an das
vierdimensionale Modell von Rager heran. So weist beispielsweise die Dimension
Wichtigkeit große Ähnlichkeit mit Ragers Dimension „Relevanz“ auf.
Innerhalb der Dimension „Neuigkeitswert“ wird die Aktualität eines Artikels
gemessen, wobei dies ja auch für Ragers Dimension „Aktualität“ gilt. Die
Dimensionen Recherche und Objektivität wird Rager später zusammenfassen zur
Dimension „Richtigkeit“. Die Diplomarbeit zeigt zum einen, dass Qualität
empirisch zu messen ist; zum anderen wurde durch die ebenfalls durchgeführte
Leser- und Journalistenbefragung deutlich, dass die Leser vor allem die
Aufmachung eines Artikels, seine Präsentation, bei der Qualitätsbeurteilung
bewerten. Einen
weiteren wichtigen Schritt auf dem Weg zur inhaltsanalytischen Messung
journalistischer Qualität taten Winfried Göpfert und Rudolf Schulze. Göpferts
Verdienst bei der Aufstellung seines Kriterienkataloges zur Bewertung
journalistischer Qualität ist der publikumsorientierte Qualitätsbegriff, den
er (Göpfert:1993:99f.) in die Qualitätsdiskussion einbringt. So fordert er ein
zielgerichtetes Kommunikationsdesign, die Verständlichkeit des Inhalts sowie
die Sinnlichkeit im sprachlichen Ausdruck.
Das
Ragersche Qualitäts- Modell als methodische Grundlage
Göpfert
spricht auch erstmals vom Nutz-, Gebrauchs- und Unterhaltungswert, den ein
journalistisches Produkt aufweisen sollte, um als qualitativ hochwertig zu
gelten (Göpfert:1993:100). Dabei steht der Ausdruck „Nutzwert“ für das
Vermögen eines Artikels oder Beitrages, zur Orientierung des Rezipienten
beizutragen. Der Gebrauchswert ergibt sich aus der Schnelligkeit, mit der ein
Leser, Zuschauer oder Hörer auf die benötigte Information zugreifen kann. Darüber
hinaus sollte nach Meinung Göpferts ein journalistisches Produkt seine
Rezipienten auch unterhalten. In die gleiche Richtung zielt Rudolf Schulze mit
seinem provokativ anmutenden Beitragstitel: „Qualität
ist, was sich verkauft“ (Schulze:1993:235-256). Der Titel spielt an auf
die von bildungsbeflissenen Medienfachleuten gesetzten Qualitätsmaßstäbe,
welche im Kontrast stehen zu den Vorstellungen des Publikums. Dieses gibt
mittels seiner Kaufentscheidung bei Zeitungen und Zeitschriften oder mittels der
Einschaltquote bei Fernsehsendungen sein Qualitätsurteil ab. Dabei möchte
Schulze mit seinem Beitrag zum Ausdruck bringen, dass Qualität in erster Linie
an den Erwartungen der Rezipienten ausgemacht werden muß (Schulze:1993:242). Göpfert
und Schulze erweiterten mit ihrem klaren Votum für eine publikumsorientierte
Qualitätsbeurteilung die Qualitätsdiskussion um einen entscheidenden Aspekt,
welcher sich in dieser Arbeit spiegelt. Die Qualitätsbewertung nachrichtlicher
Filmberichte soll, soweit möglich, publikumsorientiert sein. Dies zeigt sich
zum Beispiel in der Bewertung der potenziell unterhaltenden Aspekte eines
Filmberichtes, die im dritten Kapitel thematisiert werden.
Den
nächsten wesentlichen Schritt in der journalistischen Qualitätsforschung
machte Günther Rager mit seinem Artikel „Dimensionen
der Qualität“ (Rager: 1994: 189). Dabei sucht er ähnlich wie Ruß- Mohl
nach einem theoretischen Rahmen zur umfassenden Bewertung journalistischer
Qualität. Aus
der bisherigen Diskussion sollte deutlich geworden sein, dass zum Beispiel Ruß-
Mohl und die Diplomanden um Berdi mit den Dimensionen Recherche und Objektivität
(Berdi) bzw. Objektivität und Transparenz
(Ruß- Mohl) die sachliche Richtigkeit eines Artikels bewerten. Mit der
Schaffung der Dimension „Richtigkeit“ gelingt es Rager, Qualitätsmerkmale
wie die Transparenz und eine sorgfältige Recherche in eine Dimension zu
integrieren, welche sich deutlich von den anderen Dimensionen „Aktualität“,
„Relevanz“ und „Vermittlung“ unterscheidet. Dabei berücksichtigt die
Begriffswahl „Richtigkeit“, dass eine „objektive Berichterstattung“ kaum
zu erreichen ist. [Die Objektivität wird ausführlich zu Beginn der Erörterung
der Dimension Richtigkeit in Abschnitt 4.2 diskutiert.] Weiterhin ist der
Begriff „Vermittlung“ soweit gefasst, dass er sowohl die „formale Präsentation“
als auch die „Verständlichkeit“ eines Artikels in sich aufnehmen kann. Auch
hier geht Rager noch ein Stück weiter als das Team um Berdi (1992). Dieses
wertete mit der Dimension „Präsentation“ - anders als es der Name vermuten
läßt - nicht die „Aufmachung“, die optische Erscheinung eines Artikels,
sondern Aspekte der Verständlichkeit. Hierzu zählte beispielsweise der Aufbau
des Artikels. Das
Ragersche Qualitäts- Modell als methodische Grundlage
Ferner
entwickelte Rager mit seinem vierdimensionalen Modell die Grundlage zur Bildung
eines inhaltsanalytischen Kategoriensystems, welches Atteslanders (1995:250)
Forderungen entspricht. Ragers Dimensionen sind im Sinne Atteslanders
theoretisch abgeleitet und eindeutig definiert. Dabei sind sie wechselseitig
exklusiv, voneinander unabhängig und genügen einem einheitlichen
Klassifikationsprinzip. Im Gegensatz zu Ruß- Mohl entwickelt Rager damit einen
theoretischen Rahmen, der sämtliche Aspekte der Qualität vollständig erfassen
kann. Bildlich gesprochen bedeutet dies: Im Gegensatz zur porösen Puddingform,
die Ruß- Mohl „kreierte“, weist die Puddingform Ragers keine
„undichten“ Stellen auf. So bleibt der Pudding (die Qualität), einmal in
diese Form gegossen, ohne Verluste in dem Behältnis. Ragers
Modell fand in Fachkreisen breite Akzeptanz. Der große Vorteil von Ragers
vierdimensionalem Modell ist nach Ansicht des Verbandes der Lokalpresse (1996:
4), dass Ragers Dimensionen abstrakt genug sind, um die allgemeinen
Eigenschaften journalististischer Produkte ebenso vollständig zu erfassen wie
den Prozess der Herstellung. Außerdem lassen sich zur Qualitätsbeurteilung
anhand von Ragers Dimensionen Prüffragen für konkrete Medienangebote ableiten.
Rager
führte nach der Erstellung der Dimensionen eine Befragung von 101 Journalisten
durch, wobei er die Wichtigkeit der einzelnen Dimensionen für die
„Praktiker“ erkundete sowie die Tauglichkeit seines Qualitäts- Modells überprüfte.
Die Ergebnisse dieser Journalistenstudie präsentiert Rager in dem von ihm
herausgegebenen Buch „Zeile für Zeile
– Qualität in der Zeitung“ (Weber, Rager: 1994). Die Ergebnisse dieser
Umfrage werden jeweils am Ende der Diskussion einer Dimension unter dem
Abschnitt „Bewertung und Gewichtung der Dimension X“ vorgestellt. In
Anspielung auf das Vieleck von Ruß- Mohl urteilt Achim Fischer (1995: 91) über
Ragers Dimensionen: „Mit seinen vier
Qualitätsdimensionen hat Rager das Vieleck schon zu einem Viereck
komprimiert.“. Ähnlich wie es die Diplomandengruppe um Christoph Berdi
bereits im Jahr 1992 tat, entwickelt auch Fischer einen inhaltsanalytischen
Codierbogen zur Qualitätsmessung von wissenschaftsbezogenen Zeitungsartikeln -
und zwar anhand der von Rager geschaffenen Dimensionen. Dabei ordnet Fischer den
einzelnen Qualitätsmerkmalen spezifische Zahlenwerte zu – und macht so die
Qualität messbar. Nach dem gleichen Prinzip soll in dieser Arbeit auch
verfahren werden. Von
der Messbarkeit des an sich abstrakten Begriffes der Qualität geht auch Lutz
Hagen (1995a) aus, der die Qualität von Agenturberichten untersuchte. Somit ist
für den Printjournalismus Qualität hinlänglich definiert worden. Zudem wurde
durch die Studien von Berdi, Fischer und Hagen deutlich, dass Qualität durchaus
messbar ist.
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Das
Ragersche Qualitäts- Modell als methodische Grundlage |
2.3.2.2 |
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Die Fernsehkritiker, Programmmacher und Wissenschaftler definieren Qualität mit ähnlichen Kriterien. Diese lassen sich Ragers Modell zuordnen |
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Medientheoretiker kritisieren die Heterogenität der Ansätze und Fragestellungen in der fernsehbezogenen Qualitätsdebatte |
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Die Heterogenität innerhalb der fernsehbezogenen Qualitätsdebatte ist nur eine scheinbare und mit Ragers Modell überwindbar |
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Die aktuellsten Beiträge zum Thema „Qualitätsforschung für das Fernsehen“ stammen von Christian Breunig (3/1999), der einen Überblick über den derzeitigen Stand der Forschung liefert, sowie von verschiedenen Autoren, nachzulesen im Sammelband „Medienwissenschaften und Medienwertung“, den Peter Ludes und Helmut Schanze im Jahr 1999 herausgaben. Die immer wieder zitierten Quellen für die Definition von Qualität sind die Fernsehkritik, das Medienrecht, die Programmmacher sowie die Wissenschaft. Eine ausführliche Präsentation all dieser Standpunkte würden den Rahmen dieser Arbeit sprengen. Daher sollen an dieser Stelle nur die Aussagen der Programmmacher und der Wissenschaftler eingehend erläutert werden. Hingegen werden die gesetzlichen Grundlagen sowie die Rolle der Fernsehkritiker in Deutschland nur peripher dargestellt. Nach Schatz/Schulz (1992:691) bilden die Rechtsgrundlagen des Rundfunks einen Orientierungsrahmen der Programmqualität, wobei sich die Rundfunkgesetze ihrerseits an den Vorgaben des Grundgesetzes orientieren. Hier fällt auf, dass, wie schon im Printjournalismus, die staatlichen Gesetze den Rahmen für die Qualitätsevaluierung bilden. [Vergleiche hierzu den Pressekodex des Deutschen Presserates (1997).] Ziel des gesetzlichen Rahmens ist es, dass der Rundfunk das Spektrum aller gesellschaftlicher Meinungen widerspiegelt. Die verschiedenen Rundfunkgesetze dienen laut Albert Scharf (1993:358) der Information, der Bildung und Unterhaltung. Dabei sollen sie von einer freiheitlich- demokratischen Gesinnung, von kulturellem Verantwortungsbewußtsein, von Menschlichkeit und Toleranz getragen sein, sowie religiöse und weltanschauliche Überzeugungen respektieren. Die gesetzliche Grundlage hierfür ist das sogenannte „Persönlichkeitsrecht“, welches sich wiederum aus dem Grundgesetz ableitet (Branahl:1992:94/95). Aus dem Persönlichkeitsrecht resultieren der Ehrschutz, das Namensrecht und das Urheberrecht (Branahl: 1992: 53). Für den Fernsehjournalisten bedingen diese Rechte eine erhöhte Sorgfalt im Umgang mit der Information. In journalistischen Fachkreisen spricht man von der Einhaltung der Sorgfaltspflicht. Das
Ragersche Qualitäts- Modell als methodische Grundlage So
muss zum Beispiel ein Journalist, im Falle, dass er aufgrund mangelhafter
Recherche eine unzulässige Behauptung über eine Person verbreitet – und
damit gegen den Ehrschutz verstößt - mit einer Freiheits- bzw. einer
Geldstrafe rechnen. Das deutsche Medienrecht untersagt ferner, bei der
Kriminalberichterstattung, die vorzeitige identifizierende Berichterstattung
(Namensnennung des Beschuldigten) und schützt besonders die Opfer vor einer
unfreiwilligen Berichterstattung (Branahl:1992:163 fff.). Darüber hinaus enthält
das Medienrecht den Jugendschutz, das Gewalt- und Pornografieverbot
(Schatz/Schulz:1992:709) sowie die gesetzlich geforderte Trennung von Werbung
und redaktionellem Programmteil. Diese
gesetzlichen Grundlagen sollte ein Fernsehjournalist kennen, um einen rechtlich
einwandfreien Beitrag produzieren zu können. Rager setzt bei der Diskussion
seiner Dimension „Richtigkeit“ die Rechtmäßigkeit eines journalistischen
Produktes als Qualitätsgrundlage voraus (Rager:1994:194). Ein Artikel oder
Beitrag, der gegen die gesetzlichen Bestimmungen verstößt, (wobei dies in den
meisten Fällen mit der Verletzung des Persönlichkeitsrechtes eines Menschen
einher geht), stuft Rager von vornherein als qualitativ minderwertig ein. Eine
weitere Instanz zur Bewertung der Fernsehqualität sind die Fernsehkritiker. Um
es vorwegzunehmen: Den Fernsehkritikern wird anscheinend weder im In- noch im
Ausland eine ernst zu nehmende Kompetenz bei der Bewertung filmischer Qualität
nachgesagt: Ein Grund hierfür ist ihr Zweifel an der Fähigkeit des Fernsehens,
überhaupt Beiträge von hoher Qualität zu produzieren (Albers: 1992: 28).
Daher kann die Zeitungskritik nach Ansicht Albers´ auch nicht eine
Schiedsstelle für Qualität sein. Dennoch befragte der Qualitätsforscher
Fernsehkritiker nach ihren Wertmaßstäben und untersuchte jene Kriterien, die
bei 12 Wettbewerben den Grund für eine Preisvergabe darstellten
(Albers:1992:15/26). Dabei stellte Albers zweierlei fest: Filmbeiträge im
nichtfiktionalen Bereich erhielten Preise, da sie nach Meinung der
Fernsehkritiker überzeugende Leistungen in den Kategorien „Elements of
Form“ (Musik, Sound-Effekte, Kameraarbeit etc.), „Contents Elements“
(Story, Recherche) und „Interaction of Form and Content“ (Plausible
Entwicklung der Geschichte, Authentizität, Unterhaltung) erbracht hatten. Die
zweite Feststellung Albers´ (1992:30) bezog sich auf die Art der gefällten
Qualitätsurteile, die eher „beschreibenden als analytischen“ Charakter
aufwiesen und darüber hinaus nach Ansicht Albers´ wenig spezifisch waren. Ähnlich
düster beurteilt Ulrich Spies die Situation der Kritiker in Deutschland, die in
Zeitungen ihr Urteil über die Qualität in Film und Fernsehen äußern. Er
sieht in der Zeitungskritik ein wenig probates Mittel, da Printmedien oft als
Mitveranstalter der privaten Sender auftreten, und demzufolge den privaten
Fernsehangeboten ein stärkeres Interesse zukommt (Spies:1996:40/41). Eher für
die Qualitätsbeurteilung geeignet hält Spies solche Institutionen wie den
„Adolf- Grimme- Preis“ und die „Mainzer Tage für Fernsehkritik“. Indes
äußerte erst unlängst der Journalist Joachim Neander (Die Welt: 14. Mai
1998:10) anläßlich der 31. Mainzer Tage der Fernsehkritik Zweifel an der
Arbeitseffizienz der dort Aktiven. Nach Neanders Ansicht konnten sie keine
kompatiblen Qualitätskriterien für fernsehspezifische Genres benennen. Das
Ragersche Qualitäts- Modell als methodische Grundlage
Diese provokativ anmutende Feststellung macht eines deutlich: Sicherlich sind diese im Film- und Fernsehbereich tätigen Kritiker in der Lage, Qualität zu erkennen und zu beurteilen – es geschieht aber meist, wie Albers es schon bei seinen Befragungen feststellte, anhand von individuell festgelegten Kriterien. Ähnlich „individuell- beschreibend“ wirkt auch die Begründung der Adolf-Grimme-Preis-Jury, mit der die Journalistin Juliane Endres für ihren Film „Brüder zur Sonne - eine Woche Mallorca für arme Deutsche“ in der Sparte Information geehrt wird (Funkkorrespondenz Nr.8:1991:27). Hierin wird die Autorin gelobt für ihre „selbstironische Entschlossenheit“, an der Kerntugend der Fernsehjournalisten festzuhalten und einfach hinzusehen. Wenig später ist dann die Rede von einem „aufgeklärtem, subjektivem Journalismus“, der zu besichtigen ist: „Die Götter treten aus dem Off hinter der Kamera hervor und werden genauso Menschen wie die, die sie beobachten.“ Mag die Bewertung völlig korrekt und zutreffend sein – aus den eben genannten Kriterien lassen sich keine Qualitätsindikatoren für die Bewertung nachrichtlicher Filmberichte ableiten. Die
Analyse der Qualitätsnormen der Programmmacher zur Evaluierung von Qualitätsindikatoren
scheint da schon erfolgversprechender. So führte beispielsweise der Schweizer
Fernsehsender „DRS“ bereits im Jahr 1993 eine Sendungserfolgskontrolle ein.
Die Wertungskriterien für die Qualität ergeben sich aus drei Variablen, der
Zuschauerquote, der Effizienz der eingesetzten Mittel und der Reputation
(Breunig:3/1999:102). Die Qualitätskomponente „Reputation“ beinhaltet unter
anderem die Wertungskriterien der Sendungsqualität, die Akzeptanz, die
Attraktivität, die Verständlichkeit, die Dramaturgie, die Emotionalität und
die technische Qualität. Als Instrument zur Sendungserfolgskontrolle
entwickelte der DRS einen Programmbewertungsbogen, wobei jedes Kriterium auf
einer fünfstufigen Notenskala eingetragen wird. Aus dem sich daraus ergebenden
Durchschnittswert wird die Reputation errechnet, wobei Sendungen mit geringer
Reputation die Absetzung droht. Ähnliche Kriterien dienen der Programmbewertung
bei 3sat und dem ZDF. So gelten für 3sat folgende Qualitätsrichtlinien (Breunig:
3/1999:105): Imagekraft, Originalität und/oder Exklusivität der Sendungen,
Themenrelevanz (inhaltliche und journalistische Qualität), inhaltliche
Vermittlung (redaktionelle Qualität, Dramaturgie, Moderation), formale Qualität
(gestalterische Umsetzung und Kameraführung) und das publizistische Echo
(Zuschauerreaktionen). Ähnliche Kriterien finden sich bei Werner Schwaderlapp
(1995: 49), der Popularität und qualitative Hochwertigkeit des ZDF- Programmes
als anzusteuernde Ziele proklamiert. Dabei ist ein qualitativ hochwertiges
Programm gekennzeichnet durch die Ausnutzung der neuesten technischen Möglichkeiten,
der Ausdrucks-, Genre- und Stilvielfalt, durch die Aufnahme gesellschaftlich
virulenter (aktueller) Themen, durch zuschauernahen Service, durch unterhaltsame
Präsentation der Themen und nicht zuletzt durch die Einhaltung ethischer
Normen. Die genannten Aspekte liefern schon eine Annäherung an die Definition
dessen, was Fernsehqualität ausmacht.
I Das
Ragersche Qualitäts- Modell als methodische Grundlage Obwohl im Bereich des Fernsehens immer wieder ähnliche Kriterien genannt werden, äußern Qualitätsforscher im Bereich des Fernsehbereichs immer wieder Kritik am Stand der Forschung. Die Qualitätsforscherin Bolik attestiert in einer der neueren Publikationen in Sachen Qualitätsfernsehen der Debatte eine „Heterogenität der Ansätze und Fragestellungen“ (Bolik:1997:11). An anderer Stelle schreibt sie: „Summiert man die Variablen im Wertungsprozess, so erscheint das Feld nicht nur komplex, sondern undurchdringlich – ein kaum überschaubares Neben- und Gegeneinander von Wertungen, in dem jeder seinen persönlichen Geschmack oder sein professionelles Interesse walten lassen mag.“ (Bolik:1997:16) Ähnlich resignativ fällt das Urteil des Qualitätsforschers Albers (1992:62) am Ende seiner Studie aus. Zu einem gewissen Ausmaß sei das Ziel der Qualitätsdefinition unerreichbar, so Robert Albers. Den Grund hierfür sieht er in der subjektiven Komponente und in der Unmöglichkeit, Qualität zu definieren. Er übersieht bei seinem Fazit zum einen die normativen Aspekte der Qualität (vergleiche hierzu Abschnitt 1.2) und den Umstand, dass sich Wertungskriterien der Fernsehtheoretiker und -praktiker bei allen individuellen Abweichungen oftmals auch überschneiden. Das Problem der aktuellen Qualitätsforschung im Bereich des Fernsehens ergibt sich folglich nicht aus der Heterogenität der Ansätze und Fragestellungen oder der subjektiven Aspekte der Qualität. Der eigentliche Grund für die derzeitigen Probleme der fernsehbezogenen Qualitätsforschung ist der fehlende Glaube an die Messbarkeit der abstrakt erscheinenden Qualitätseigenschaften [Vergleiche hierzu auch:(Breunig:3/1999:107).] Am deutlichsten wird das bei Norbert Schneider, der ähnlich Rager die Qualitätskriterien „Aktualität“ (Schneider:1996:20), „Relevanz“, (Schneider:1996:20) als Bestandteil der Programmqualität nennt. Darüber hinaus bezieht Schneider sich auf Qualitätskriterien, die Ragers Dimensionen Vermittlung und Richtigkeit nahestehen, indem er von „Performance“ und „Ästhetik à la Arte“ (Schneider:1996:18) spricht [Vergleiche hierzu die Dimension Vermittlung] und auf das von Rager thematisierte Qualitätskriterium „Vielfalt“ anspielt [Vergleiche hierzu die Dimension Richtigkeit]. Gleichzeitig betont er bei der Nennung der einzelnen Programmqualitäten, sie seien bemerkbar, jedoch nicht meßbar. Ähnlich äußert sich Bolik (1997:9), die „neben der Quotenmaxime“ an einem Qualitätsbegriff festhält, der „jenseits zähl- und meßbarer Werte angesiedelt ist.“ Diese Auffassung bezüglich der quantifizerenden Qualitätsmessung korrespondiert mit der Zielsetzung von Boliks aktuellem Forschungsprojekts zur „Medienwertungsforschung“ (Bolik:1999:99fff.). Obwohl sich das Projekt mit der Bewertung fiktionaler Sendungen befaßt, geht es nicht um die Frage: “Was ist Qualität“ – sondern „Was wird für qualitativ gut oder weniger gut gehalten“. Das
Ragersche Qualitäts- Modell als methodische Grundlage Diese Fragestellung führt jedoch lediglich zur erneuten Suche nach Variablen und zu einer etwas präziseren Definition dessen, was Qualität bei fiktionalen Fernsehsendungen ausmacht. Den entscheidenden Schritt zur Qualitätsevaluierung unterläßt Bolik und stellt daher im Resümee ihres Halbzeitberichtes fest, dass es bezüglich der festgestellten TV- Qualitäten im fiktionalen Programmsegment beschreibbare Regularitäten der Wertung gebe, „nicht zur Proklamation von Normen sondern zum genaueren Verständnis dessen, was wir tun, wenn wir werten“ (Bolik:1999:114). Die
obige Präsentation der Standpunkte von Fernsehkritikern und Programmmachern
zeigt, dass das Niveau der Qualitätsdiskussion im Fernsehbereich sich
anscheinend auf dem gleichen Niveau bewegt, welches 1992 im Bereich des
Printjournalismus herrschte. Damals hatte die scheinbare Vielzahl der Kriterien
zur Qualitätsbewertung Ruß- Mohl (1992) dazu veranlasst, nach einem
qualitativen Rahmen zur umfassenden Bewertung der Qualität journalistischer
Produkte zu suchen. Mit diesem Schritt wurde er zum Wegbereiter für die
empirische Messung von Qualität. Entgegen
der Vielzahl von Fernsehtheoretikern, die nicht so recht an die quantifizierende
Bewertung der Qualität glauben können, gibt es einige wenige Forscher, die für
die empirische Messung der Qualität eintreten, so zum Beispiel Lutz Hagen
(1999:133) und Schatz/Schulz (1992:710). Dabei übersieht Hagen nicht die
subjektive Komponente der Qualität und spricht davon, dass Fernsehnachrichten
Geschmacksgüter seien, da einige ihrer Qualitäten, wie etwa die
Unterhaltsamkeit, nach subjektiven Kriterien beurteilt würden. Das macht Hagens
Ansicht zufolge aber nicht den Versuch, Qualität messen zu wollen, sinnlos.
Nach Hagen existiert ein gewisser Konsens über bestimmte Qualitätsmaßstäbe,
die dementsprechend auch nicht willkürlich bestimmt wurden. Von der Messbarkeit
der Qualität gehen auch Schatz und Schulz aus (Schatz/Schulz:1992:710), da sie
ein empirisches Untersuchungsdesign zur Messung der Qualität vorschlagen –
und zwar in einer Reihe von Messwerten innerhalb der von ihnen ermittelten
„Dimensionen“. Damit zeigen sie einen Weg zur inhaltsanalytischen Qualitätsmessung
auf (Schatz/Schulz:1992:690). Dieser
Weg zur inhaltsanalytischen Qualitätsbewertung soll mit dieser Arbeit mittels
der Ragerschen Dimensionen beschritten werden. Da Ragers Dimensionen dazu
taugen, die Qualität im Printbereich vollständig zu erfassen (vergleiche
hierzu Abschnitt 2.3.2.1), stellt sich die Frage, ob sie nicht auch für die
Bewertung der Qualität des Fernsehens geeignet sind. Die Überprüfung dieser
Frage geschieht im Folgenden dadurch, dass die von den Programmmachern und
Medientheoretikern genannten Qualitätskriterien den Ragerschen Dimensionen
zugeordnet (und auf diese Weise verglichen) werden. Sollte sich herausstellen,
dass sich die von den Fernsehpraktikern– und theoretikern genannten
Arbeitsroutinen und Qualitätsvorstellungen nahtlos in die Dimensionen Ragers
einfügen, kann man davon ausgehen, dass sich anhand des Ragerschen Modells die
Qualität fernsehjournalistischer Produkte überprüfen lässt.
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Das
Ragersche Qualitäts- Modell als methodische Grundlage |
Zur
Ragerschen Dimension Richtigkeit |
Laut
Rager (1994:199) beziehen sich viele Qualitätsdebatten auf die Dimension
Richtigkeit – Ragers Ansicht nach zu oft ausschließlich. Dies zeigt sich, so
Rager, in den ausgiebig geführten Objektivitäts- beziehungsweise
Wahrheitsdebatten. Das Bestreben, Informationen zu liefern, die sich durch
„sachliche Richtigkeit“ auszeichnen, ist bereits eine reduzierte Form der
Forderung nach „Wahrheit“ , wie sie noch vor Jahren in den Rundfunkgesetzen
formuliert wurden. Dem pragmatischen Anspruch nach „sachlicher Richtigkeit“
trägt Rager bereits durch die Namensgebung der Dimension Rechnung. Die Qualitätsdimension
Richtigkeit bewertet folglich, ob die Tatsachen möglichst fehlerfrei und sorgfältig
recherchiert wurden (Rager:1994:200). Rager verweist diesbezüglich auf die
Bedeutung der Einhaltung der journalistischen Sorgfaltspflicht, die die Glaubwürdigkeit
des journalistischen Produktes sicherstellt. In diesem Zusammenhang räumt Rager
(1994:201) ein, Recherche garantiere nicht immer die sachliche Richtigkeit von
Informationen. Ebensowenig müsse eine Information falsch sein, wenn sie nicht
eigenhändig seitens der Redaktion nachrecherchiert wurde. Ferner ordnet er zwei
andere Qualitätsaspekte der Dimension Richtigkeit zu. So sollen die
unterschiedlichen Positionen (Meinungsvielfalt/ Ausgewogenheit) in den
Zeitungsartikeln aufgeführt werden, wobei die einzelnen Meinungen unverfälscht
zu zitieren seien (Faktentreue). Darüber hinaus gliedert er auch die Vollständigkeit
der Informationen der Dimension Richtigkeit zu. Vollständigkeit ergäbe sich
dabei aus der Beantwortung der journalistischen „W-Fragen“ (WER; WAS; WANN;
WO). Somit
sind die in die Qualitätskomponenten innerhalb der Dimension Richtigkeit:
Faktentreue, Meinungsvielfalt, Ausgewogenheit und Vollständigkeit. Vergleicht
man Ragers Qualitätskriterien mit den Kriterien, die seitens der
Fernsehjournalisten- und theoretiker genannt werden, ergeben sich auffällige Ähnlichkeiten.
Gefragt nach den Wettbewerbsstrategien des ZDF bezüglich seines
Nachrichtenangebotes antwortete Chefredakteur Bresser (Bartel:1997:115): „Im
Wettbewerb wollen wir uns durch die Qualität der Nachrichten unterscheiden.
Dazu gehört die sich daraus ergebende Glaubwürdigkeit.“ Die von
Bresser genannte Glaubwürdigkeit entspricht der von Rager genannten
„Faktentreue“ und ergibt sich aus dem gut ausgebauten Korrespondentennetz,
über das sowohl die ARD als auch das ZDF verfügen. Die Logik hinter dieser Äußerung
ist folgende: Die Information des ZDF ist verlässlicher, weil sie vor Ort
recherchiert wurde, was die Möglichkeit zur Überprüfung und damit zur
Einhaltung der journalistischen Sorgfaltspflicht erhöht. Die Bedeutung der
journalistischen Sorgfaltspflicht für die Qualität eines journalistischen
Produktes wurde bereits erläutert. Bei der Verbandstagung des deutschen
Journalistenverbandes am 18. Mai 1978 legten die an ihm beteiligten Journalisten
das Prinzip der wahrheitsgemäßen Berichterstattung als Maxime journalistischen
Handelns fest (Straßner:1982:50). Die von Straßner in einer Studie befragten
Nachrichtenredakteure gaben als täglich angestrebtes Ziel an, sie seien um eine
Distanz zur zu vermittelnden Nachricht bemüht, ebenso um die neutrale und
wertfreie Wiedergabe von Ereignissen.
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Das
Ragersche Qualitäts- Modell als methodische Grundlage |
Zur
Ragerschen Dimension Vermittlung |
Rager sieht in der Vermittlung eine bedeutende Aufgabe des Journalismus und ein entscheidendes Qualitätskriterium. Die Bezeichnung „Vermittlung“ basiert bei Rager (1994:202f.) auf mehreren Faktoren. Laut Rager reflektiert der Begriff unter anderem die Vermitteltheit aller Erkenntnis, wobei Rager nicht weiter mit seinem Begriff auf die Debatte eingehen möchte, ob es unabhängig von der Erkenntnis eine Realität gibt und ob diese durch den Journalisten bei der Vermittlung verändert wiedergegeben wird. [Die Diskussion um mögliche „Wirklichkeits- Konstruktionen“ wird uns in dieser Arbeit dennoch beschäftigen – und zwar in Abschnitt 4.2. bei der Suche nach einer grundlegenden Theorie für Ragers Dimension Richtigkeit.] Durch die Begriffswahl möchte Rager lediglich andeuten, dass er Vermittlung primär versteht als |
„Gegenseitige
Bezüge herstellen zwischen KommunikatorInnen und Publikum, im Rückgriff auf
gegenseitige ´Erwartungs- Erwartungen´ “ (Rager:1994:202). 2 |
Anders
ausgedrückt: Damit die Informationen beim Rezipienten ankommen, bedarf es einer
gelungenen Vermittlung. Ohne diese kann der Bürger nicht an der öffentlichen
Kommunikation teilhaben und seine Rechte im demokratischen Staat wahrnehmen. Die
Themen müssen dem Bürger bei einer gelungenen Vermittlung daher so
bereitgestellt werden, dass sie seine Aufmerksamkeit und Akzeptanz finden.
Weiterhin muß der Rezipient bei einer gelungenen Vermittlung den
Informationsinhalt nachvollziehen (verstehen) können. Somit sind die Verständlichkeit,
die Gestaltung, und die Akzeptanz beim Publikum bedeutende Kriterien innerhalb
der Dimension Vermittlung. In der journalistischen Praxis wurden für die
erfolgreiche Vermittlung bestimmte Handlungsweisen im Redaktionsalltag
entwickelt. Die wichtigsten Routinen des Printjournalismus sind die
zielgruppengerechte Ansprache, das Design oder die Illustration und die Verständlichkeit
der Darstellung.
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Das
Ragersche Qualitäts- Modell als methodische Grundlage |
Zur
Ragerschen Dimension Aktualität |
Aktualität
ist nach Rager (1994:196) die zentrale Dimension journalistischen Handelns.
Journalismus stellt Informationen aktuell für die öffentliche Kommunikation
bereit, wobei er darauf bedacht ist, jene Informationen herauszufiltern, die
eine (akute/aktuelle) Veränderung des gesellschaftlichen (Ist-)Zustandes
bewirken. In dieser besonderen Fixierung unterscheidet sich der Journalismus von
anderen Disziplinen, wie etwa der Wissenschaft, die ebenfalls Themen zur öffentlichen
Kommunikation bereitstellen. Im journalistischen Arbeitsprozess entspricht
Aktualität dem Ereigniszeitraum zwischen zwei Berichterstattungsausgaben. Somit
variiert der aktuelle Ereigniszeitraum. Bei wöchentlich erscheinenden
Magazinen, wie etwa dem „Spiegel“, liegt er zwischen sieben Tagen; bei einer
Zeitung beträgt der „aktuelle Ereigniszeitraum“ einen Tag. Ferner enthält
Ragers Dimension Aktualität auch die „latente Aktualität“, auf die in
Kapitel 4 näher eingegangen werden soll. Die Bedeutung der Aktualität für den
fernsehjournalistischen Nachrichtenalltag wird deutlich bei der Durchsicht der
Aktualitätsanalyse, die Bruns (1997:118) in Bezug auf die politischen
Informationssendungen durchführte. Obwohl Nachrichtensendungen,
Magazinsendungen und Reportagen untersucht wurden, entfielen 72,5 Prozent der
Berichterstattung auf ein Ereignis, das am gleichen Tag bekannt geworden bzw.
geschehen war. Auf die beiden Vortage entfielen 7,8 Prozent. Welche immense
Bedeutung die Aktualität für die Fernsehnachrichten hat, zeigen die Erläuterungen
von Uwe Stirnberg (1998: 150) , Klaus Kamps (1998:23), Norbert Schneider
(1996:22), oder Georg Ruhrmann (1989:14). [Vergleiche auch hierzu Kapitel 4.] |
Das
Ragersche Qualitäts- Modell als methodische Grundlage |
Zur
Ragerschen Dimension Relevanz |
Bei der Dimension Relevanz steht nach Rager (1994:197) die Bedeutsamkeit des zu vermittelnden Themas an sich im Vordergrund. Der Qualitätsforscher Rager räumt ein, journalistische Selektion bedeute zumindest im Bereich der politischen Berichterstattung in der Regel stets Entscheidungen sowohl in der Dimension Aktualität als auch in der Dimension Relevanz. Dass dies besonders für den Nachrichtenjournalismus zutrifft, beweist Ruhrmann (1989:14) mit seiner Feststellung, Ereignisse müßten sowohl neu als auch relevant sein, um zur Nachricht zu werden. Nur, was ist relevant für die Gesellschaft? Rager bezieht sich in diesem Zusammenhang auf die unter Wissenschaftlern teilweise umstrittene Nachrichtenwert- Theorie (vergleiche Abschnitt 4.3.1) zur Bestimmung jener qualitativer und quantitativer Kriterien (sogenannten Nachrichtenfaktoren), die möglichst zuverlässig zur Auswahl bedeutsamer Ereignisse im Sinne des Rezipienten führen (Rager:1994:194). Demnach zeigt sich die Qualität eines journalistischen Produktes letztendlich daran, dass sein Thema möglichst viele Nachrichtenfaktoren in sich vereinigt. Die
Qualität der „Relevanz“ zeigt sich nach Ragers Meinung auch in der
„Feinauswahl“ eines Themas (Rager:1994:198). Danach sollen alle relevanten
Positionen und Akteure in einem Artikel berücksichtigt werden, damit dieser im
Bereich „Relevanz“ als qualitativ hochwertig bezeichnet werden kann. Hierbei
bezieht sich Rager jedoch eindeutig auf Aspekte der sachlichen Richtigkeit. Enthält
nicht die Auflistung aller relevanten Positionen eine „Vollständigkeit“,
die ja Rager (1994:201) selbst als Qualitätskomponente der Dimension
Richtigkeit nennt? Und führt nicht die Darstellung all jener Akteure, die ihre
(konträren) Standpunkte zu einem Thema äußern, zur Ausgewogenheit eines
Artikels? Auch diese thematisiert Rager (1994:201) innerhalb der Dimension
Richtigkeit, indem er schreibt,
„[...] Es
steht Meinung gegen Meinung – und gerade darin, das zu benennen, kann eine
besondere Qualität der Berichterstattung liegen. [...] “ Die Berücksichtigung aller wichtigen Akteure und Positionen wird hier innerhalb der Dimension Richtigkeit bei der Diskussion der „Vollständigkeit“ und „Ausgewogenheit“ behandelt. Trotzdem ist innerhalb der journalistischen Fernsehpraxis das Bestreben, über „relevante“ Ereignisse zu berichten, Bestandteil der täglichen redaktionellen Arbeit. So sieht der deutsche Journalistenverband (Straßner:1982:50) in der Vermittlung relevanter Informationen eine der Spielregeln, denen er sich verpflichtet fühlt. Relevanz als Qualitätskriterium nennen Schneider (1996:22), Heussen (1997:364), (Schatz/Schulz:1992:692) und Christian Breunig (3/1999:99), der Relevanz als Qualitätsmerkmal amerikanischer und britischer Programmmacher zitiert.
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Das
Ragersche Qualitäts- Modell als methodische Grundlage
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Abschließendes
Fazit zur Vergleichbarkeit von Zeitung und Fernsehen |
Der
oben erfolgte Vergleich bezüglich der Arbeitsroutinen und Qualitätsvorstellungen
im Print- und Fernsehbereich ergab, dass innerhalb der beiden Medientypen ähnliche
Vorstellungen und Routinen vorherrschen. Dabei zeigte sich weiterhin, dass die
Qualitätsvorstellungen der Fernsehtheoretiker und –praktiker mit den
Ragerschen Dimensionen korrespondieren. Zudem
ergab die Erläuterung des Standes der Qualitätsforschung im Fernsehbereich,
dass sowohl für den Printjournalismus als auch für den Fernsehjournalismus
letztendlich das Grundgesetz den Rahmen liefert, nach dem Qualität gemessen
wird. Auch hier gibt es somit wieder eine Übereinstimmung zwischen den beiden
Formen des Journalismus. Das spricht wiederum für eine Übertragbarkeit des
Ragerschen Modells, welches die auf dem Grundgesetz beruhenden Mediengesetze berücksichtigt.
Somit lieferte auch der Vergleich der Arbeitsroutinen und Qualitätsvorstellungen
keine Argumente, die gegen die Anwendung von Ragers Modell auf die Qualitätsbewertung
des Fernsehens sprächen. Festgestellt wurde lediglich im generellen Vergleich
von Buch und Fernsehen, dass der Codierbogen die höhere Vermittlungskomplexität
des Fernsehens berücksichtigen sollte. Aus den eben genannten Gründen scheint es gerechtfertigt, im vierten Kapitel der Arbeit entlang des Ragerschen Dimensionen nach Kriterien zu suchen, welche die Qualität nachrichtlicher Filmberichte anzeigen.
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III. |
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