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UNTERHALTUNG ALS QUALITÄTS- KOMPONENTE DES FILMBERICHTS
ÜBERSICHT |
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3.2 |
Zum Unterhaltungscharakter der Fernsehnachichten |
Allgemein negative Beurteilung der Fernsehunterhaltung |
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Neil Postmans Sicht der Unterhaltung und der
Nachrichtenvermittlung durch das Fernsehen |
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Unterhaltung aus der Sicht der Frankfurter Schule und
des marxistischen Strukturalismus |
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Die vielfältigen Funktionen der Unterhaltung |
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Unterhaltung als Eskapismus: |
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Unterhaltung als Mittel der Stimmungsregulierung |
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Unterhaltung als Mittel der Lebens- und
Umweltorientierung |
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Zum Unterhaltungscharakter der Fernsehnachrichten |
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Wettbewerbs- und Unterhaltungsstrategien der Anbieter im Vergleich mit den Zuschauerwünschen |
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Wettbewerbs- und Unterhaltungsstrategien der
Nachrichtenanbieter |
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Die Bewertung von Unterhaltung und Qualität der Fernsehnachrichten |
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Wettbewerbs- und Unterhaltungsstrategien der
Anbieter im Vergleich mit den Zuschauerwünschen |
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FAZIT:
Unterhaltung als Qualitäts- Komponente
des Filmberichtes |
3.2 |
ZUM UNTERHALTUNGSCHARAKTER DER FERNSEHNACHRICHTEN |
3.2.1 |
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Unterhalten
Fernsehnachrichten ihre Zuschauer? Bruns (1997:143) und Pross (1980:96) gehen
zunächst einmal von der Unterhaltungsorientierung der Nachrichten aus, wobei
nach Uta Wagner (1994:12/13) Unterhaltung nur schwer fassbar und definierbar
ist. Sowohl Wagner als auch Bruns (1997:143) betonen, dass Unterhaltsamkeit als
rezipientenorientierte Kategorie verstanden werden muss, wobei die Absicht,
Unterhaltung zu produzieren, kein Garant dafür ist, dass der Einzelne sich auch
tatsächlich unterhalten fühlt. Bruns, der eingangs hypothetisch den
Unterhaltungscharakter der Nachrichten annimmt, entwickelte ein
inhaltsanalytisches Verfahren, um die „Attraktivität“ der
Nachrichtensendungen zu untersuchen. Attraktivität zeigt sich nach Einschätzung
Bruns´ (1997:144) beispielsweise im Sendungsdesign der Nachrichten und
politischen Informationssendungen, wobei die visuell attraktive Darbietung jene
Zuschauer zum Verweilen einladen soll, die eigentlich Unterhaltungsshows
favorisieren. Gary Bente (1997), der sich ausführlich mit den Funktionen und
Wirkungen von nichtfiktionalen Unterhaltungsformen (z.B. Talkshows) im Fernsehen
beschäftigte, spricht von „Affektfernsehen“ (Bente:1997:19-21) und nennt
als Charakteristika dieses Fernsehtyps die Human-Interest -Kriterien
Personalisierung, Authentizität, Intimisierung und Emotionalisierung. Vor allem
das Charakteristikum der Intimisierung trägt zum negativen Ruf der Unterhaltung
bei. So schreibt Barbara Sichtermann (1994:97), die den Publikumsgeschmack auf
die quotenträchtigen Sex-, Gewalt- und Katastropheninhalte reduziert „[...]Sex
in allen Varianten, Katastrophen und Gewalt in allen Schweregraden sagen ihm
(dem Publikum/ Anmerk. d. Autorin) zu “.
Intimisierung
als Aspekt des Affekt-Fernsehens betont private, intime bzw. zwischenmenschliche
Belange und macht sie zum Gegenstand öffentlicher Präsentation. Diese
thematische Ausrichtung enthält die Gefahr der „Peinlichkeit“. Weitaus
schlimmer ist jedoch die mögliche Verletzung des Persönlichkeitsrechtes,
welche die Berichterstattung über private und intime Angelegenheiten ebenso
enthalten kann. So verwundert es nicht, dass die unterhaltsame Präsentation von
Zeitungen auf Tagungen diskutiert und damit legitimiert werden muss. [vergleiche
hierzu (Rager:1993:7ff)] III.
KAPITEL
UNTERHALTUNG ALS QUALITÄTS- KOMPONENTE DES FILMBERICHTS
Dieselbe
kritische Sicht der Unterhaltung ergibt sich bei der Lektüre fernsehrelevanter
Schriften. Da spricht Jo Groebel im „Bericht
zur Lage des Fernsehens“, von den „problematischen
Potentialen des Genres Unterhaltung“. (Groebel:1994:63). Ferner bezeichnet
Bernd Guggenberger (1993:282) die unterhaltungsorientierten Journalisten als
„Zerstreuungsspezialisten“, und nicht zuletzt sieht Werner Faulstich
(1982:47) in der Fernsehunterhaltung die Ursache für die „dumpfe Verbissenheit“ der „zum Schweigen gebrachten Mehrheit“.
In solchen negativen Äußerungen spiegeln sich bruchstückhaft die Sichtweisen
von Neil Postman, der Frankfurter Schule und des marxistischen Strukturalismus
wider. Mit diesen fernsehtheoretischen Sichtweisen werden sich die nachfolgenden
Abschnitte kritisch auseinandersetzen. Dadurch steigt die Chance,
„problematische Potentiale“ der Unterhaltung zu erkennen
(Groebel:1994:63), und diese bei der Bewertung der Unterhaltung entsprechend zu
berücksichtigen.
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3.2.1.1
Neil Postmans Sicht der Unterhaltung und der
Nachrichtenvermittlung durch das Fernsehen |
Nach Postman taugt das Fernsehen nicht zur Verbreitung
ernstzunehmender Informationen sowie zum öffentlichen Diskurs |
Nach Postman führen die unterhaltsam präsentierten
Fernsehnachrichten zur Desinformation des Zuschauers |
Postman
(1985:109) vergleicht das Fernsehen mit einem „wundervollen
Schauspiel“, das an jedem Tag Tausende von Bildern verströmt. Diese
Unterhaltungs- Orientiertheit sieht Postman (1985:110) recht kritisch:
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„Problematisch am Fernsehen ist nicht, daß es uns unterhaltsame Themen präsentiert, problematisch ist, daß es jedes Thema als Unterhaltung präsentiert“. |
Daraus folgert der Medientheoretiker Postman (1985:111), hintergründige Diskussionen seien nicht möglich, wobei er diese Ansicht anhand der Analyse einer von der amerikanischen Fernsehgesellschaft „ABC“ produzierten Diskussionsrunde zu beweisen sucht. Aus dieser Analyse folgert Postman (1985:115), Fernsehen sei nicht das Medium des Denkens und vor allem nicht das Medium, in dem (politische) Ideen adäquat darstellbar seien, da es den Gehalt von Ideen unterdrücken müsse, um den Wertmaßstäben des Showgeschäftes zu genügen. Der öffentliche Diskurs verkümmere durch das Fernsehen (Postman:1985:42/43), was nach Postman (1985:116) fatale gesellschaftliche Folgen haben könnte, da das Fernsehen im Verdrängungswettbewerb mit den Printmedien als Sieger hervorgegangen sei und nun als omnipotente Kommunikationsschnittstelle der öffentlichen Diskussion fungiere. |
III.
KAPITEL
UNTERHALTUNG ALS QUALITÄTS- KOMPONENTE DES FILMBERICHTS |
Weiter schließt Postman aus den Gegebenheiten des Mediums und der Tatsache, dass Nachrichten oftmals unterhaltend aufbereitet sind, auf ihr Unvermögen zur Vermittlung von ernst zu nehmender Informationen: „Wir brauchen Nachrichten nicht ernstzunehmen, sie sind sozusagen zu unserem Vergnügen“. (Postman:1985:110) Dass Nachrichten nicht zur Bildung und zum Nachdenken sondern zum bloßen Amusement des Zuschauers taugen, folgert Postman wiederum aus den von ihm genannten Stilmitteln der Fernsehnachrichten: Dem Aufbau der Nachrichtensendung, der Machart der Filmbeiträge, den Nachrichtensprechern, den netten Scherzen, der aufregenden Anfangs- und Schlußmusik, der abwechslungsreichen Filmbeiträge und der Werbespots, die die Fernsehnachrichten unterbrächen. Dies sind soweit die wichtigsten Thesen Postmans zur unterhaltenden Nachrichtenvermittlung im Fernsehen. In den folgenden Passagen sollen Postmans wichtigste Argumente, die seiner Ansicht nach gegen eine unterhaltsame Präsentation der Nachrichten sprechen, näher erläutert und, falls notwendig, widerlegt werden. Laut Postman (1985:128) mangelt es den 45- sekündigen Beiträgen an Tiefe. Hier bezieht sich Postman wohl auf die sogenannten Nachrichtenfilme (Nifs). Bei den hier beobachteten Kurzberichten und Hintergrundberichten der deutschen Nachrichtenanbieter lag (wie bereits in Abschnitt 3.1 dargelegt) die kürzeste Länge bei 64 Sekunden. Aber auch bei zwei- bis dreiminütigen Filmberichten ist Postman beizupflichten, dass die Informationstiefe des Beitrages im Vergleich zu einem ausführlichen Zeitungsbericht oder einer einstündigen Magazinsendung ungleich schwächer ausgeprägt ist. Es stellt sich allerdings die Frage, ob die mit der Kürze der Beiträge verbundene geringere Informationstiefe nicht seit Beginn der Nachrichtenpraxis ein typisches Merkmal der Nachricht an und für sich ist. In dieser Hinsicht sei an den Überblickscharakter der Nachrichten erinnert. Nachrichten geben dem Zuschauer einen Überblick über die Geschehnisse. Dieser kann im Anschluss an die Nachrichtenrezeption selbst entscheiden, ob er sein Wissen zu einem bestimmten Thema durch die weiterführende Zeitungslektüre oder durch das Schauen einer Magazinsendung vertiefen will. Es ist wohl die Aufgabe von politischen Magazinen und nicht von Nachrichtensendungen, gesellschaftlich relevante Themen eingehend zu erläutern. Ferner ist nicht nur die Autorin der Auffassung, dass die Nachrichten, die die Bürger noch vor zweihundert Jahren erreichten, ähnlich „bruchstückhaft“ ausfielen. Auch Maletzke (1988:42) äußert Zweifel daran, dass die Bürger damals mehr erfuhren, als dass ein Herrscher einem Attentat zum Opfer gefallen oder ein Schiff gesunken war. III.
KAPITEL
UNTERHALTUNG ALS QUALITÄTS- KOMPONENTE DES FILMBERICHTS
Ein weiterer Grund, warum Postman (1985:124) in den Fernsehnachrichten nur eine bruchstückhafte Welt ohne Ordnung und Bedeutung erkennen kann, die nicht ernstgenommen werden muss, ist die Aufeinanderfolge der unterschiedlichsten Themen. Die Themenabfolge, durch den Sprecher angekündigt mit einem „Und jetzt“, führe, so Postman (1985: 133), letztendlich zur Desinformation des Zuschauers, zur irrigen Meinung, er sei über die Ereignisse informiert. Tatsächlich ist nach Postmans Ansicht der Zuschauer jedoch mit oberflächlichen, bruchstückhaften Informationen von der Wirklichkeit weggelockt worden. Dieses von Postman entworfene Bild ist wohl überzeichnet. [Die gleiche Meinung vertritt Maletzke (1988:44)]. Mit der Beantwortung der journalistischen W- Fragen (WER; WO; WAS; WANN) erhält der Zuschauer die wesentlichen Angaben zu einem Ereignis. Außerdem ist gemäß dem bei der Erläuterung des transaktionalen Modells (in Abschnitt 2.2.3) besprochenen Rezeptionsverhaltens der Zuschauer anzunehmen, dass kein Zuschauer sich mit oberflächlichen, bruchstückhaften „Informationshappen“ zufriedengeben wird, wenn ein Sachverhalt für seinen persönlichen Lebenszusammenhang wirklich wichtig ist. Damit wirkt sich die mit einem „und jetzt“ angekündigte „Desinformation“ höchsten bei Themen aus, die dem Zuschauer ohnehin nicht relevant erscheinen (z.B. eine Geiselnahme im Iran/ ein Zugunglück in Indonesien). Sollte das Zugunglück jedoch in Brühl stattgefunden haben, wird ein in der Stadt Köln wohnender Zuschauer prüfen, ob möglicherweise Freunde oder Verwandte betroffen sein könnten. Sollte er dies verneinen können, könnte allein die räumliche Nähe des Ereignisses dazu führen, dass er „alles ganz genau“ wissen will und daher nach der „bruchstückhaften“ Nachricht zusätzliche Informationsangebote nutzt. Auch eine weitere Argumentationsführung Postmans ist in Anlehnung an Maletzke (1988:37) nicht gelten zu lassen. Postman vertritt die Ansicht, das Fernsehen - als Schnittstelle der öffentlichen Kommunikation - führe zu einer Diskursverflachung. Hier stellt sich die Frage, wie es um die „Qualität“ der öffentlichen Diskurse bestellt war, die in den damaligen Schnittstellen der öffentlichen Kommunikation stattfanden, so zum Beispiel bei den Reden auf Marktplätzen oder Bürgerversammlungen. Maletzke verweist bezüglich der von Postman attestierten Diskursverflachung durch das Fernsehen darauf, dass auch die öffentlichen Diskurse, die früher auf Marktplätzen gehalten wurden, populistisch ausgerichtet waren. Mit anderen Worten heisst das: Die Diskursqualität der Reden früherer Jahrhunderte entsprach dem Niveau jener Reden, die der Zuschauer heute im Fernsehen sieht und hört. In diesem Zusammenhang macht Maletzke auf den Unterhaltungswert der Reden des amerikanischen Präsidenten Abraham Lincoln aufmerksam. Der Unterhaltungswert dieser Reden wird sicher von dem Umstand herrühren, dass Lincoln die Reden für ein unterhaltungsorientiertes und rhetorisch zu beeindruckendes Publikum konzipierte. Das zeigt wiederum, dass nicht nur das heutige Fernsehpublikum unterhaltungsorientiert ist. [Vergleiche hierzu auch: (Maletzke 1988:37).] III.
KAPITEL
UNTERHALTUNG ALS QUALITÄTS- KOMPONENTE DES FILMBERICHTS
Darüber hinaus kritisiert Postman die gegenwärtige Qualität des TV-Diskurses; er äußert sich aber mit keinem Wort darüber, was denn einen „qualitativ hochwertigen Diskurs“ kennzeichnet. Statt dessen nennt Postman als einzige Ursache für die Diskursverflachung die Unterhaltungsorientiertheit des Fernsehens, welche den Wertmaßstäben des Showgeschäftes genügen müsse (Postman:1985:42/43). Darf also ein Diskurs, damit dieser als „qualitativ hochwertig“ bezeichnet werden kann, keine unterhaltenden Elemente enthalten? Und inwieweit hat Postman Recht mit seiner Behauptung, dass Unterhaltung den Informationswert mindert? Zur Klärung der Frage, ob Unterhaltung den Informationsgehalt mindert, bezieht sich die Autorin auf medienpsychologische Studien. So ergaben nach Michael Bock (1990:85) psychologische Medienwirkungsstudien, dass primär kognitive Botschaften emotionale Komponenten enthalten. Dies gilt für alle Medien und Informationsarten. Umgekehrt werden primär emotionale Botschaften darüber hinaus auch kognitiv wirksam. In Abschnitt 3.2.1 wurde bereits erwähnt, dass Emotionen einen wesentliches Unterhaltungsmerkmal darstellen. [Vergleiche hierzu: (Bente:1997:19-21).] Die Darstellung von Emotionen kann daher mit einem Unterhaltungsaspekt in Verbindung gebracht werden. Die von Bock angeführten Feststellungen, dass eine emotionale Botschaft auch immer kognitive Anteile enthält (und umgekehrt) beweisen somit: Die Sachverhalte, welche das Fernsehen vermittelt, bestehen weder aus „purer Information“ noch „purer Unterhaltung“. Recht anschaulich erklärt Huh (1996:38/39) auf der Grundlage medienpsychologischer Untersuchungen, wie unterhaltungs- bzw. informationsbetonte Nachrichtenangebote bei der Wirklichkeitskonstruktion des Zuschauers wirken. Den Konstruktionsprozess demonstriert Huh (1996:40-42) anhand der Begegnung eines Menschen mit einem Grizzly. Dabei erfolgt die Wirklichkeitskonstruktion des Menschen parallel mittels Emotion und Kognition. Laut Huh repräsentieren die Emotionen den „Was-bin-ich-Modus“. Im Falle des Aufeinandertreffens mit dem Grizzly wird der Mensch die Emotion „Angst“ registrieren, die sein „So-sein“ signalisiert. In kognitiver Hinsicht arbeitet dagegen der „Was-weiß-ich-Modus“, der, bezogen auf das Zusammentreffen mit dem Grizzly nach Handlungsmöglichkeiten (Was kann ich tun?) fragt. Die Antwort auf diese Frage findet sich im Kompetenz- Bewusstsein. Huh geht davon aus, dass je nach Situation entweder der kognitive oder der emotionale Bereich bei der Wirklichkeitskonstruktion Vorrang hat. Zur weiteren Beantwortung der Frage, inwieweit eine emotionale und folglich als unterhaltsam zu bezeichnende Präsentation die Informationsqualität mindert, sei exemplarisch auf die medienpsychologischen Experimente von Hertha Sturm (1989:38f.) zurückgegriffen. Mit diesen Experimenten untersuchte die Forscherin den Einfluss von emotionalen bzw. sachlichen Textzusätzen auf die Verstehens- und Erinnerungsleistung bei sechzig Kindern im Alter von zehn Jahren. Den Kindern wurden zwei bild- und geräuschidentische Fassungen eines dreißigminütigen nonverbalen Fernsehfilms vorgeführt, wobei die erste Fassung eine sachliche Zusatztextierung enthielt, die zweite Fassung dagegen eine emotionale Zusatztextierung. Das Ergebnis zeigte, dass die Kinder die Fassung mit den emotionalen Textzusätzen eher als angenehm erlebten. Zudem erinnerten sie sich an die gesehenen Inhalte besser als bei den sachlichen Textzusätzen. Sturm stellte zudem fest, dass die Kinder diese sachliche Darbietung als unangenehm einstuften. Auch diese Studie beweist: Die emotionale (unterhaltende) Darstellung von Sachverhalten mindert nicht deren Informationsgehalt. Dass die Trennung zwischen Information und Unterhaltung nicht mehr dem aktuellen Stand innerhalb der Forschung entspricht, reflektierten die Schriften einer immer größer werdenden Anzahl von Wissenschaftlern. So vertritt Elisabeth Klaus (1996:403) die Meinung, der Erfolg der „Soap- Shows“ beim Fernsehpublikum seien der Beweis für die Einheit des gleichzeitigen Bedürfnisses nach Information und Unterhaltung. Auch Rager (1993:12) geht aufgrund verschiedener Rezipientenstudien davon aus, dass Unterhaltung ein wichtiger Modus der Informationsverarbeitung ist. Die Meinung, unterhaltsam dargebotene (politische) Information führe trotz der für das Fernsehen typischen Simplifizierung prinzipiell nicht zur Qualitätsminderung, vertreten ferner sowohl Kamps (1998:44) als auch Bruns (1997:78). Dabei bescheinigt Bruns den unterhaltungsorientierten Morgen- und Mittagsmagazinen, sie trügen in namhaftem Umgang zur politischen Information bei und wären insofern als reines Infotainment unterbewertet. Gleiches gilt für Anja Sauer (1997:137), die Information und Unterhaltung als komplementär einstuft und anhand ihrer Studie der regionalen Nachrichtenmagazine von SAT 1, RTL und dem WDR zu dem Ergebnis kommt, dass Information ohne Minderung des Informationswertes unterhaltsam präsentiert werden kann. Pross (1980:95) äussert schließlich die Ansicht, Information, die uns etwas bringe, hebe auch unseren Gemütszustand, während die Unterhaltung, die unsere Kenntnis nicht bereichere, Überdruss bereite. Die hier angeführte Argumentationskette demonstriert, dass Postman mit seiner These von der unterhaltungsbedingten Diskursverflachung des Fernsehens irrt. Gleichzeitig hat sich die Arbeit mit den wichtigsten Kritikpunkten Postmans an der Unterhaltung auseinandergesetzt, wobei bei der Erörterung von Postmanns Argumenten kein wirklich triftiges Argument entdeckt wurde, das gegen eine unterhaltsame Präsentation der Nachrichten spräche.
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III.
KAPITEL
UNTERHALTUNG ALS QUALITÄTS- KOMPONENTE DES FILMBERICHTS |
3.2.1.2
Unterhaltung aus der Sicht der Frankfurter Schule und
des marxistischen Strukturalismus |
Die Frankfurter Schule und der marxistische Strukturalismus kritisieren den eskapistischen Charakter der Unterhaltung |
Die Trennung von qualitativ hochwertigem Informations- und qualitativ minderwertigem Unterhaltungsjournalismus dürfte hinfällig sein |
Theodor Adorno, der der „Frankfurter Schule“ zugerechnet wird, äußert sich in seinem „Prolog zum Fernsehen“ gegenüber diesem Medium kritisch (Adorno:1990:162). Da es ins umfassende Schema der Kulturindustrie fällt, versucht das Fernsehen das Bewußtsein der Zuschauer nach Adornos Verständnis im noch größeren Maße zu umstellen und einzufangen, als dies das Radio und der Film bereits vorher taten. Laut Adorno (1990:165) betäubt das Fernsehen das Bewusstsein der Zuschauer und bildet es zurück. Grund hierfür ist nicht der Inhalt der Sendungen, sondern |
„jene fatale Nähe des Fernsehens, Ursache auch der angeblich gemeinschaftsbildenden Wirkung der Apparate, um die Familienangehörigen und Freunde [...] stumpfsinnig zu versammeln.“ (Adorno:1990:165) |
An anderer Stelle spricht Adorno (1990:166) davon, das Fernsehen trage zur Verdummung bei, wobei der Umstand, dass zur akustischen Information auch noch die optische mitgeliefert wird, den Effekt verstärke. Abschließend bezieht sich Adorno auf die damals schon viel zitierte Unterhaltungsfunktion des Fernsehens und fordert Analysen, welche unter anderem klären sollen, wie weit die Gewohnheit des Fernsehens lediglich dem Bedürfnis diene, sinnleere Freizeit totzuschlagen. Adorno bringt keine konkreten Argumente gegen die Unterhaltung vor. Vielmehr erfolgt Adornos Kritik am Fernsehen pauschal – bedingt durch seine Ablehnung aller Produkte der von ihm so genannten „Kulturindustrie“. Adorno sowie die anderen Vertreter der Frankfurter Schule fürchten die Manipulation der Konsumenten durch die Produkte [vergleiche hierzu: (Storey:1993:101)], deren Zweck es sei, die wahren Bedürfnisse der Arbeiterklasse nach politischer und wirtschaftlicher Mitbestimmung zu betäuben. Aus einer ähnlichen Strömung, nämlich dem marxistischem Strukturalismus, beurteilt Rudi Renger die Bedeutung des Boulevardjournalismus und die Qualität der von ihm produzierten Informationen. Dabei greift Renger (1997:29) den immer wieder thematisierten Gegensatz des bildungsbetonten Qualitäts/ Informationsjournalismus zum Boulevard- & Unterhaltungsjournalismus auf. Laut Renger (1997:34) führt das Streben nach kommerziellem Erfolg zu einer Standardisierung und zur Qualitätsminderung des kulturellen Produktes. Darüber hinaus interpretiert Renger die populärkulturelle Ware „Boulevardjournalismus“ als ein Produkt, das textimmanent die gesellschaftlichen Dominanzstrukturen spiegele. Ähnlich Fiske (1987) spricht Renger bei der Leser- Text- Beziehung von der Möglichkeit des Widerstandes bzw. des Ausweichens bei der Decodierung durch den Leser. Dementsprechend negativ beurteilt er die Unterhaltung und die populäre Presse. Sie liefert nach Ansicht Rengers (1997:34) eine stillschweigende Unterstützung für die existierenden Machtverhältnisse, indem sie den Blick auf die Individuen lenke und den gesunden Menschenverstand sowie die Moral als Erklärungsrahmen für das Leid anbiete, statt die gesellschaftlichen Machtstrukturen und die soziale Ordnung in Frage zu stellen. Auch hier zeigt sich, dass Renger die Unterhaltung aus rein ideologischen Gründen kritisiert. Dabei spielen Adorno und Renger implizit auf die eskapistische Funktion der Unterhaltung an, die sie ausschließlich negativ beurteilen. Eskapismus bedeutet den beiden Wissenschaftlern eine Flucht vor der Wirklichkeit und die Kompensation unerfüllter Träume. In diesem Sinn sehen sowohl Adorno als auch Renger in der Unterhaltung ein „Betäubungsmittel“, das, zielbewußt eingesetzt, ungerechte Herrschaftsstrukturen zementiere. Hieraus ergibt sich die erste Kritik an Renger und Adorno: Durch diese theoriebedingte Distanz vernachlässigen sowohl Adorno als auch Renger die Tatsache, dass Unterhaltung inklusive ihres eskapistischen Moments aufgrund ihrer vielfältigen Funktionen schon seit jeher von den Menschen genutzt wird. Aus den im Folgenden thematisierten Funktionen der Unterhaltung (vergleiche hierzu Abschnitt 3.2.2) sollte deutlich werden, dass Unterhaltung für die individuelle Lebensorientierung des Rezipienten zu wichtig ist, um auf unterhaltende Elemente bei der Informationsvermittlung zu verzichten. Diese Ansicht wird hier trotz der sicher nicht ganz abwegigen These von Adorno und Renger vertreten, dass unterhaltende Elemente unter Umständen dazu eingesetzt werden könnten, um ungerechte Herrschaftsstrukturen zu sichern. Eine zweite Schwachstelle in der Argumentationsführung von Renger und Adorno wurde bei der Erörterung der beiden Wissenschaftler ebenfalls evident: Die Furcht von Renger und Adorno vor dem eskapistischen und betäubenden Charakter der Unterhaltung zeigt, dass beide Wissenschaftler stillschweigend von einer omnipotenten Wirksamkeit der in der Medienbotschaft enthaltenen Unterhaltung ausgehen, wie sie im Abschnitt 2.2.1 bei der Erläuterung des Stimulus- Response- Modells beschrieben wurde. Damit legen die beiden Forscher bei der Analyse der Wirkungen von Unterhaltung implizit ein Modell zugrunde, welches vom heutigen Stand der Wissenschaft als veraltet gilt. Folglich kann Adornos bzw. Rengers These von der machtsichernden Funktion des unterhaltenden Journalismus aufgrund der in Abschnitt 2.2.1 bereits dargelegten Argumente nicht uneingeschränkt beigepflichtet werden. Zum dritten Kritikpunkt an Renger (1997:29): Der Wissenschaftler greift mit seiner Kritik am Boulevardjournalismus auf den bereits bei Postman thematisierten scheinbaren Gegensatz von Information und Unterhaltung zurück. Gemäß der Einteilung Bentes (vergleiche Abschnitt 3.2.1) stellt die emotionale Darbietung ein Charakteristikum des Unterhaltungs- /Boulevardjournalismus dar; die sachliche Präsentation muß daher nach der von Renger vorgenommenen Klassifizierung hingegen ein Merkmal des Informationsjournalismus sein. In Abschnitt 3.2.1.1 ist bereits der von Postman postulierte informationsmindernde Einfluss der Unterhaltung widerlegt worden. Somit kann auch die von Renger (1997:34) vorgebrachte Kritik am unterhaltenden Boulevardjournalismus, der nach Renger eine Qualitätsminderung des Produktes bedingt, von der Autorin nachvollzogen werden. Als Fazit bleibt festzuhalten: Aus der Erörterung der Kritik, die Adorno als Vertreter der Frankfurter Schule und Renger als Anhänger des marxistischen Strukturalismus an der Unterhaltung üben, konnten die wichtigsten Argumente widerlegt werden. So führt die Unterhaltung nicht zur Qualitätsminderung eines Produktes. Da hier Medienwirkungen mit dem dynamisch- transaktionalen Modell erklärt werden, kann Adornos und Rengers Befürchtungen, Unterhaltung diene der Sicherung ungerechter Herrschaftsstrukturen, in dieser Form nicht zugestimmt werden. Somit ergeben sich auch aus dieser fernsehtheoretischen Auseinandersetzung keine überzeugenden Argumente, die gegen den Einsatz unterhaltender Elemente in fernsehnachrichtlichen Kurz- und Hintergrundsberichten sprächen.
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3.2.2 |
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Laut Vorderer (1996:312) und Teichert (1990:522) trugen sowohl der Nutzenansatz als auch die Cultural Studies – Forschung zur Überwindung des Negativbildes der Unterhaltung bei. Auch wenn in dieser Arbeit Medienwirkungen auf der Grundlage des dynamisch- transaktionalen Modells erklärt werden, ist es vertretbar, die Ergebnisse der Uses und Gratification- Forschung zur Beschreibung der Unterhaltungsfunktionen heranzuziehen. So ermittelten die Uses- and Gratificationforscher den Nutzen – und damit den Wert – den die Rezipienten aus dem Konsum von Unterhaltungsangeboten ziehen. |
3.2.2.1 Unterhaltung als Eskapismus |
Eskapismus dient der Regeneration und des Erlebens einer
ungefährlichen und verantwortungsfreien Erfahrungssituation |
Wie Renger und Adorno bereits anklingen ließen, wurde Eskapismus lange Zeit als Realitätsflucht in eine Phantasiewelt, einer Sucht im Sinne einer Abhängigkeit von den Unterhaltungsprodukten, gesehen (Bosshart:1979:114). Es wurde befürchtet, Unterhaltung wirke wie ein Beruhigungsmittel und führe zu sozialer Apathie. Vorderer (1996:312) erläutert, dass die Begründungen, warum eskapistische Angebote genutzt werden, je nach theoretischer Provinienz der Medienforscher immer wieder anders ausfielen. Wurden in den sechziger und siebziger Jahren vor allem die entfremdeten Lebens- und Arbeitsbedingungen für die Nutzung des Unterhaltungsangebotes verantwortlich gemacht, setzte sich schließlich die Erkenntnis durch, dass praktisch alle gesellschaftlichen Schichten eskapistische Angebote nutzen. Diese Erkenntnis mündete letztendlich in der Ansicht, die Nutzung eskapistischer Angebote sei ein menschliches Grundbedürfnis, wobei Bosshart (1979:120) eine erste Funktion des Eskapismus herausstellt, nämlich die der Regeneration. Durch die eskapistische Form der Unterhaltung löst sich der Rezipient von sich und seiner Umwelt, wobei ihm das zerstreuende Unterhaltungsangebot erlaubt, kurzfristig aus einer Welt voller Pflichten und Verantwortung auszusteigen, um neue Kräfte zu sammeln. Bosshart (1979:115) verwehrt sich zudem gegen die Behauptung, dem Konsum von Soaps und Boulevardzeitschriften sei eine betäubende Wirkung zuzuschreiben, da dies empirisch nicht bewiesen wurde. Die gleiche Position nehmen Andreas M. Reinhard (1995:39), Ursula Dehm (1984:34) und Zillmann (1994:50) ein, wobei Zillmann seine Ansicht mit einer Studie untermauert, bei der Fluglotsen nach einem hektischen Arbeitstag die Gelegenheit zum Fernsehkonsum verwehrt bzw. gestattet wurde. Bestand die Möglichkeit zur Regeneration mittels Fernsehen, vollzog sich der anschließende Familienkontakt friedlich. Im Falle, dass die Regenerationsphase vor dem Fernseher verhindert wurde, kam es beim Familienkontakt zu aggressiven Reaktionen. Daraus folgert Zillmann, Fernsehkonsum habe im wesentlichen therapeutische Funktion – ohne nennenswerten Aufwand für den Konsumenten. Wagner (1994:129) und Vorderer (1996:312) sehen noch eine weitere Funktion des eskapistischen Unterhaltungskonsums: Die verantwortungsfreien Spielwelten, in die sich der Rezipient begibt, lassen ihn an Erfahrungen teilhaben, für die er keine Rechenschaft ablegen muß. Das Geschehen bleibt fiktional, so verwerflich die Erfahrungssituation sich auch darstellte. Zum anderen kann die fiktionale Erfahrungswelt auch jederzeit, zum Beispiel im Falle dass der dargestellte Lebensausschnitt dem Rezipienten zu bedrohlich erscheint, wieder verlassen werden. Ein praktisches Beispiel hierfür ist zum Beispiel das „Miterleben“ eines Mordes im Fernsehkrimi. |
III.
KAPITEL
UNTERHALTUNG ALS QUALITÄTS- KOMPONENTE DES FILMBERICHTS
3.2.2.2 |
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Bente (1997:41/42) geht bei der Untersuchung des Affektfernsehens davon aus, dass das Fernsehen zur Stimmungsregulation genutzt wird. Dabei bezieht er sich auf Dolf Zillmann, der aufgrund seiner Studien zu der Erkenntnis gelangte, dass der Fernsehkonsum weniger spezifische Affekte im Zuschauer auslöst, als vielmehr unspezifische Erregungszustände induziert, die im jeweiligen Handlungskontext interpretiert werden. Zillmann geht davon aus, dass sich die Medienwirkung, sei sie nun durch einen spannenden Film, ein Fernsehkonzert oder eben durch eine Talkshow hervorgerufen, auf das Anheben bzw. Absenken des Erregungsniveaus des Rezipienten beschränkt. Zillmann sieht den Menschen als hedonistisches Wesen, das schlechte Stimmungen zu vermeiden sucht und bemüht ist, schlechte Stimmungen durch weniger schlechte Stimmungen zu ersetzen (Vorderer:1996:315). Gemäß Zillmanns Mood- Management- Theorie wählen Personen jene Unterhaltungsangebote aus, die sich mit hoher Wahrscheinlichkeit positiv auf ihre Stimmung auswirken. Dies belegen die Ergebnisse seiner Untersuchungen (Zillmann:1994:47). So beobachtete der Forscher beispielsweise folgendes: Kinder, deren Verhalten und Aussehen zu Beginn des Versuchs bemängelt wurde, wählten fünfmal häufiger eine Fernsehsendung, die dazu angetan war, ihr seelisches Gleichgewicht wieder ins Lot zu bringen, als jene Kinder, die nicht kritisiert worden waren. Die kritisierten Kinder sahen sich die unterstützende Information solange an, bis sie sich wieder besser fühlten. Einen anderen Fall der Stimmungsregulation beobachtete Zillmann bei Frauen in der vormenstrualen und menstrualen Phase, die während dieser Zeit eine besondere Vorliebe für Komödien aufwiesen. Komödien haben ein größeres Erheiterungspotenzial als ernste Genres und damit ein größeres Vermögen, depressive Stimmungen zu verbessern. Zillmann sieht in dieser intuitiv- intelligenten Sendungsauswahl ein weiteres Indiz für seine Mood- Management-Theorie, suchten die Frauen doch ihren lästigen Gemütszustand zu beheben. |
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III.
KAPITEL
UNTERHALTUNG ALS QUALITÄTS- KOMPONENTE DES FILMBERICHTS |
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3.2.2.3 |
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Märchen, Mythen und Geschichten werden schon seit Urzeiten erzählt, anscheinend zur Unterhaltung (Bosshart:1979:31). Und tatsächlich unterhalten sie die Rezipienten, indem sie deren Fantasie beflügeln. Darüber hinaus sind sie Ausdruck menschlicher Ängste und Hoffnungen, weil sie beispielsweise von Leben und Tod, von der Liebe, vom Heldentum handeln [vergleiche hierzu: (Busse:1996:167), (Grabner-Haider:1989: 88)]. Da Geschichten für gewöhnlich eine Moral aufweisen, wirken sie deutend und helfen den Rezipienten, ihre eigenen Lebenserfahrungen in einen größeren Kontext einzuordnen. Nach Grabner- Haider (1989:12) steht vor allem der Mythos für die archaische Welt – und Lebensorientierung. Dabei haben vor allem Märchen und Mythen eine normative Funktion (Grabner-Haider:1989:297). Sie setzen Lebens- und Verhaltenswerte für alle Gruppenmitglieder fest, wobei die „Moral von der Geschichte“ aufzeigt, welche Verhaltensweisen als gut, als erwünscht, als erlaubt oder aber auch als verboten gelten. Damit gewinnt der Rezipient durch die Beschäftigung mit dem Unterhaltungsangebot neben der Lebensorientierung auch Strategien zur Lösung von Problemen, um sich im Leben besser zurechtzufinden. Auf diese Funktion der Unterhaltung spielt auch Jo Groebel (1994:63) im „Bericht zur Lage des Fernsehens“ an, wenn er schreibt, Fernsehunterhaltung könne gesellschaftliche Normen in Frage stellen oder stabilisieren. Die Ansicht, dass Fernsehunterhaltung von den Zuschauern zwecks Lebens- und Umweltorientierung genutzt wird, teilen Luis Bosshart (1979:33), Gary Bente (1997:36/49/71), Angela Keppler (1995:301fff.) oder TV-Moderator Jürgen Domian (1995:25). Nach Meinung Bossharts, Kepplers und Bentes werden beispielsweise Beziehungsshows („Bitte verzeih mir“, „Traumhochzeit“ etc.) und populäre Dramen zur Bühne des menschlichen Schicksals. Mitunter haben sie dabei die Funktion einer moralischen Instanz inne, ehemals ein Vorrecht von Kirche und Religion. Nach Keppler (1995:307) entsprechen die Zuschauermassen einem unsichtbaren Gott, vor dem soziale Handlungen bezeugt werden. So tritt das Fernsehen in die Rolle des sekundären Sinnproduzenten; die Fernsehunterhaltung entspricht folglich den religionsäquivalenten Praktiken von Beichte und Vergebung sowie von Wunder und Magie. Zudem dient die Fernsehunterhaltung laut Bente (1997:34/71) als Vorlage für realitätsgerechte Handlungskonzepte, indem es Verhaltensnormen diskutiert, die den Zuschauer dazu anregen, sein Verhalten mit den präsentierten Verhaltenskonzepten abzugleichen. Besonders deutlich wird die Autorität des Fernsehens in Sachen Lebenshilfe beim Unterhaltungsangebot der „Call-in Show“ (Domian:1995:25), welche nicht nur über das Denken und Handeln anderer Menschen informiert und Identifikationsmöglichkeiten bietet, sondern oftmals auch „den ersten Schritt zur Selbsthilfe“ darstellt. Als Fazit der Abschnitte 3.2.2.1 bis 3.2.2.3 kann festgehalten werden: Unterhaltung dient der Lebens- und Umweltorientierung, der Stimmungsregulation und des Erlebens einer ungefährlichen, verantwortungsfreien Erfahrungssituation. Aufgrund dieser Funktionen ist die Unterhaltung für den Zuschauer von generellem Wert. Unterhaltung ist als Qualität einzustufen, sobald sie dem Rezipienten im Sinne Göpferts (1993: 100) nützt, sich in seiner spezifischen Lebensumwelt zu orientieren. Da sich zudem zeigte, dass es eine strikte Trennung von Unterhaltung und Information nicht gibt, hat Unterhaltung daher prinzipiell auch für den Bereich der Informationssendungen bzw. der Fernsehnachrichten ihren Wert. Daneben stelle sich bei der Literaturrecherche heraus, dass es zahlreiche Medienwissenschaftler und –praktiker gibt, die in der Unterhaltung eine Qualitätsanforderung sehen [Vergleiche hierzu: (Albers:1992:32), (Scheider:1996:20), (Chmelir:1996:32)]. Folglich soll die Unterhaltsamkeit eines Filmberichtes als Bestandteil der Informationsqualität im Rahmen der eben (in den Abschnitten 3.2.2.1 bis 3.2.2.3) dargestellten Unterhaltungs- Funktionen bewertet werden.
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III.
KAPITEL
UNTERHALTUNG ALS QUALITÄTS- KOMPONENTE DES FILMBERICHTS |
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3.2.3 |
Zum Unterhaltungscharakter der Fernsehnachrichten von 1950 bis 1990 |
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Der Unterhaltungscharakter der Nachrichten zeigte sich bereits in den ersten Ausgaben der Tagesschau |
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Die Studiogestaltung, die Nachrichtenpräsentation, sowie
nachrichtliche Filmberichte weisen Unterhaltungselemente auf |
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Die privaten Anbieter näherten sich in ihrer Nachrichtenpräsentation den öffentlich-rechtlichen Anbietern an |
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Huh
(1996) beweist durch seine Analyse, dass die Fernsehnachrichten sich seit jeher
unterhaltender Elemente bedienten, die er als „Aufmerksamkeitsstrategien“
bezeichnet. Diese wurden innerhalb von drei Phasen ausgebaut und perfektioniert.
So sieht Huh (1996:19/20) in der Entwicklung eines thematischen Spannungsbogens
eine Aufmerksamkeitsstrategie, wobei sich dieser Prozess innerhalb der ersten
Phase des Fernsehens vollzog. Während dieser Zeit galt es, sich eine eigene
Identität gegenüber dem Kino zu schaffen. Die 1952 eingeführte
„Tagesschau“ diente in diesem Kontext als „Trailer“ für das
„Gesamtkunstwerk Fernsehen“. Dabei hofften die Programmmacher mittels der
Gestaltung der Nachrichtensendung, das Zuschauerinteresse für den folgenden
Fernsehabend zu wecken. Es folgte ein kostenintensiver Ausbau der
Informationsvermittlungsstruktur, hinter dem sich nach Ansicht Huhs (1996:76)
bereits der Unterhaltungscharakter der Tagesschau verbirgt, da dies allein
geschah, um den Ansprüchen einer neuen Zielgruppe zu genügen. Als weiteres
Mittel der Unterhaltungsstrategie nennt Huh (1996:78) die Live-
Berichterstattung und die Betonung des „Menschlichen“ in der frühen
Tagesschau (Huh:1996:81/82). Im Jahr 1960 erfolgte bei der Tagesschau ein
radikaler Paradigmenwechsel – eine Abkehr vom Sensationellem und Dramatischen.
Als nunmehr neue Strategie schuf sich die Tagesschau ihr eigenes Themenspektrum,
welches sich seitdem auf die „hohe“ Politik konzentriert und das „objective
reporting“ zum Ziel hat (Huh:1996:85/91). Das Hinzutreten des ZDF und der
Nachrichtensendung „heute“, konzipiert als Konkurrenzprodukt zur
„Tagesschau“ im Jahr 1963, kennzeichnet die zweite Phase des Fernsehens. Das
Konzept der „heute“- Sendung, sich mit der Einführung von Softnews zur
Entspannung und der Darstellung einer „journalistischen Werkstatt“
(Huh:1996: 129/131) gegenüber der Tagesschau zu profilieren, scheiterte zunächst.
Nach zweimaliger Konzeptänderung bewährte sich „heute“ schließlich durch
den vorgezogenen Sendungsbeginn, den Verzicht auf die Werkstattatmosphäre, den
einheitlichen Hintergrund und die Einblendung von Landkarten (Huh:1996:132). Mit
der Einführung des Nachrichtenkanals CNN wurde nach Huh (1996:142) eine weitere
Aufmerksamkeitsstrategie im Nachrichtengenre wirksam, die Schnelligkeit. Die
dritte Phase des Fernsehens ist gekennzeichnet durch das Hinzutreten der
privaten Sender im Jahr 1985.
Dabei
setzten die privaten Nachrichtenanbieter SAT1 und RTL - wie ehedem das ZDF - auf
den Kontrast (Huh:1996:180) zu den öffentlich-rechtlichen Anbietern und
betonten den Unterhaltungscharakter durch den Einsatz von Quizeinlagen, einer (Doppel)Moderation
im „Plauderton“ und durch die Verwendung von Telepromptern (Huh:1996:180).
Das Unterhaltungskonzept führte in Verbindung mit dem zu Beginn nicht
vorhandenen Korrespondentennetz (Huh:1996:149) jedoch bei den Zuschauern zum
Eindruck, den privaten Nachrichtenanbietern mangele es an Glaubwürdigkeit. Dies
führte nach Bruns (1997:190) und Wittwen (1995:205) zu einer Zurücknahme der
visuellen Unterhaltungsmerkmale bei den privaten Nachrichtenanbietern bezüglich
der Studiogestaltung und Kleidung der Moderatoren. Nach
den Analysen von Wittwen (1995) enthalten Nachrichtensendungen jedoch nach wie
vor unterhaltende Elemente. Wittwen (1995:205f.) stellt heraus, dass die
unterhaltsame Aufbereitung von Informationen mittels des auditiven und des
visuellen Kanal sowie verbaler und nonverbaler Zeichensysteme bestimmt wird. Zu
den auditiven Unterhaltungsmerkmalen zählt Wittwen die sprachlichen Strategien
der Emotionalisierung, die sich in umgangssprachlichen Wendungen, in
Superlativen, Metaphern, Ellipsen, Doppelpunktkonstruktionen und in Ausrufe- und
Fragesätzen äußern3.
Bruns (1997:184) stellt heraus, dass die formale Gestaltung der Sendung die „äußere
Attraktivität“ einer Nachrichtensendung bestimmt und damit beim Publikum ein
Gefühl von Nähe und Vertrauen auslöst. Wichtig ist in diesem Kontext die
„Corporate identity“, welche sich in den vereinheitlichten Schriftzügen, in
der farblichen Studiogestaltung sowie in den eingeblendeten Inserts zeigt. Als
nonverbale Unterhaltungsmerkmale stuft Wittwen (1995:206) im visuellen Bereich
die Kleidung der Moderatoren und die Häufigkeit ihres Blickkontaktes zum
Zuschauer ein. Als
unterhaltende Elemente eines nachrichtlichen Filmberichtes nennt Wittwen
(1995:105) die dramaturgische Gestaltung eines Kurz- bzw. Hintergrundberichtes.
Diese zeigt sich nach Wittwen unter anderem in der Gestaltung der ersten
Sequenz(en) eines Filmberichtes (Filmeinstieg) sowie in einem markanten Schluss
(Filmausstieg). Ferner nennt Wittwen (1995:206) für den nachrichtlichen
Filmbericht als unterhaltende Stilmittel die Nachinszenierung von Bildern,
aktionsreiche (bewegte) Bilder und einen hohen Grad von Emotionalität, welcher
den Zuschauern einen Einblick in die Handlungsmotivationen aller Beteiligten ermöglicht.4
Hinzu
kommen close-ups, hektische Kamerabewegungen, schnelle Lichtwechsel, ungewöhnliche
Perspektiven, verkürzte Einstellungslängen sowie eine Ästhetisierung der
Bildinhalte durch den Einsatz von Archivaufnahmen und Filmtricks, wie etwa
Computeranimationen. Darüber hinaus ordnet Wittwen die musikalische Untermalung
des Filmmaterials den Unterhaltungscharakteristika zu. Wie
bereits in diesem Abschnitt erwähnt, verzichteten die privaten Anbieter auf
einige Unterhaltungselemente, um bei dem Zuschauer den Eindruck einer glaubwürdigen
und seriösen Nachrichtenpräsentation zu erwecken. So strahlte laut Bruns
(1997:190) und Wittwen (1995:205) das „Outfit“ der privaten Hauptnachrichten
(Vor- und Abspann, Studiogestaltung, Kleidung der Moderatoren) 1994 im Vergleich
zu 1986 erkennbar mehr Seriösität aus. Viele Extravaganzen der frühen Jahre
waren verschwunden, wohingegen das Gesicht der „Tagesschau“ im Jahr 1994 im
Vergleich zu 1986 nur „leicht geliftet“ worden war. Ein weiteres
Unterhaltungsmerkmal, das sich besonderer Beliebtheit bei den Privaten erfreut,
ist die Ausweitung der dialogischen und experimentellen Darbietungsformen, wie
zum Beispiel dem Reporterauftritt oder das Studiogespräch (Wittwen:1995:207).
In seinem Fazit zur Gesamtentwicklung der Nachrichten stellt Bruns (1997:290)
fest, Infotainment finde in speziellen, meist neuen Sendungstypen statt, weniger
innerhalb der traditionellen Nachrichtensendungen. Nach Bruns Einschätzung ist
der Anteil der unterhaltenden Mittel, die in den Nachrichten zwischen 1986 und
1994 eingesetzt wurden, fast unverändert geblieben. Ferner sieht Bruns keine
Belege für einen durchgängigen und dramatischen Trend zur Popularisierung und
zum Infotainment. Betrachtet man den Rückgang der Human- Interest- Themen, den
Anteil an visualisierten Sprechermeldungen (Krüger:1998:77), so nähern sich
die Programme einander an, wobei sich die privaten Sender an das
Nachrichtenkonzept der öffentlich-rechtlichen Sender anglichen. Die
politikzentrierte Tagesschau gilt nach Ansicht Bruns (1997:190) für alle
Anbieter als eine Art Referenzmodell.
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III.
KAPITEL
UNTERHALTUNG ALS QUALITÄTS- KOMPONENTE DES FILMBERICHTS |
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Um herauszufinden, wie sich das duale System auf die Wettbewerbsstrategien der einzelnen Nachrichtenanbieter auswirkte, befragte Ralph Bartel (1997:76) im Frühjahr 1992 das Topmanagement sowie Nachrichten- Redakteure sechs bundesweiter Fernsehanbieter zu deren Strategien, um sich gegenüber den Konkurrenten zu profilieren. Ferner führte er eine inhaltsanalytische Studie der Hauptnachrichten von ARD, ZDF, SAT 1, RTL plus, Pro 7 und Tele 5 durch. Diese Studie von Bartel zeigt, dass jeder Nachrichtenanbieter trotz der Orientierung am „Referenzmodell Tagesschau“ (Bruns:1997:190) seine eigene (Unterhaltungs)strategie entwickelte, um damit das Informations- und Unterhaltungsbedürfnis einer speziellen Klientel zu bedienen. Um dies zu verdeutlichen, werden an dieser Stelle die Wettbewerbs- und Unterhaltungsstrategien von ARD, ZDF, SAT 1 und RTL vorgestellt. |
Wettbewerbs- und Unterhaltungsstrategien der
Nachrichtenanbieter in den neunziger Jahren |
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Zur
Strategie der ARD:
Seit dem Paradigmenwechsel im Jahr 1960 hält die Tagesschau am traditionellen,
erfolgreichen Konzept fest (Bartel:1997:88) und dient als „Aushängeschild“
des „Informationskanals“ ARD. Die „Tagesschau“ um 20 Uhr soll einen
umfassenden Überblick über die relevanten Ereignisse des Tages geben. Dies
geschieht strategisch in einer nüchternen und sehr komprimierten Präsentation
durch einen Sprecher. Die Zielvorgabe des Topmanagements spiegelt sich ebenfalls
in Bruns´ (1997:87) Analyse wider: Bezogen auf die Nachrichtensendungen hält
die ARD mit rund 65 Prozent politischer Themen ihre Spitzenreiterposition in
diesem Bereich. Komplementär dazu weist sie den geringsten Anteil an
boulevardesken Themen auf (Bruns: 1997:100), nämlich 9,2 Prozent. Das
weltumspannende Netz von Auslandskorrespondenten wird seitens des Topmanagements
als besondere journalistische Leistung eingestuft und soll trotz der hohen
Kosten beibehalten werden. Zur Gestaltung der Tagesschau vermerkt Bruns
(1997:184f.), es habe zwischen 1986 und 1994 keine Veränderung in der
Farbgestaltung und Ausleuchtung des Studios gegeben. Ungleich anderen
Nachrichtenanbietern wird die Nachricht noch immer vom Blatt abgelesen, wobei
die Gesichtszüge des Sprechers keine emotionale Beteiligung verraten. Diese Art
der Präsentation verstärkt – ganz im Sinne des 1960 fixierten Objektivitätsideals
- den Eindruck von Objektivität und Distanz zu dem Gesagten
(Reiche:1969:139fff.). Anzumerken ist hierbei, dass Huh (1996:99) hinter dieser
angestrebten „Objektivität“ eine unterhaltungsorientierte
Inszenierungsstrategie vermutet. In diesem Zusammenhang sei auf Ruhrmann
(1998:107) verwiesen, der zu bedenken gibt, dass die Zuschauer, da sie die
Kompetenz der Nachrichtenjournalisten nicht beurteilen können, über das
angenommene Image auf die faktische Qualität der Nachrichten schließen. Dies
erhärtet Huhs These, die von der Tagesschau zur Schau gestellte „Objektivität“
sei letztendlich eine Aufmerksamkeitsstrategie. Dass auch die Tagesschau trotz
der althergebrachten Art und Weise der Nachrichtenpräsentation im Zuge des
technologischen Fortschritts digitale Technik nutzt, verrät die
computeranimierte Weltkarte. Im Zuge der Wettbewerbsstrategien der Sender bleibt
das Sender – und Sendungslogo im gesamten Verlauf für den Zuschauer sichtbar. |
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Zur
Strategie des ZDF:
Gemäß den grundlegenden Überlegungen des ZDF- Topmanagements sollen die
ZDF-Nachrichten zum einen das öffentlich-rechtliche Fernsehsystem legitimieren;
zum anderen stellen Nachrichtensendungen wie „heute“ im internen Wettbewerb
der beiden öffentlich-rechtlichen Kanäle eine Angebotsdifferenzierung dar
(Bartel:1997:113). Im Bereich der Themenauswahl betrug der Anteil an Human-
Interest- Themen im Jahr 1994 12 Prozent; der Anteil der politischen Themen lag
bei rund 55 Prozent (Bruns:1997:100/88). Mit diesen Werten nimmt das ZDF bezüglich
einer unterhaltungsorientierten Themenauswahl eine mittlere Position zwischen
der ARD und den beiden Privatsendern SAT 1 und RTL ein. Ihr Anteil an
boulevardesken Themen liegt nahe 20 Prozent. |
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Zur
Strategie von SAT 1:
Nach Angaben der SAT 1 Topmanager sind die Hauptnachrichten wichtig, weil sie
stabile Zuschauerzahlen schaffen. Das Bestreben des Topmanagements sich „in
der Mitte“ zu positionieren (Bartel:1997:139/161), zeigt sich an der
durchschnittlichen Mischung der Nachrichtenthemen. Nach Bruns´ (1997:88/101)
Analyse wiesen die Nachrichtensendungen von SAT 1 im Jahr 1994 einen Anteil von
40 Prozent an politischen Themen auf und damit 10 Prozent weniger als noch im
Jahr 1991. Gleichzeitig wurde der Anteil an Human- Interest Themen im Zeitraum
1986 bis 1994 von 21,2 auf 17,3 Prozent gesenkt. Ansonsten zeichnet sich SAT 1
als der Wirtschaftssender nach dem ZDF aus. Bezüge auf wirtschaftliche Aspekte
kommen hier in 28,3 Prozent vor. Gleichzeitig fand eine Reduzierung des Sportes
innerhalb der Nachrichten von SAT 1 statt, was nach Bruns mit der Verlagerung
der Sportthemen in die sich an die Nachrichten anschließende Sportsendung
„ran“ zu erklären ist. Dabei geben sich die Nachrichten zuschauerorientiert
und sind bestrebt, aufzuzeigen, was die Ereignisse für den Zuschauer bedeuten.
Unterhaltungsmerkmale lassen sich im modernen Nachrichtenstudio ausmachen sowie
durch eine Personalisierung der Präsentation. Zudem wurde im Jahr 1992 noch großen
Wert auf die Sportberichterstattung gelegt. Bruns (1997:187) attestiert den SAT
1- Hauptnachrichten aufgrund seiner vergleichenden Studie eine Angleichung an
die öffentlich-rechtlichen Sender bezüglich der Nachrichtenvermittlung, der
Studiogestaltung und der Kleidung der Moderatoren. |
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Zur
Strategie von RTL:
Für die Hauptnachrichten „RTL-aktuell“ überlegte das RTL- Topmangagement
im Jahr 1992, sich mit einem differenzierten Angebot von den öffentlich-rechtlichen
Sendern abzuheben. Dabei sollten die Interessen jüngerer „einfacher“
Zuschauer besondere Berücksichtigung finden (Bartel:1997:163). Ferner galt im
Jahr 1992 ein hoher Anteil an Boulevardthemen, eine lockere Präsentation der
Nachrichten, ein hohes Ausmaß an Live-Schaltungen und der Gebrauch einer
einfachen, verständlichen Sprache als obligates Mittel zur
Angebotsdifferenzierung. Interessant sind in diesem Zusammenhang die
Beobachtungen Bruns´ (1997:88/101f.). Er stellte bei seinem 8-Jahres-Vergleich
fest, dass RTL- aktuell im Zeitraum von 1986 bis 1994 seinen Anteil an
Boulevardthemen von 25 auf 20, 2 Prozent gesenkt hatte. Dabei stieg der Anteil
an politischen Themen von 40 auf 50 Prozent. Ferner bescheinigt Bruns (1997:186)
den RTL- Nachrichten, sich in den neunziger Jahren zunehmend dem Sprach- und
Kleidungsstil von ARD und ZDF angepaßt zu haben und insgesamt seriöser und
offiziöser geworden zu sein. |
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III.
Kapitel
UNTERHALTUNG ALS QUALITÄTS- KOMPONENTE DES FILMBERICHTS |
|
Zuschauer bewerten die Nachrichten- Qualität aufgrund der Verläßlichkeit
der Informationen, der thematische Relevanz und der Verständlichkeit |
Zusammenfassend
lässt sich folgende Aussage treffen: Ausschlaggebend für die Nachrichtenqualität
aus Sicht der Zuschauer sind Vollständigkeit, Verläßlichkeit der
Berichterstattung, Seriösität, Relevanz der Themen und Glaubwürdigkeit
[Vergleiche hierzu auch (Hagen:1999:121)]. Zuschauer kritisieren in diesem
Kontext vor allem die SAT 1 - und RTL- Nachrichten, weil diese einen zu hohen
Anteil an Buntem und Vermischtem aufwiesen.
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Bewertung von Qualität und Unterhaltung korrespondiert mit der Nützlichkeit der präsentierten Nachricht für den Rezipienten |
Gemäß der Funktionsdifferenzierung der Anbieter bedient jeder Nachrichtenanbieter „sein“ spezielles Klientel |
3.2.4.4
FAZIT:
Unterhaltung als Qualitäts- Komponente
des Filmberichtes |
Die geringe Wertschätzung der Unterhaltung durch die Mehrheit des |
Dieser
scheinbar eindeutigen Wertung widerspricht jedoch ein teilweise abweichendes
Nutzungsverhalten. So stellten Darschin und Horn (1997:269) fest, dass die
Interessensbekundungen nicht mit der tatsächlichen Nutzung übereinstimmten,
was sich beispielsweise anhand der rückgängigen Nutzung der Fernsehnachrichten
bei gestiegenem Nachrichtenangebot nachweisen ließ. Zudem ergab Darschins
Umfrage, dass 40 Prozent der an Nachrichten interessierten Zuschauer eine
bestimmte Nachrichtensendung bevorzugen. Hierbei muß folgendes berücksichtigt
werden: Die Privaten stehen in der Gunst des unterhaltungsorientierten Zuschauer
höher als die öffentlich-rechtlichen Sender (Weischenberg:1995:267), wobei sie
auch als Nachrichtenanbieter auf konstante Nutzungszahlen verweisen können. Den
Spitzenplatz nimmt gemäß der Umfrageergebnisse mit einer beinahe konstanten
Zuschauerzahl um 9 Millionen (Zeitraum 1994 – 1997) die ARD- „Tagesschau“
ein. Gleichwohl können die Privaten mit ebenso konstanten Zuschauerzahlen während
dieser Zeitspanne aufwarten. So stieg sogar die Zahl der Zuschauer, die sich im
Zeitraum 1994 – 1997 (Media Perspektiven/ Basisdaten) „RTL aktuell“
ansahen, von 3,5 auf 4 Millionen Zuschauer. Die Anhängerschaft der SAT 1
Nachrichten betrug im genannten Zeitraum rund 2 Millionen. Diese konstanten
Nutzungszahlen korrespondieren mit Ruhrmanns Rezipientenprofilen, die ebenfalls
demonstrieren, dass bestimmte Bevölkerungsgruppen eine Vorliebe für die
Nachrichten bestimmter Anbieter aufweisen (Ruhrmann:1994:252). So wurden nach
Ruhrmanns Studie im Jahr 1988 die ARD-Nachrichten vorzugsweise von gebildeten
Rezipientengruppen gesehen. Die Nachrichten des ZDF fanden ihr Klientel vor
allem bei Zuschauerinnen mit geringerer Schulbildung. Die SAT 1- Nachrichten
waren Ende der achtziger Jahre besonders bei jungen Zuschauern mit geringer
Schulbildung beliebt. Auch wenn diese Profile durch Ruhrmann zum Ende der
achtziger Jahre gemacht wurden, zeigen sie, dass es bei den Nachrichtenanbietern
eine „Nischenbildung“ gegeben hat, die, betrachtet man die konstanten
Nutzungszahlen und die leicht divergierenden Wettbewerbsstrategien der Sender,
heute immer noch gilt. Diese Annahme korrespondiert mit der Aussage von
Weischenberg (1995:270), der bezüglich der politischen Informationsangebote von
einer „Funktionsdifferenzierung zwischen
öffentlich-rechtlichen und privaten Anbietern“ spricht, sowie der Einschätzung
Ruhrmanns. Ruhrmann (1998:108) geht davon aus, dass die vermehrten Auswahlmöglichkeiten
zu einer Spezialisierung der Zuschauerpräferenzen geführt hat und man nicht
mehr von einem einheitlichen Interesse eines Publikums ausgehen kann. Hieraus
ergibt sich folgende Problematik in bezug auf die Bewertung von Unterhaltung und
Qualität der Nachrichten aus Zuschauersicht: Das informationsorientierte
Publikum schlechthin, welches insgesamt eine unterhaltsame Präsentation
ablehnt, gibt es nicht. Auch wenn die wenig unterhaltsame Art der
Informationsvermittlung der ARD bei der Mehrheit der Zuschauer Anklang findet,
so zeigen die konstanten Nutzungszahlen der Nachrichtensendungen anderer Sender,
dass auch diese bestimmten Qualitäts- und Unterhaltungsansprüchen ihrer
Zuschauer gerecht werden. Hier zeigt sich, wie bereits in der Definition
der Qualität besprochen, die subjektive Qualitätskomponente. Die
Informationsqualität ist kognitions- und empfängerbezogen (Hagen:1999:120).
Sie muß dem Rezipienten in seinem speziellen Lebensumfeld Nutzen bringen, ihm
Orientierung bieten [vergleiche hierzu auch (Göpfert:1993:100)]. Die Definition
der Qualität und der Unterhaltung (vergleiche Abschnitt 3.2.4.3) als „Nützlichkeit“
korrespondiert auch mit Ruhrmanns Profilstudie der Rezipienten
(Ruhrmann:1994:252) sowie mit der Funktionsdifferenzierung der
Nachrichtenanbieter (Weischenberg:1995:270). Dem
Umstand, dass die unterhaltende Nachrichtenpräsentation einen gewissen Anteil
der Zuschauer zur regelmäßigen Nachrichtenrezeption „verführt“
(Bruns:1997:144), gleichwohl aber die Mehrheit des Publikums Unterhaltung in
Nachrichtensendungen ablehnt, soll innerhalb des Codierbogens Rechnung getragen
werden. Zum
besseren Verständnis dieser Aussage sei an dieser Stelle ein Beispiel gegeben,
wobei eine ausführliche Erläuterung zur Bewertung der Unterhaltung im
Abschnitt 4.3.3 erfolgt. Bei Abschnitt 4.3.3 handelt es sich um die
Unterdimension „Individuelle Relevanz“, in welcher die Unterhaltsamkeit
eines Filmberichtes als Komponente der Qualität bewertet werden wird. Sollte
zum Beispiel ein Filmbericht einen Sachverhalt/ eine Problematik anhand einer
Person darstellen (damit tritt der Human- Interest- Faktor
„Personalisierung“ in Erscheinung), erhält der Filmbericht hierfür 1
Punkt, was der geringsten Punktzahl entspricht, die vergeben werden kann. Zum
Vergleich: Andere Qualitätsmerkmale eines Filmberichtes, etwa in der Dimension
Richtigkeit, werden mit 4 Punkten bewertet. Die geringe Punktzahl, die die
einzelnen Unterhaltungskriterien eines Filmberichtes im Falle ihres
Vorhandenseins bekommen, berücksichtigt die ambivalente Bewertung der
Unterhaltung durch die Zuschauer. |
3 Ähnliche Stilmittel werden laut Sauer (1997:134) auch in den boulevardesken NRW-Magazinen „Aktuelle Stunde“ (WDR), „Regional Report“(SAT.1), „Guten Abend RTL“(RTL) eingesetzt. Hierzu zählen die Personalisierung von Geschichten, das Vorkommen emotionaler Bildsequenzen, die Bevorzugung sogenannter „Human-Interest-stories“ und eine überraschende Dramaturgie . |
4
Vergleiche
hierzu auch Sauer (1997:132f.), welche dieselben Stilmittel in den Beiträgen
der boulevardesken Regionalmagazine vorfand. |
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IV. |
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