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    der Magisterarbeit

 

 

 

 

ÜBERSICHT

DISKUSSION DER DIMENSION RELEVANZ  

4.3.1 

Diskussion der Dimension Relevanz unter Berücksichtigung der Nachrichtenwert- Theorie  

 

4.3.1.1

Vorstellung und Diskussion der Nachrichtenwert- Theorie  

4.3.1.2

Die zwei wichtigsten Argumente gegen die Nachrichtenwert- Theorie (NW-Theorie)  

4.3.1.3

Die Nachrichtenwert- Theorie als Grundlage zur Qualitätsbewertung der Relevanz  

4.3.2

Die Unterdimension „Externe Relevanz“  

4.3.2.1

Der Nachrichtenfaktor „Reichweite“ als Qualitätsvariable  

4.3.2.2  

Der Nachrichtenfaktor „Soziale Position“  als Qualitätsvariable  

4.3.2.3 

Der Nachrichtenfaktor „Irrevisibilität“ als Qualitätsvariable  

4.3.2.4  

Der Nachrichtenfaktor „Räumliche Nähe“ als Qualitätsvariable  

4.3.2.5  

Der Nachrichtenfaktor „Negativität“/ „Positivität“ als Qualitätsvariable  

 

4.3.3   

Die Unterdimensionen „Individuelle Relevanz“ 

 

4.3.3.1

Der Nachrichtenfaktor „Humor“ als Qualitätsvariable  

4.3.3.

Die Nachrichtenfaktoren „Überraschung/ Kuriosität“ als Qualitätsvariable

4.3.3. 3 

Der Nachrichtenfaktor „Personalisierung“ als Qualitätsvariable  

4.3.3.4 

Der Nachrichtenfaktor „Prominenz“ als Qualitätsvariable   

4.3.4 

Die Unterdimension „Service“  

4.3.5

Die Unterdimension Interne Relevanz  

4.3.6 

Gewichtung und Gesamtbewertung der Dimension Relevanz  

 

 

4.3

DISKUSSION DER DIMENSION RELEVANZ  

4.3.1

Diskussion der Dimension Relevanz unter Berücksichtigung der Nachrichtenwert- Theorie

Relevanz ist relational und steht im direkten Zusammenhang mit  der vom Rezipienten empfundenen Nützlichkeit für sein (Über)leben  

Die Qualität der Relevanz ermitteln Qualitätsforscher mit Hilfe der Nachrichtenwert- Theorie      

Bei der einführenden Präsentation von Ragers Dimension Relevanz im Abschnitt 2.3.2.2 wurde bereits deutlich, dass Relevanz sich auf die Bedeutsamkeit eines Themas bezieht, wobei in der Regel Informationen bearbeitet werden, die Journalisten als wichtig einstufen. Bei der Erläuterung des Vielfaltsgrundsatzes (innerhalb der Variablen „Ausgewogenheit“ in Abschnitt 4.2.3 ) wurde bereits ein wesentlicher Widerspruch innerhalb der Fernsehnachrichten evident, auf den sich auch Kamps und Meckel (1998:24f.) beziehen. Zum einen hegen die Nachrichtenredakteure den Anspruch, die Zuschauer über die Bereiche der Innenpolitik, Außenpolitik, Wirtschaft, Sport, Medizin, Kultur und weitere Sachgebiete umfassend zu informieren. Dem stehen jedoch die Themen- und Aspektselektion entgegen. Dies bedingt, dass über bestimmte Themen nur sporadisch berichtet und bestimmte Zusammenhänge nur skizzenhaft vorgetragen werden. Kamps und Meckel sehen daher im Nachrichtenjournalismus ein Leistungssystem, welches seine Umwelt aufmerksam, aber schematisch beobachtet, um die Komplexität zu reduzieren und so dem Zuschauer aus der Vielzahl der möglichen Themen solche zu präsentieren, die für ihn im Sinne von Ruhrmann (1989:19) und Albers (1992:60) „signifikant“ (bedeutsam) sind. Die Journalisten sind folglich diejenigen, die stellvertretend für die Gesamtheit der Gesellschaftsmitglieder soziale Relevanz definieren, weil sie zu wissen glauben, dass das Ereignis nicht nur für sie selbst, sondern auch für die Rezipienten ähnliche Folgen und Konsequenzen haben kann. Auch Luhmann (1996:56) bezieht sich auf die schematische Beobachtung der Umwelt durch die Journalisten und spricht in diesem Zusammenhang von einer „unvermeidlichen , aber auch gewollten und geregelten Selektivität“ . Die Regelhaftigkeit, nach der zu publizierende Informationen ausgewählt werden, trägt wohl zu Luhmanns Aussage bei, dass die Nachrichtenselektion keine „Freiheit der Auswahl“ bedeute (Luhmann:1996:58).

 Um eine tiefergehende Erklärung für die Hintergründe der „unvermeidlichen, aber auch gewollten und geregelten Selektivität“ bemühen sich Schatz/ Schulz (1992:697) und Shoemaker (1996:32f.). Sie sehen die publizistischen Leistungen des Fernsehens in der Selbst- und Fremdbeobachtung der gesellschaftlichen Systeme, wobei ein Abweichen vom Normalzustand ein Relevanzgewinn bedeutet, weil dies unter Umständen eine Struktur- oder Leistungskrise anzeigt. Shoemaker vergleicht die Beobachtungsfunktion der Journalisten mit Tierpopulationen, bei denen manche Tiere als Wächter abseits der Herde stehen und „Alarm“ geben, wenn in der Umgebung Störungen auftreten. Damit erfüllen Journalisten durch ihre Funktion als Beobachter und Informationsgeber laut Shoemaker den Wunsch der Gesellschaftsmitglieder, die Bedrohungen ihrer Umgebung aufzudecken. Hagen (1995b:158) setzt folglich die Relevanz einer Information in Beziehung mit ihrer Nützlichkeit für den Rezipienten.

 

Nach Schatz/Schulz (1992:696) entsteht Relevanz dadurch, dass eine Thematik die Befindlichkeit oder Lebenslagen von Individuen oder sozialen Gruppen berührt, wobei der präsentierte Sachverhalt im subjektiven Wahrnehmen der Individuen wichtige Werte, Bedürfnisse und Interessen, Meinungen und Einstellungen tangiert. Der Nachrichtenforscher Ruhrmann (1989:19f.) stellte in diesem Zusammenhang fest, dass die Relevanz eines Themas mit den Erwartungen korreliert sowie mit den Interessen und dem Wissen. Das Vorwissen über einen Sachverhalt ist nach Ruhrmann (1989:20) insofern wichtig, da es dem Zuschauer ermöglicht, den neuen Sachverhalt mit den vorhandenen Gedächtnisinhalten zu verbinden. Damit ist ein Sachverhalt nie an sich oder aus sich heraus relevant, sondern nur in Bezug auf den Rezipienten. Relevanz ist folglich ein relationaler Begriff, wobei die subjektiv empfundene Bedeutsamkeit von Informationen – und damit das Qualitätsniveau – im direkten Zusammenhang steht mit der vom Rezipienten wahrgenommenen Nützlichkeit für sein eigenes Leben. [Vergleiche hierzu auch die Medienwirkungsvorgänge, wie sie in Abschnitt 2.2.3 bei der Erläuterung des dynamisch- transaktionalen Modells beschrieben sind.] Interessant ist hierbei auch, dass der Aspekt der Nützlichkeit auch entscheidenden Einfluss auf die subjektiv wahrgenommene Qualität der Unterhaltung hat, die in dieser Arbeit als Bestandteil der Information gesehen wird [Vergleiche hierzu Abschnitt 3.2.4.3.] Der Aspekt der Nützlichkeit ist im Hinblick auf die qualitative Bewertung von Unterhaltung/Information sowie der Relevanz für diese Arbeit von großer Bedeutung. Das geltende Prinzip für die Auswahl relevanter Nachrichtenbeiträge lautet frei nach Sturm (1996:97) „Present news the spectator can use“.

 

Das Gesagte lässt sich anhand des Beispieles über den Tod zweier prominenter Personen verdeutlichen. Die Medien berichteten sowohl vom Tod des Prominenten Diether Krebs (der Schauspieler starb im Januar 2000) als auch vom Tod von Prinzessin Diana (im September 1997). Dabei löste der Tod der Prinzessin ein ungleich größeres Medienecho aus als der Tod von Diether Krebs. Das unterschiedliche Ausmaß, mit der die Medien über den Tod der beiden Prominenten berichteten, düfte wohl mit der von den Journalisten unterschiedlich eingestuften Bedeutsamkeit/ Nützlichkeit für die Lebensorientierung der Rezipienten zusammenhängen. So sieht der Feuilletonjournalist Holger Kreitling (Die Welt:1998:G1) in der Person der Prinzessin einen modernen Mythos. Nach Kreitling galt die Prinzessin bei vielen Menschen als „Trägerin von Emotionen und Gefühlen“, die sich in „der kalten und rationalen Welt“ um Liebe und Glück kümmerte und damit zur Heldin und zum Vorbild für viele Menschen wurde. In ihrer Funktion als moderne mythische Figur war Prinzessin Diana vielen nützlich. Daher wurde der Tod der Prinzessin ungleich höher in den Medien reflektiert als der Tod des Schauspielers Diether Krebs, der für die Rezipienten ein geringeres Identifikationspotential enthielt.

  Diskussion der Dimension Relevanz

   

Um das Relevanzniveau eines Ereignisses zu bestimmen, differenzieren Schatz und Schulz (1992:696f.) in Anlehnung an die Nachrichtenwert- Theorie (die im folgenden Abschnitt vorgestellt wird) zwischen dem Relevanzniveau und der Relevanzebene. Dabei korrespondieren und ergänzen sich das Relevanzniveau und die Relevanzebene. Das Relevanzniveau entspricht sowohl quantitativen als auch qualitativen Faktoren, die den sogenannten Nachrichtenfaktoren entsprechen5. Dazu zählen Schatz und Schulz zum Beispiel die Zahl derjenigen, die von einem Ereignis betroffen sind. Je größer die Zahl der Betroffenen, desto höher ist das Relevanzniveau. Auch qualitative Faktoren sind nach Schatz/Schulz dazu geeignet, das Relevanzniveau zu erhöhen. Je größer die Anzahl von qualitativen Faktoren (wie zum Beispiel „soziale Position“, „emotionale Nähe“ „Zentralität der berührten Werte“), die ein Ereignis in sich vereinigt, desto größer ist das Relevanzniveau des Ereignisses. Wie eben bereits gesagt, korrespondiert das Relevanzniveau mit der Relevanzebene. Die Relevanzebene wird gebildet anhand der Betroffenheitsgruppen, wobei Schatz/Schulz zwischen der Makro-, Meso- und Mikroebene unterscheiden. Die Makroebene steht für die gesamtgesellschaftliche Relevanz. Die Mesoebene wird gebildet aus den sozialen Gruppen, Organisationen und Institutionen in Wirtschaft, Politik; Kultur und Wissenschaft. Schatz und Schulz setzen sie daher gleich mit der institutionellen Relevanz. Die unterste Relevanzebene stellt die Mikroebene dar, die Schatz und Schulz (1992:697) Individualebene nennen. Mit den drei verschiedenen Relevanzebenen korrespondieren sogenannte Nachrichtenfaktoren, die der Nachrichtenwert- Theorie zugerechnet werden.

 

An dieser Stelle ist auf das eben gewählte Beispiel von Diana und Diether Krebs zurückzukommen. Würde man die Nachrichten vom Tod der beiden Personen vergleichen, würde das Ereignis um Diana wahrscheinlich mehr quantitative und qualitative Nachrichtenfaktoren in sich vereinigen und dadurch ein höheres Relevanzniveau erreichen. Dieses höhere Relevanzniveau der Prinzessin im Vergleich zu dem deutschen Schauspieler Krebs erklärt wiederum das unterschiedliche Medieninteresse. An dieser Stelle soll aber nicht weiter vorgegriffen werden, da die Nachrichtenwert- Theorie und mit ihr die Nachrichtenfaktoren in den folgenden Abschnitten vorgestellt werden.

 

Qualität zeigt sich nach Rager (1994:198) und dem Verband der Lokalpresse (1996:4) in der Dimension Relevanz durch eine professionelle und wenig willkürliche Auswahl, wobei Rager, wie schon Schatz und Schulz die Qualität der präsentierten Themen und damit die Relevanz mittels der Nachrichtenwert- Theorie bestimmen. Der Gedanke dahinter: Eine Themenauswahl, die sich an der Nachrichtenwert- Theorie orientiert, führt mit hoher Wahrscheinlichkeit zur Präsentation von Themen, die einen Großteil der Zuschauerschaft interessiert. Die Ausführungen von Tagesschau- Redakteur Michael Abend (1975:185), Straßner (1982:58), Bräuning (1994:166) sowie die in Lehrbüchern (z. B. Sturm:1998:198) zu findenden Handlungsanweisungen zeigen das Bemühen der Journalisten um die Auswahl von Sachverhalten, der wenigstens bei einem Teil der Rezipienten auf Interesse stößt.

 

Diskussion der Dimension Relevanz

 

Es stellt sich jedoch zum einen die Frage, ob das Bemühen um Relevanz tatsächlich zu einer im Sinne des Rezipienten relevanten Themenauswahl führt, denn die gesetzlichen Bestimmungen geben den Fernsehjournalisten für die Praxis keine Auswahlkriterien vor (Straßner:1982:72). Nach Hartley (1982:38f.) sind die Themen leicht auszumachen. Die nachrichtliche Berichterstattung Großbritanniens ist geprägt von Politik, Wirtschaft, Auslandsangelegenheiten, vom Inlandsgeschehen, von gelegentlichen Geschichten über die Königliche Familie sowie vom Sport. Hartley (1982:40) nimmt an, dass dieses Themenmosaik internationalen Gepflogenheiten entspricht. Dies bestätigt sich zum Beispiel durch die im Abschnitt 3.2.4.1 dargestellte Themenwahl der einzelnen deutschen Nachrichtenanbieter. Hartley (1982:58) bezweifelt jedoch, dass die Nachrichten mit den von ihnen ausgesuchten Themen wirklich alles über die Gesellschaft erzählen, wobei auch er in der Nachrichtenwert- Theorie die Basis der Nachrichtenselektion sieht. Der Medienforscher unterstellt den Fernsehnachrichten eine Diskrepanz zwischen dem, was berichtet wird, und den tatsächlichen Bedürfnissen der Gesellschaftsmitglieder einer Nation. Dabei kritisiert er jedoch nicht die Relevanz des Themas als solchem, sondern die Parteilichkeit und Subjektivität der Darstellung, was er durch die Analyse eines Filmberichtes untermauert (Hartley:1982:63-74). Hartley stellt damit trotz der von ihm unterstellten Diskrepanz zwischen der Themendarstellung und den Bedürfnissen des Zuschauers nicht explizit die Nachrichtenwert- Theorie in Frage.

 

Mit seiner These der politischen Einseitigkeit der Fernsehnachrichten bezieht sich Hartley jedoch indirekt auf die „News- Bias- Forschung“, einer Forschungstradition, die neben der Nachrichtenwert – Theorie und der „Gatekeeper- Forschung“ die Nachrichtenselektion – und damit die Relevanz der ausgewählten Themen – untersucht. Dabei sind die News- Bias- Forschung und die Gatekeeper- Forschung schon eher dazu angetan, die Relevanz der durch die Journalisten präsentierten Meldungen für die Rezipienten in Frage zu stellen.

 

Während die News- Bias- Forschung die Suche nach Ursachen für Einseitigkeiten und politische Tendenzen innerhalb der Medienberichterstattung fokussiert (Staab:1990:203), heben die Vertreter der Gatekeeper- Forschung auf die Filterfunktion durch die Journalisten ab. Nach Aussage des Nachrichtenforschers Staab (1990:202) analysiert die Gatekeeper- Forschung jene Faktoren, welche die journalistischen Selektionsentscheidungen beeinflussen. Studienergebnisse führten zur Erkenntnis, dass die journalistische Selektion von den individuellen Vorlieben des Journalisten abhängt. Zudem ist sie abhängig von der Situation und von institutionellen und strukturellen Faktoren. Laut Staab (1990:11f.), der eine breite Darstellung dieser Forschungstraditionen liefert, lassen sich zwischen den drei Forschungsrichtungen (Nachrichtenwert-Theorie, New-Bias- Forschung und Gatekeeper- Forschung) Querverbindungen und Überschneidungen nachweisen.

Da für die Qualitätsforschung einzig die Nachrichtenwert- Theorie von Bedeutung ist, soll diese vorgestellt werden, wobei in Abschnitt 4.3.1.2 auch die Schwachpunkte der Nachrichtenwert- Theorie anzusprechen sind.

 

 

 

     

 

   

Diskussion der Dimension Relevanz

4.3.1.1

Vorstellung und Diskussion der Nachrichtenwert- Theorie

Laut NW- Theorie sind Nachrichtenfaktoren Ereignismerkmale, welche die Journalisten dazu veranlassen, ein bestimmtes 
Ereignis zu thematisieren

Die Nachrichtenwert- Theorie (NW-Theorie) entwickelte sich voneinander unabhängig in den Vereinigten Staaten als auch in Europa. Dabei untersucht diese Forschungsrichtung die Nachrichtenauswahl und –gestaltung auf spezifische Eigenschaften und Qualitäten von Ereignissen (Staab:1990:203). Schulz (1976:30) zufolge ist der Nachrichtenwert eine journalistische Hilfskonstruktion zur Erleichterung der notwendigen Selektionsentscheidungen. Schulz (1976:175), der mit einer großangelegten Studie den „Wert“ von Nachrichten operationalisierte, bezeichnet die Nachrichtenfaktoren als „Strukturprinzipien der gesellschaftlichen Konstruktion von Wirklichkeit“ und schreibt ihnen damit eine Bedeutung zu, die über die reine Selektionsfunktion hinausgeht. Die NW- Theorie der USA geht zurück auf Walter Lippmann, der in den Nachrichtenfaktoren „objektive“ Ereignismerkmale sieht, welche darüber bestimmen, ob das Ereignis zur Nachricht wird (Staab:1990:203). Ferner beeinflussen Nachrichtenfaktoren in den Augen dieses Wissenschaftlers den Umfang und die Platzierung des berichteten Sachverhaltes. Staab wertet aus diesem Grund Lippmanns NW- Theorie als „apolitisch“. In den USA entwickelte sich ein ziemlich stabiler Katalog von sechs Nachrichtenfaktoren, darunter Unmittelbarkeit, Nähe, Prominenz, Ungewöhnlichkeit, Konflikt und Bedeutung. Zahlreiche experimentelle Studien bestätigten laut Staab (1990:204) das theoretische Modell der NW- Theorie und der Nachrichtenselektion aufgrund „objektiver“ Eigenschaften. In diesem Zusammenhang führt Staab (1994:54) die Studie des amerikanischen Wissenschaftlers Chaudhary an, der das Selektionsverhalten von 30 amerikanischen Journalisten mit dem von 30 indischen Journalisten verglich. Die Ergebnisse zeigten, dass beide Journalistengruppen die Publikationswürdigkeit der Schlagzeilen und Meldungen im Wesentlichen ähnlich beurteilten, jedoch einzelne Nachrichtenfaktoren unterschiedlich einstuften. Insgesamt wurden nach Chaudharys Meinung die interkulturelle Bedeutung und Gültigkeit von Nachrichtenfaktoren für die Nachrichtenauswahl nachgewiesen.

In Europa gilt Einar Östgaard als Begründer der NW- Theorie (Staab:1990:55/204). Östgaard entwickelte ein komplexes theoretisches Konzept, in dem er die verschiedenen Nachrichtenfaktoren zu Faktorenkomplexen zusammenfaßte. Dieser Ansatz wurde von Johan Galtung und Mari Homboe Ruge weiterentwickelt, indem sie zwischen zwölf Nachrichtenfaktoren unterschieden (Staab:1990:62f.). Als Nachrichtenfaktoren gelten nach Galtung/ Ruge: Frequenz, Aufmerksamkeitsschwelle, Eindeutigkeit, Bedeutung, Konsonanz, Überraschung, Kontinuität, Variation, Bezug zu Elite- Nationen, Bezug zu Elite- Personen, Personalisierung und Negativität. [siehe hierzu: (Staab:1990:59), (Hartley:1982:78f.).]

   

Bezüglich der Nachrichtenfaktoren stellten Galtung und Ruge fest, dass diese zusammenhängend wirken, wobei die Wissenschaftler die Art des Zusammenwirkens in fünf Hypothesen zusammenfassen. Dies sind die Selektions- , die Verzerrungs-, die Wiederholungs-, die Additivitäts- und nicht zuletzt die Komplementaritätshypothese. Zu den zwei wichtigsten Hypothesen zählt die Additivitätshypothese, welche besagt, dass mit der zunehmenden Zahl an Nachrichtenfaktoren, welche auf ein Ereignis zutreffen, seine Chancen steigen, innerhalb der Berichterstattung berücksichtigt zu werden. Erwähnung finden soll auch die Komplementaritätshypothese, die davon ausgeht, dass ein fehlender Nachrichtenfaktor durch einen anderen Faktor kompensiert werden kann.

 


            

                                              Diskussion der Dimension Relevanz

 

 

4.3.1.2

Die zwei wichtigsten Argumente gegen die Nachrichtenwert- Theorie (NW-Theorie)  

Nachrichtenfaktoren sind nicht Ursache (Kausalmodell), sondern Wirkung von journalistischen Publikationsentscheidungen (Finalmodell) 

Aus der konstruktivistischen Perspektive taugen Nachrichtenfaktoren bzw. die NW- Theorie nicht zur Erklärung journalistischer 

Selektionsentscheidungen  

Die hohe Plausibilität der NW- Theorie ist Weischenberg (1995:176) zufolge zugleich eine Schwäche, da sie suggeriert, das hochkomplexe Feld der Wirklichkeitskonstruktion erfassen zu können. Laut Staab (1990:123/209) erhebt die NW- Theorie den Anspruch, die Kriterien der Nachrichtenselektion sowohl in Bezug auf die Gesamtberichterstattung als auch auf etablierte Themenbereiche zu beschreiben, wobei diese Auffassung mit dem Kausalmodell korrespondiert. Das Kausalmodell geht davon aus, dass Nachrichtenfaktoren als Ereignismerkmale Ursachen von journalistischen Selektionsentscheidungen sind. Damit erweist sich das Kausalmodell als apolitisch. Das Kausalmodell versteht die Nachrichtenauswahl als Reflex auf die einzelnen Realitätsaspekte. Die News- Bias- Forschung hat jedoch laut Staab gezeigt, dass die Nachrichtenauswahl zum Teil einseitig ist und Journalisten bewusst oder unbewusst politisch handeln.

 

Das Finalmodell versteht dagegen die Nachrichtenauswahl als zielgerichtetes journalistisches Handeln zur Erreichung und Unterstützung bestimmter Ziele oder Zwecke, wobei dieses Modell nicht so sehr von einer natürlichen Relevanz ausgeht. Daher führte Staab zwei Inhaltsanalysen durch, um zu prüfen, ob sich  das Kausalmodell der NW – Theorie verallgemeinern ließe, oder ob eine finale Betrachtungsweise nicht angemessener sei. Ferner überarbeitete er den Katalog von Galtung und Ruge und differenzierte in seiner zweiten Studie zwischen zwanzig Nachrichtenfaktoren.

 

In einem ersten Schritt untersuchte Staab die Bedeutung der Nachrichtenfaktoren in der politischen Gesamtberichterstattung der Massenmedien, wobei er zwischen nationalen und internationalen Nachrichten unterschied. In der zweiten Untersuchung analysierte der Wissenschaftler Staab die Bedeutung der Nachrichtenfaktoren in der Konfliktberichterstattung der Massenmedien.

 

Die Ergebnisse der ersten Untersuchung sprachen insgesamt für eine ziemlich große Erklärungskraft des Kausalmodells der NW- Theorie, da Umfang und Platzierung einen deutlichen Bezug zu den Nachrichtenfaktoren aufwiesen (Staab:1990:211). Dabei konnte das Kausalmodell der NW- Theorie die Nachrichtengebung über öffentliche Konflikte nach Ansicht Staabs besser erklären als die politische Gesamtberichterstattung. Die einschränkende Feststellung, dass das Kausalmodell bei verschiedenen Themenbereichen an Erklärungskraft verlor, war für Staab (1990:212f.) ein ebenso bedeutendes Argument für die Gültigkeit des Finalmodells. Nach Staabs Annahme führten daher nicht mehr die ereignisimmanenten Nachrichtenfaktoren zu einer umfangreichen Berichterstattung. Vielmehr vermutete Staab, dass die Entscheidung der Journalisten für eine umfangreiche Berichterstattung das Vorkommen zahlreicher Nachrichtenfaktoren mit sich bringt. Da Staab keins der beiden Modelle endgültig verifizieren noch falsifizieren konnte, gelangte er schließlich zur Auffassung, das Finalmodell erweise sich in gleicher Weise zur Erklärung der Nachrichtengebung geeignet, wie das Kausalmodell (Staab:1990:213). Abschließend äußert sich Staab (1990:214) folgendermaßen:

 

„Deshalb muß die Frage offen bleiben, ob „objektive“ Nachrichtenfaktoren, institutionelle Prozesse (z. B. Einflussnahmen des Verlegers oder des Chefredakteurs), strukturelle Vorgaben (z. B. Raum- bzw. Zeitmangel) oder subjektive Kriterien (z. B. Wertsystem oder Einstellungen) die Entscheidungen von Journalisten, über ein Ereignis überhaupt zu berichten, steuern und in welchem Verhältnis die verschiedenen potentiellen Einflußgrößen zueinander stehen.“

   

Ähnlich beurteilt Christiane Eilders (1997:267), die anhand der NW- Theorie den Zusammenhang von Nachrichtenfaktoren und Rezeption untersucht, den Gütigkeitsanspruch des Kausalmodells der NW- Theorie. Für Eilders erhebt das Modell nicht den Anspruch, die Kriterien menschlicher Informationsverarbeitung vollständig zu erklären. Vielmehr vertritt Eilders (1999:53/55) die Ansicht, es gebe im Zusammenhang mit den Nachrichtenfaktoren keinen Selektionsautomatismus. Die Selektionsentscheidungen geschähen entlang den Nachrichtenfaktoren. Zudem spiegelt sich in der NW- Theorie ein Konsens über Selektions- und Interpretationsentscheidungen, die nach Meinung Weischenbergs (1995:176) einen Effekt der Verschränkung zwischen sozialen, institutionellen und personalen Faktoren darstellen.

 

Diskussion der Dimension Relevanz

 

Weiterhin sieht der Nachrichtenforscher Ruhrmann (1989:26) eine Korrelation der Nachrichtenfaktoren mit dem Bewußtsein der Rezipienten, da es anscheinend geformt sei durch die Nachrichtenwertkriterien der Massenmedien. Die eben skizzierte Diskussion zeigte, dass trotz des Streits um die Gültigkeit von Kausal- oder Finalmodell die Nachrichtenwert- Theorie weiterhin als brauchbares Erklärungsmodell für Selektionsentscheidungen fungiert.

 

Darüber hinaus geriet die NW- Theorie aufgrund ihrer (erkenntnis)theoretischen Fundierung in die Diskussion. In diesem Zusammenhang halten Nachrichtenforscher, darunter auch Schulz (1976: 27f.) eine theoretische Neuorientierung für notwendig. Schulz (1976:28) fordert in diesem Zusammenhang die Aufgabe der „Abbildtheorie“ (und damit die Abkehr vom naiven Realismus). Aus der Lektüre von Schulz` Schriften resultiert für Staab (1990:205) notwendigerweise eine andere Sichtweise der Nachrichtenfaktoren und eine Einschränkung des Geltungsbereiches der Nachrichtenwert- Theorie. Nachrichtenfaktoren, so Staab, entsprächen nach der „erkenntniskritischen“ Position von Schulz nicht mehr „objektiven Merkmalen von Ereignissen“. Vielmehr stellten sie „journalistische Hypothesen von Realität“ dar. Aus der Position von Schulz ergebe sich ferner, dass die Nachrichtenwert- Theorie nicht mehr zur Erklärung von Selektionsprozessen dienen könne. Diese Sichtweise entspricht jedoch nicht ganz der Position von Schulz (1976:30), der Nachrichtenfaktoren und den Nachrichtenwert von Ereignissen trotz seines „erkenntniskritischen“ Standpunktes mit Selektionsentscheidungen in Zusammenhang bringt, denn der

 

„Nachrichtenwert ist eine journalistische Hilfskonstruktion zur Erleichterung der notwendigen Selektionsentscheidung“ (Schulz:1976:30)

 

Scheinbar interpretiert Staab die Aussagen von Schulz im Sinne des Konstruktivismus, welcher davon ausgeht, dass Realität eine subjektive Konstruktion der Journalisten sei, wobei die faktische Realität von keinem Menschen (und folglich auch nicht von den Journalisten) erreicht werden könne, da sie einem unerreichbaren Horizont entspreche. Dieser erkenntnistheoretische Standpunkt würde Staabs These, dass die Nachrichtenwert- Theorie nicht den Selektionsprozess beschreibt, begründen. Der dahinterstehende Gedanke könnte in etwa lauten: Wenn die Realität eine subjektive Konstruktion des Journalisten ist, kann er folglich keine ereignisimmanenten (objektiven) Faktoren erkennen, da er keinen Zugriff auf die „unerreichbare“ faktische Realität hat. Solch einen konstruktivistischen Standpunkt nimmt Schulz jedoch durch seine Ablehnung des „Solipismus“ (Lehre, dass die Welt nur in der Vorstellung des Ichs existiert) nicht ein:

 

„Die Aussage, dass Realität nicht intersubjektiv verbindlich und medienunabhängig feststellbar ist, um als Prüfstein der Nachrichtenselektion zu dienen, bedeutet natürlich nicht, dass hier eine Art von kommunikationstheoretischem Solipismus das Wort geredet würde. [...] Aus der Aussage folgert nicht die Leugnung einer „objektiven Realität; aber wir nehmen an, daß der „wahre“ Charakter dieser Realität eine Hypothese ist, die man letzten Endes nicht falsifizieren und schon gar nicht verifizieren kann.“ (Schulz:1976:29)

 

Diskussion der Dimension Relevanz

 

Anhand dieser Textstelle kann Schulz´ Position eher in der Nähe des hypothetischen Realismus gesehen werden, da nach Ansicht von Schulz (1976:29) jeder Mensch mit dieser hypothetischen Realität umgeht; Journalisten tun dies sogar besonders erfolgreich:

 

„Wie auch immer das Verhältnis der Medienrealität zur faktischen Realität beschaffen sein mag, sicher ist, daß die Nachrichten von den Rezipienten in der Regel als verbürgte Zeugnisse des ´tatsächlichen Geschehens´ angesehen werden, daß sie also in ihren Wirkungen mit der Realität gleichzusetzen sind.“ (Schulz:1976:29)

 

Hier zeigt sich der Grundgedanke der Evolutionären Erkenntnistheorie bzw. des hypothetischen Realismus, dass dank der Evolution die subjektiven Strukturen menschlicher Erkenntnis größtenteils mit den objektiven Strukturen der Realität korrespondieren. [Vergleiche hierzu auch Abschnitt 4.2.1.2.] Gemäß dieser Auffassung, die der in dieser Arbeit vertretenen Realitätsauffassung entspricht, kann die NW- Theorie auch weiterhin als Erklärungsmodell für die Nachrichtenselektion eingesetzt werden.

 

 

 

   

Diskussion der Dimension Relevanz

4.3.1.3

Die Nachrichtenwert- Theorie als Grundlage zur Qualitätsbewertung der Relevanz  

Der Untersuchungsapparat basiert auf Schatz/ Schulzes Argumentation  zur Meßbarkeit von Relevanz 

Die Additivitäts- Hypothese von Galtung/ Ruge hat maßgebliche Bedeutung für die Qualitätsbewertung der Relevanz  

Es zeigte sich, dass keines der eben genannten Argumente wirklich gegen die Verwendung der NW- Theorie als Grundlage der Qualitätsforschung spricht; und auch Kamps und Meckel (1998:22f.) halten trotz ihrer Kritik am Nachrichtenfaktoren- Ansatz in Ermangelung einer operationalisierbaren Theoriealternative an der NW-Theorie fest. Eilders (1999:35/53) ist aufgrund ihrer Untersuchungen zum Verhältnis von „Nachrichtenfaktor – Rezipient“ von der Tragfähigkeit der NW- Theorie überzeugt. Sie (Eilders:1997:265) vertritt die Ansicht, dass Nachrichtenfaktoren die Relevanz eines Beitrages anzeigen und darüber hinaus in der Phase der selektiven Aufmerksamkeit die Zuwendung der Rezipienten gegenüber einem berichteten Sachverhalt/ Ereignis steuern (Eilders:1997:123). Dabei zeigt Eilders mit ihren Rezipientenstudien, dass bedeutende Nachrichtenfaktoren wie zum Beispiel Etablierung, Kontroverse oder Überraschung auch die Informationsverarbeitung des Rezipienten bestimmen, was ihre Funktion als Relevanzkriterien bestätigt.

 

Ein weiterer potentieller Einwand gegen die Verwendung der NW- Theorie zur Qualitätsbewertung der Relevanz von Filmberichten könnte im Sinne Staabs (1990:209ff.) lauten: Die Bedeutung der Nachrichtenfaktoren variiert je nach Berichterstattungsfeld. Daher ist es fraglich, ob der Faktorenkatalog, der in dieser Arbeit verwendet wird, für die Bewertung geeignet ist.

 

 

Dieses Problem erübrigt sich jedoch, da sowohl die zu untersuchenden nachrichtlichen Filmberichte als auch die für die Analyse gewählten Nachrichtenfaktoren sich zum großen Teil auf die politische Berichterstattung beziehen. Ein weiteres Argument für die Verwendung der NW- Theorie zur Qualitätsbewertung liefern Schatz und Schulz. Die Medienforschung hat nach Meinung der Qualitätsforscher (Schatz/Schulz:1992: 697) die Aspekte der systematischen und situativen Abhängigkeit der Relevanz erst ansatzweise berücksichtigt.

 

Davon nehmen die beiden Wissenschaftler (Schatz/Schulz:1992:697) jedoch die Gratifikationsforschung sowie die Nachrichtenwert- Theorie aus, welche ihrer Ansicht nach für die Publikumsforschung brauchbare analytische Modelle und gut zu operationalisierende Indikatoren liefern. Schatz/Schulz (1992:698) geben allerdings zu bedenken, dass die Relevanzbestimmung mit zunehmender Distanz von der Relevanzebene des Individuums schwieriger wird. Behält man diese Vorbehalte im Auge, so lassen sich Ansätze der NW- Theorie gleichwohl als eine erste Grundlage für die Bestimmung quantitativer und qualitativer Kriterien nutzen, mit denen das Relevanzniveau von Programmelementen näher bestimmt werden kann (Schatz/ Schulz:1992:697).

 

Im Abschnitt 4.3.1.1 wurde die Additivitätshypothese bereits vorgestellt. Additivität bedeutet bei Galtung und Ruge: Je mehr der von den beiden Wissenschaftlern benannten Nachrichtenfaktoren auf ein Ereignis zutreffen, desto größer ist die Wahrscheinlichkeit, dass es zu einer Nachricht wird (Weischenberg:1995:174). Ein Blick auf die Verfahrensweise der printbezogenen Qualitätsforschung zeigt, dass sowohl die Wissenschaftler um Berdi (1992) als auch der Forscher Fischer (1995) die Additivitätshypothese zur Qualitätsbewertung anwenden. Das implizite Motto lautet dabei: Je mehr Nachrichtenfaktoren in einem Artikel ausgemacht werden können, desto größer ist nicht nur seine Relevanz – sondern auch die Qualität der Relevanz im Hinblick auf den Leser. Dieser impliziten Annahme wird aufgrund der nun vorgestellen Untersuchungsergebnisse zugestimmt. Die Gültigkeit der Additivitätshypothese wurde unter anderem von S. Peterson (1981:143f.) bestätigt. Dieser verglich publizierte und nicht publizierte Artikel der „Times“ und stellte dabei fest, dass mit steigendem Additivitäts- Index auch die Chancen eines Ereignisses stiegen, in der Zeitung zu erscheinen. Eilders (1999:54) konnte ebenso das Additivitätskonzept von Galtung/Ruge mit ihren Untersuchungen verifizieren. Eine weitere Bestätigung der Additivitätshypothese erfolgte durch den amerikanischen Forscher Buckalew, der eine Studie mit 12 Fernsehredakteuren durchführte. [Vergleiche hierzu: (Staab:1990:50f.).]

 


              

Diskussion der Dimension Relevanz

4.3.2

Die Unterdimension „Externe Relevanz“  

Die externe und die individuelle Relevanz stellen die  jeweiligen Endpunkte eines Kontinuums dar 

Nachrichtenfaktoren als Selektionskriterium können nur auf der Basis von individuellen Bedeutungszuweisungen wirksam werden  

Der Qualitätsforscher Hagen (1995:158) unterscheidet zwischen „externer Relevanz“ und „interner Relevanz“, wobei er externe Relevanz definiert als das „Ausmaß, in dem das Hauptereignis einer Nachricht beachtenswert ist.“ Im Gegensatz zur „internen Relevanz“, die die Frage nach dem besten Erzählschemata fokussiert, bezieht sich die „externe Relevanz“ auf die ereignishaften Kriterien. Die Beachtungswürdigkeit des Ereignisses hängt nach Fischer (1995:159) davon ab, wie stark der Sachverhalt die gesellschaftlichen Zusammenhänge oder Individuen betrifft. Ebenso unterteilt Fischer (1995: 73) die Dimension Relevanz in die Unterdimensionen „externe Relevanz“, „individuelle Relevanz“ und „interne Relevanz“.

 

Dabei besteht nach Ansicht des Qualitätsforschers eine enge Verbindung zwischen der externen und der individuellen Relevanz. Kriterien der gesellschaftlichen Relevanz sind meist auch von individueller Relevanz. Dies demonstriert auch der Beitrag der Nachrichtenforscherin Eilders (1997:94) mit ihrer kognitionspsychologischen Sicht der nachrichtenfaktorbedingten Relevanzzuschreibung durch die Rezipienten. Der „externen“ Relevanz entspricht bei Eilders die „kollektive Relevanz“, die Eilders als gemeinsamen Nenner der individuellen Relevanz versteht. Dabei können Nachrichtenfaktoren als Selektionskriterium nur auf der Basis von individuellen Bedeutungszuweisungen wirksam werden (Eilders:1997:121f.).Das Phänomen der „kollektiven Relevanz“ erklärt Eilders mit der Entwicklungsgeschichte des Menschen, wonach sich bestimmte, quasi- automatische Reaktionen als Überlebensvorteil erwiesen. Interessant ist für Eilders (1997:95) in diesem Kontext, dass die Alltagserfahrung die Übertragung von der direkten auf die indirekte Umweltwahrnehmung bestätigt. Das beweist der kommerzielle Erfolg, den Zeitungen und elektronische Medien mit der Verbreitung bestimmter Sachverhalte erzielen. So implizieren zum Beispiel Meldungen über Bedrohungen wie Krieg, Krankheit oder Tod, die dem Nachrichtenfaktor „Negativität“ zugerechnet werden können, mit Sicherheit eine Steigerung der Auflage bzw. der Einschaltquoten. Das ist Eilders zufolge auch der Fall, wenn überhaupt keine Gefahr für das persönliche Leben gegeben ist. Die „kollektive bzw. individuelle Relevanz“ als Ausprägung der Relevanz stellen nach Eilders (1997:92) die jeweiligen Endpunkte eines Kontinuums dar. Während auf der Seite der individuellen Relevanz keine Übereinstimmung zwischen verschiedenen Individuen besteht, ist das idealtypische Charakteristikum der kollektiven Relevanz die völlig übereinstimmende Einstufung eines Sachverhaltes als „bedeutsam“ durch die Gesamtheit der Individuen. Zwischen den beiden Polen liegt laut Eilders die Relevanzzuweisungen durch einzelne gesellschaftliche Gruppen.

   

Diskussion der Dimension Relevanz

 

 

Interessant ist die Tatsache, dass Eilders Relevanzkonzept im großen Maß mit den drei Relevanzebenen von Schatz/Schulz(1992:696f.) korrespondiert, das bereits im Abschnitt 4.3.1 vorgestellt wurde. Der Qualitätsforscher Fischer bezieht die externe Relevanz auf das Thema eines Beitrages. Dabei bewerten die Nachrichtenfaktoren als Relevanzkriterien die Qualität der Themenwahl. Bewertungsmaßstab ist, wie bereits in Abschnitt 4.3.1 erläutert, der Nutzen, den der Rezipient aus der Rezeption des Beitrages zieht. Dass dieser Grundsatz auch im redaktionellen Nachrichtenalltag gilt, zeigen die Schriften von Straßner (1982:58), Ruhrmann (1989:19), Hagen (1995:159) und Huh (1996:236).

 

Westerbarkey (1992:283) kritisiert die Nachrichtenfaktorenlisten anderer Forscher für die seiner Meinung nach mangelhafte theoretische Fundierung. Um diesem potentiellen Kritikpunkt in dieser Magisterarbeit zu begegnen, wird die Auswahl der einzelnen Nachrichtenfaktoren, mit denen die Unterdimension externe Relevanz und damit die Qualität/ Nützlichkeit der Themenwahl bewertet wird, im einzelnen begründet. Die Basis der hier zusammengestellten Faktorenliste für die Bewertung der externen Relevanz stammt von den Qualitätsforschern Schatz und Schulz (1992). Als Nachrichtenfaktoren, die mögliche gesellschaftliche Folgen indizieren und damit über gesellschaftliche Prozesse auch potenziell für das Individuum bedeutsam werden könnten, nennen Schatz/Schulz (1992:698): Zahl der Betroffenen, Wirkungsintensität, Zentralität, Prominenz/Einfluß, Freiwilligkeit, Räumliche/Ethnische Nähe und Irrevisibilität. Die von Schatz/ Schulz genannten Nachrichtenfaktoren wurden nach eingehender Beschäftigung mit den Nachrichtenfaktorenlisten von Staab (1990) und Schulz (1976) teilweise umformuliert oder weggelassen, so dass sich die hier genutzte Faktorenliste zur Bewertung der externen Relevanz aus folgenden Nachrichtenfaktoren zusammensetzt: Reichweite, Soziale Position, Irrevisibiltät, Nähe, Negativität/ Positivität. Diese Nachrichtenfaktoren werden in den folgenden Abschnitten im Einzelnen erläutert.


            

Diskussion der Dimension Relevanz

4.3.2.1

Der Nachrichtenfaktor „Reichweite“ als Qualitätsvariable  

Statt des Nachrichtenfaktors „Zahl der Betroffenen“, der einen Bestandteil der Faktorenliste von Schatz/Schulz (1992:698) darstellt, wird in dieser Arbeit der Nachrichtenfaktor „Reichweite“ verwendet, wobei sich die Aussageintentionen beider Nachrichtenfaktoren stark ähneln. Der Nachrichtenfaktor „Zahl der Betroffenen“ entspricht bei Schatz/Schulz einem quantitativen Faktor zur Erfassung des Relevanzniveaus bei von einem Sachverhalt real oder potentiell Betroffenen. Dieser Nachrichtenfaktor findet sich auch bei dem Qualitätsforscher Hagen (1995b:161) und dem Forscherteam um Berdi (1992:46). Der Nachrichtenfaktor „Zahl der Betroffenen“ gilt bei diesen Wissenschaftlern als Qualitätskriterium, weil das Thema für einen sehr großen Kreis von Betroffenen wichtig ist. Je mehr Personen von einem Ereignis betroffen sind, desto höher ist die Relevanz des Ereignisses – und damit seine Qualität. Die Qualitätsforscher Fischer (1995:72), Eilders (1999:36) und Staab (1990:121) sprechen dagegen in diesem Kontext von dem Nachrichtenfaktor „Reichweite“. So definiert Staab beispielsweise die „Reichweite“ als

 

„Anzahl der Personen, die an einem Ereignis teilnehmen oder direkt von ihm betroffen sind.“ (Staab:1990:121)

 

Straßner (1982:73) illustriert den Praxisbezug des Nachrichtenfaktors „Reichweite“. So wird im Redaktionsalltag der „Tagesschau“ über ein Ereignis berichtet, weil es viele direkt interessiert, bzw. viele direkt betrifft.

Fazit für die Bewertung der Qualitätsvariablen „Reichweite“  

In Anlehnung an den Qualitätsforscher Fischer (1995:72) gilt für die Qualitätsbewertung der Variable „Reichweite“ innerhalb eines nachrichtlichen Filmberichtes: Je höher die Zahl der Personen ist, die ein Ereignis betrifft, desto höher ist die Qualität bezüglich der Variable „Reichweite“. Am höchsten ist das Qualitätsniveau, wenn alle Bürger Deutschlands bzw. alle Bürger einer anderen Nation von einem Ereignis betroffen sind. In diesem Fall erhält der Filmbeitrag in der Qualitätsvariablen „Reichweite“ die maximal erreichbare Punktzahl von 2 Punkten. [Diese Wertung wird zum Ende der Diskussion der Dimension Relevanz in Abschnitt 4.3.6 begründet. An dieser Stelle sei lediglich darauf hingewiesen, dass alle Variablen der Unterdimension „Externe Relevanz“ maximal 2 Punkte erreichen können.]

Im Falle, dass das Ereignis, auf den sich der Filmbericht bezieht, nur für einzelne Berufs- und Interessengruppen innerhalb einer Nation des In- und Auslandes von Bedeutung ist, kann man von einer mittleren Bedeutsamkeit ausgehen. In diesem Fall beträgt der Wert der Variablen „Reichweite“ 1 Punkt.

Wenn nur einzelne Personen betroffen sind, ist die Reichweite so gering, dass die Qualitätsvariable „Reichweite“ mit 0 Punkten bewertet wird.

Qualitätsvariable „Reichweite“: Indikator(en)

Betroffen sind von der im Filmbericht fokussierten Thematik:  

-

alle Bürger einer Nation im In- und Ausland  

-

einzelne Berufs- und Interessengruppen einer Nation im In- und Ausland  

-

alle anderen Fälle  

 

Diskussion der Dimension Relevanz

4.3.2.2 

Der Nachrichtenfaktor „Soziale Position“  als Qualitätsvariable  

Nach Schatz/Schulz (1992:698) erhöhen die soziale Position, die Prominenz oder Macht von Personen, über die berichtet wird, die Relevanz eines Sachverhaltes. Von daher vertreten die beiden Forscher die Ansicht, ein Attentat auf den Papst sei relevanter als ein Anschlag auf Herrn Jedermann. Der Nachrichtenwert- Forscher Schulz (1976:33) definiert den Nachrichtenfaktor „persönlicher Einfluss“ als „die politische Macht einer an einem Ereignis beteiligten Person“. Staab (1990:120) nennt im gleichen Zusammenhang die politische, wirtschaftliche und kulturelle Macht einer Institution. Einen ähnlichen Nachrichtenfaktor findet sich bei Galtung und Ruge, den „Pionieren“ der Nachrichtenforschung (Ruhrmann:1989:16). Sie nennen den Nachrichtenfaktor „Elitepersonen“, welcher besagt, dass mit steigender Intensität, mit der über eine oder sogar mehrere Elitepersonen berichtet wird, ebenfalls die Relevanz zunimmt.

 

Laut einer Umfrage von Studierenden der Universität Tübingen war die Nachrichtenberichterstattung des Fernsehens noch zu Beginn der achtziger Jahre geprägt von einer einseitigen Meldungsauswahl, bei welcher der „kleine Mann“, seine Anliegen sowie die Auswirkung der Ereignisse auf seinen persönlichen Lebensalltag zuwenig berücksichtigt wurden (Straßner:1982:391). Mit der Einführung des dualen Systems änderte sich jedoch diese Situation, da die privaten Nachrichtenanbieter es sich zur Wettbewerbsstrategie machten, dem „kleinen Mann“ mehr Artikulationsmöglichkeiten zu verschaffen, zum Beispiel mittels der Fernsehumfrage. [Vergleiche hierzu: (Bartel:1997:163), (Huh:1996:209) (Bruns:1997:109).] So zeigten sowohl RTL als auch SAT 1 laut Bruns´ Analyse im Zeitraum von 1986 bis 1994 recht hohe Prozentzahlen bezüglich der Präsentation nicht etablierter Personen. Bei RTL stieg er von 30 auf 37 Prozent, bei SAT 1 erhöhten sich die Prozentzahlen von 1986 um 21 Prozent auf 48 Prozent im Jahr 1994. Dagegen sind ARD und ZDF eindeutig stärker auf die etablierten Akteure festgelegt; Bruns (1997:109) zufolge allerdings mit leicht gefallener Tendenz mit 27,1 Prozent (ARD) bzw. 22,8 Prozent (ZDF) im Jahr 1994.

Fazit für die Bewertung der Qualitätsvariablen „Soziale Position“  

Ausgehend von der obigen Diskussion wurde anfangs erwogen, die Artikulationschancen Nichtetablierter zu berücksichtigen – und zwar als qualitativen Kontrast zu den eben genannten Nachrichtenfaktoren „soziale Position“/ „Eliteperson“. Dass dies an dieser Stelle doch nicht geschieht, liegt zum einen daran, dass die der Autorin bekannten Faktorenlisten keinen entsprechenden Nachrichtenfaktor nennen. Zum anderen wird das Auftreten des nichtetablierten Bürgers in der Umfrage an anderer Stelle dieser Arbeit berücksichtigt, nämlich innerhalb des Nachrichtenfaktors „Personalisierung“. Weiterhin fiel die Wahl auf den Nachrichtenfaktor „soziale Position“ und nicht auf den Nachrichtenfaktor „Eliteperson“, da der letztgenannte Nachrichtenfaktor zu allgemein definiert ist. Als Elitepersonen zählen sowohl der prominente Regisseur Leander Haußmann als auch NRW- Bildungsministerin Behler. Diese beiden Elitepersonen haben unterschiedlich gute Chancen, mit ihren Äußerungen eine Änderung der gesellschaftlichen Ordnung herbeizuführen, zum Beispiel im Hinblick auf die sogenannte „Studienreform“. Aus diesem Grund soll unterschieden werden zwischen „sozialer Position“, bei der die Möglichkeit der politischen/wirtschaftlichen Einflußnahme im Vordergrund steht und dem Nachrichtenfaktor  „Prominenz“, bei dem sich ebenfalls „Elitepersonen“ zu gesellschaftlichen Problematiken äußern, die jedoch wenig politische/wirtschaftliche Macht besitzen. [Die Diskussion des Nachrichtenfaktors „Prominenz“ erfolgt in Abschnitt 4.3.3.4.]

 

Qualitätsvariable „Soziale Position“: Indikator(en)

-

Der Filmbericht enthält die Äußerung einer in Politik/Wirtschaft einflussreichen Person/ Institution, die (un)mittelbare Konsequenzen für die Bevölkerung bzw. Teile der Bevölkerung bezweckt  

-

Der Filmbericht enthält keine Äußerung einer solchen Person  

   

Diskussion der Dimension Relevanz

4.3.2.3

Der Nachrichtenfaktor „Irrevisibilität“ als Qualitätsvariable  

Auf der Faktorenliste zur qualitativen Bewertung der externen Relevanz ist bei Schatz/Schulz (1992:698) unter anderem auch der Nachrichtenfaktor „Irrevisibilität“ zu finden. Schatz und Schulz bringen diesen Nachrichtenfaktor mit der Nachhaltigkeit eines Ereignisses in Verbindung. Dabei kann ein Ereignis, eine Entwicklung bzw. ein Zustand nicht oder nur mit erheblichen Aufwand wieder rückgängig gemacht werden.

Hierzu ein Beispiel: Zum gegenwärtigen Stand der Forschung ist das Thema „AIDS“ relevanter als das Thema „Typhus“, da im Gegensatz zum Typhus bislang noch kein Impfstoff gegen AIDS gefunden wurde. Ebenso kann ein durch Öl verseuchter Strand nur mit großem Aufwand wieder in seinen ursprünglichen Zustand versetzt werden. Diese Beispiele sollten die Relevanz des Nachrichtenfaktors „Irrevisibilität“ deutlich gemacht haben. Im Bereich der printbezogenen Qualitätsforschung kommen das Forscherteam um Berdi (1992:46) als auch die Wissenschaftler Hagen (1995:161) und Fischer (1995:72) auf den Nachrichtenfaktor „Irrevisibilität“ zurück, wobei sie ihn gleichermaßen mit der Nachhaltigkeit eines Ereignisses in Verbindung bringen.

Fazit für die Bewertung der Qualitätsvariablen „Irrevisibilität“  

Aus der obigen Diskussion sollte klar geworden sein, dass der Nachrichtenfaktor „Irrevisibilität“ auch in nachrichtlichen Filmberichten einen Faktor darstellt, der die Qualität der Themenwahl steigert. So wird bei der Bewertung von Filmberichten wie folgt verfahren: Sollte ein Filmbericht sich auf ein Ereignis/Vorgang beziehen, welches nicht rückgängig gemacht werden kann (z.B. eine Klimaveränderung, eine unheilbare Krankheit), erhält der Filmbericht für die Qualitätsvariable „Irrevisibiliät“ 2 Punkte. Ist der durch den Filmbericht fokussierte Vorgang mit großem Aufwand rückgängig zu machen (z.B ein ölverseuchter Strand), dann erhält der Filmbeitrag in der Qualitätsvariablen „Irrevisibilität“ 1 Punkt. Bei Ereignissen, die leicht rückgängig zu machen sind, wird der Indikator der Irrevisibiliät „Vorgang kann leicht wieder rückgängig gemacht werden“ mit 0 Punkten gewertet.  

Qualitätsvariable „Irrevisibilität “: Indikator(en)  

-

Filmbericht fokussiert einen Vorgang, der nicht rückgängig gemacht werden kann  

-

Filmbericht fokussiert einen Vorgang, der nur mit großem Aufwand rückgängig gemacht werden kann  

-

Filmbericht fokussiert einen Vorgang, der leicht wieder rückgängig gemacht werden kann

 

Diskussion der Dimension Relevanz  

4.3.2.4 

Der Nachrichtenfaktor „Räumliche Nähe“ als Qualitätsvariable

Ein weiterer Nachrichtenfaktor, den Schatz/ Schulz (1992:698) bei der fernsehbezogenen Qualitätsforschung berücksichtigt wissen wollen, ist die „räumliche und ethnische Nähe“. Für die beiden Wissenschaftler ist es offensichtlich, dass die räumliche und ethnische Nähe meist eng mit der emotionalen Nähe korreliert und damit die Bedeutung von Ereignissen relativiert. Als Beispiel nennen die Forscher Schatz/Schulz ein Schiffsunglück in Fernost, welches in unseren Breitengraden für weitaus weniger relevant gehalten werden dürfte als ein Schiffsunglück vor der Küste Helgolands. Um Bedeutung für die hiesige Berichterstattung zu erlangen, müsste die Zahl der Opfer, die das Schiffsunglück in Fernost forderte, schon ein Vielfaches betragen; dies gilt vor allem dann, wenn keine deutschen Urlauber betroffen sind.

In der Nachrichtenforschung wird der Faktor „Nähe“ sowohl von Schulz (1976:33) als auch von Staab (1990:120) aufgegriffen, wobei beide Wissenschaftler die vielfältige Ausprägung des Nachrichtenfaktors Nähe berücksichtigen. Als Ausprägungen nennen sie die räumliche Nähe, die wirtschaftliche Nähe, die politische Nähe und die kulturelle Nähe. Dabei geht zum Beispiel Staab davon aus, dass mit zunehmender Ähnlichkeit des politischen Systems (der politischen Nähe) die Relevanz der Berichterstattung steigt. Der Nachrichtenfaktor „kulturelle Nähe“ bedingt, dass mit zunehmend ähnlicher Sprache, Religion und Kultur die Relevanz des zu berichtenden Sachverhaltes zunimmt.

 

Der Nachrichtenfaktor „Nähe“ spielt auch im fernsehnachrichtlichen Alltag eine große Rolle. So berichtet Straßner (1982:79) mit Bezug auf den Tageschau- Redakteur Michael Abend, dass dieser und andere Fernsehjournalisten den Nachrichtenfaktor Nähe mit Betroffenheit– und folglich auch mit der Relvanz für den Fernsehzuschauer - in Verbindung bringen. Als direkt den Zuschauer betreffende Ereignisse nannten die Fernsehjournalisten in diesem Kontext den Preisverfall bzw. -anstieg der Benzinpreise oder Änderungen bezüglich des Verdienstes. Dieses Denken spiegelt sich auch in fernsehjournalistischen Lehrbüchern wider, so etwa bei Sturm (1998:5) oder Fang (1980:79). Gleichzeitig wiesen die Forscher Wittwen (1995:207) und Bruns (1997:115) einen hohen Anteil der Inlandsberichterstattung innerhalb der Nachrichtensendungen nach; Weit entfernte Regionen, zum Beispiel die Geschehnisse auf dem afrikanischen Kontinent, wurden kaum berücksichtigt [Vergleiche hierzu auch: (Hug:1998:43-48)]. Schmidt und Wilke (1998:177) zeichnen bezüglich der Auslandsberichterstattung ein ernüchterndes Bild: Die meisten Länder spielen nach Ansicht der Forscher in der deutschen Berichterstattung eine äußerst geringe Rolle und haben somit kaum eine Chance, von den Rezipienten bewusst wahrgenommen zu werden.

Fazit für die Bewertung der Qualitätsvariablen „Räumliche Nähe“  

Außer Schatz und Schulz integriert auch Hagen (1995b:161) den Nachrichtenfaktor „Nähe“ in die Qualitätsbewertung. Er versteht Nähe im räumlichen, ethnischen und emotionalen Sinn. Der Qualitätsforscher Fischer (1995:Bd.2:64) spricht in Anlehnung an den Nachrichtenwert- Forscher Schulz (1976:33) von den Nachrichtenfaktoren „Regionaler bzw. nationaler Zentralität“, „Ethnozentismus“ und „Geographischer Nähe“. „Regionale Zentralität“ meint Schulz zufolge die politisch- ökonomische Bedeutung einer Ereignisregion bei innerdeutschen Ereignissen. Der Nachrichtenfaktor „Nationale Zentralität“ steht für die wirtschaftliche, wissenschaftliche, und militärische Macht des Ereignislandes bei internationalen Ereignissen. „Ethnozentrismus“ bedeutet den Bezug eines Ereignisses zur Bevölkerung eines Landes und unter „geografischer Nähe“ versteht Fischer schließlich die Nähe des Ereignisses zur Stadt bzw. zum Kreis des Redaktionssitzes. Insgesamt verwendet Fischer eine Vielzahl von Nachrichtenfaktoren, um das Verhältnis von räumlicher Nähe und der damit verbundenen Betroffenheit des Zuschauers in sehr detaillierter Form wiederzugeben. 

Die eben erläuterten Nachrichtenfaktoren lassen sich unter dem Nachrichtenfaktor „Räumliche Nähe“ subsumieren. Je näher ein Ereignis, desto höher ist die Relevanz für den Zuschauer, wobei die räumliche Nähe auch kulturelle Nähe bedingt, was sich zum Beispiel am westeuropäischen Kulturkreis zeigt. Daher wird ich für die qualitative Bewertung der Relevanz nachrichtlicher Filmberichte lediglich den Faktor „Räumliche Nähe“ verwendet. Dabei wird folgendermaßen verfahren: Einem Ereignis, welches in Deutschland stattfindet, wird mit 2 Punkten die maximal erreichbare Punktzahl innerhalb der Qualitätsvariablen „Nähe“ gegeben. Ein Filmbericht, der sich auf ein Ereignis in Europa bezieht, erhält in der Qualitätsvariablen  „Nähe“ 1 Punkt.

Die obige Diskussion zeigte, dass die Berichte über weit entfernte Regionen in der deutschen Berichterstattung kaum berücksichtigt werden. Der Grund hierfür ist die Betriebsblindheit vieler Journalisten gegenüber Ereignissen in geografisch entfernten Staaten. Da die Autorin der Arbeit die Berichterstattung über die Länder in anderen Kontinenten (wie etwa Asien oder Afrika) in ihrer Relevanz ebenso hoch einschätzt wie die Berichterstattung über ein europäisches Land, verfährt sie bei der Qualitätsbewertung abweichend von Fischer. Dieser versieht Ereignisse mit großer räumlicher Entfernung zu Deutschland mit 0 Punkten. In dieser Arbeit kommt dagegen einem Filmbericht, der sich auf ein Ereignis in Asien, den USA, Australien oder Afrika bezieht, in der Variablen „Nähe“ 1 Punkt zu.

Qualitätsvariable „Räumliche Nähe “: Indikator(en)  

-

Der Filmbericht bezieht sich auf ein Ereignis in Deutschland  

-

Der Filmbericht bezieht sich auf ein Ereignis in Europa

-

Der Filmbericht bezieht sich auf ein Ereignis in Asien, USA, Australien, Afrika

 

Diskussion der Dimension Relevanz  

4.3.2.5

Der Nachrichtenfaktor „Negativität“/ „Positivität“ als Qualitätsvariable  

„Only Bad News are Good News“. Auf diesen journalistischen Leitspruch beziehen sich Meckel und Kamps (1998:24) und spielen damit auf die Bedeutung des Nachrichtenfaktors „Negativität“ für die nachrichtliche Fernsehpraxis an. Auch Schatz/ Schulz (1992:707) führen den Nachrichtenfaktor „Negativität“ zur qualitativen Bewertung der „Individuellen“ Relevanz auf und weichen damit von der printbezogenen Qualitätsforschung ab, die den Nachrichtenfaktor „Negativität“ der externen Relevanz zuordnet.

 

Der Nachrichtenfaktor „Negativität“ wurde durch die verschiedenen Nachrichtenforscher weitgehend übereinstimmend definiert [vergleiche hierzu: (Staab:1990:62) und (Ruhrmann:1994:240).] „Negativität“ bedeutet: Je negativer ein Ereignis für die Rezipienten ist, desto höher werden diese die Relevanz des Ereignisses einstufen. Als eindeutig negative Ereignisse gelten Unglücke, Verbrechen, Konflikte und Schäden. Die Nachrichtenforscherin Shoemaker (1996:44) verweist auf den evolutionären Charakter der schlechten Nachricht. Das menschliche Gehirn sei darauf ausgerichtet, seine Umgebung nach bedrohlichen Ereignissen abzusuchen, wobei die Journalisten nach Meinung Shoemakers dies stellvertretend für die anderen Gesellschaftsmitglieder tun. Ruhrmann (1989:16f.) spielt in diesem Zusammenhang darauf an, dass Negativ- Nachrichten aufgrund ihrer Eindeutigkeit leichter und schneller zu realisieren seien und im Vergleich zu positiven Nachrichten einen stärkeren Konsens bezüglich der Relevanz auslösten.

 

Die Bevorzugung der schlechten Nachricht in der Praxis bewirke, so die Forscherin Mary Lou Galician (1986:611f.), eine Nachrichtenverdrossenheit. Nachrichten wurden mit der Zeit zum Inbegriff des Negativen, was in den siebziger Jahren vereinzelt dazu führte, dass einige Nachrichtensendungen den „Happy-Talk“ als Bestandteil der Sendung aufnahmen. Gleichzeitig legt die Wissenschaftlerin interessante Forschungsergebnisse vor: So stimmen 68 Prozent der Zuschauer dem Statement zu, dass zu viele schlechte Fernsehnachrichten eine negative Wirkung bei den Zuschauern haben. Außerdem waren 72 Prozent der Zuschauer gegen die Aussage, gute Nachrichten seien nicht interessant genug für die Fernsehnachrichten (Galician:1986:613). Die Autorin (Galician:1986:615f.) gelangt aufgrund ihrer Studie zur Einsicht, man könne nicht alle negativen Nachrichten aus den Nachrichtensendungen des Fernsehens verbannen. Man solle jedoch auf trivial- schlechte Nachrichten verzichten und statt dessen nachrichtenwürdige gute Nachrichten präsentieren. Dabei läßt die Autorin allerdings offen, was sie unter einer trivial- schlechten Nachricht versteht. Die ambivalente Einschätzung des Nachrichtenfaktors „Negativität“ wird beispielsweise auch in dem von Fang (1980:297f.) verfassten Lehrbuch deutlich.

 

Wittwen (1995:207) und Mary Lou Galician (1986:612) verweisen auf die geänderte Nachrichtenpraxis des Fernsehens. So dominieren nach Wittwen in allen Nachrichtensendungen die Negativmeldungen; sie würden jedoch bis zu einem gewissen Grad durch positive Meldungen ausbalanciert, wobei die Anforderungen, die an eine publikationswürdige positive Nachricht gestellt werden, nach Ansicht von Fang (1980:299) ungleich höher sind als bei einer Negativnachricht.

   

Für den Qualitätsforscher Fischer (1995:72) stellt der Nachrichtenfaktor „Negativität“ ein Kriterium für Relevanz dar, bei dessen Vorhandensein sich die Qualität der Unterdimension „externe Relevanz“ erhöht. In seinem zweiten Band beschreibt Fischer (1995:Bd2:59) präzise, welche Formen der Nachrichtenfaktor „Negativität“ annimmt und welchem Qualitätsniveau die einzelnen Ausprägungen entsprechen. Das höchste Relevanzniveau haben nach Ansicht Fischers Konflikte mit Waffengewalt, Mord, Totschlag, Umweltkatastrophen - und lebensbedrohliche Epidemien. Etwas niedriger in ihrer Bedeutung – und damit in ihrer Qualität - schätzt Fischer zum Beispiel die Verletzung von Menschen ein, schwere Krankheiten, Gewaltandrohung und nicht lebensbedrohliche Straftaten. Die eben genannten Formen der Negativität können wohl ausreichend durch die Kriterien „Schaden“/ „Mißerfolg“ beschrieben werden. Staab unterscheidet weiterhin zwischen tatsächlichem und potentiellem Schaden/ Mißerfolg. [Vergleiche hierzu: (Staab:1990:121).]

 

Fazit für die Bewertung der Qualitätsvariablen „Negativität“ / "Posititvität

Staabs (1990:121) Ausprägung „Schaden/ Mißerfolg“ des Nachrichtenfaktors „Negativität“ wird hier für die Qualitätsbewertung übernommen. Ferner nennt Staab (1990:121) als weitere Nachrichtenfaktoren, die einen Kontrast zur „Negativität“ darstellen, den „tatsächlichen Nutzen/ Erfolg“ sowie den „potentiellen Nutzen/ Erfolg“. Diese gegenteiligen Nachrichtenfaktoren, die vereinfachend unter dem Schlagwort „Positivität“ zusammenfasst werden, gelten nach Aussage des Qualitätsforschers Albers (1992:51) bei vielen Journalisten ebenso als Merkmal für Qualität wie eine Nachricht, die eine negative Information enthält. Aufgrund dieser Tatsache und aufgrund der oben dargestellten Ambivalenz der negativen Nachricht hält die Autorin dieser Arbeit die Verbreitung von positiven Nachrichten für ein Qualitätsmerkmal. Daher werden positive Nachrichten mit Hilfe der von Staab genannten Ausprägung „Nutzen/Erfolg“ bewertet. Dabei erhält ein Filmbericht, der sich auf ein positives Ereignis mit „möglichem/ tatsächlichem Nutzen/ Erfolg bezieht, 2 Punkte. Die gleiche Punktzahl erhält ein Filmbericht, der sich auf ein negatives Ereignis mit möglichem/tatsächlichem Schaden/Mißerfolg bezieht. Ein Ereignis dürfte entweder positiv oder negativ für den Rezipienten sein, so dass ein Filmbericht innerhalb der Variablen maximal 2 Punkte erzielen kann.  

Qualitätsvariable „Negativität/ Positivität “: Indikator(en)  

-

Der Filmbericht bezieht sich auf ein Ereignis/ einen Vorgang mit möglichem/tatsächlichem Schaden/ Mißerfolg (für die Zuschauer)  

-

Der Filmbericht bezieht sich auf ein Ereignis/ einen Vorgang mit möglichem/ tatsächlichem Nutzen Erfolg (für die Zuschauer)

   

 

 

Diskussion der Dimension Relevanz  

4.3.3

Die Unterdimensionen „Individuelle Relevanz“

Die Ausgangsbasis für die Qualitätsbewertung der „Individuellen Relevanz“ stellt die von Schatz/ Schulz aufgestellte Liste der  „Akzeptanzfaktoren“ dar  

Unsere Aufmerksamkeit wird erregt durch das, was uns nah ist und was wir mit der eigenen Person in Beziehung bringen können. Diese Aussage Weischenbergs (1995:176) deckt sich mit den in Abschnitt 4.3.2 bereits vorgestellten kongnitionspsychologischen Beobachtungen Eilders (1997:94), die aufgrund von Rezipientenstudien davon ausgeht, dass je nach Vorwissen, Interessenstrukturen und persönlichen Zielen ganz unterschiedliche Sachverhalte als relevant empfunden werden.

 

Individuelle Relevanz ist demnach für Eilders die Entsprechung eines Stimulus mit individuellen Interessen, wobei diese Interessen durch vorherige Erfahrungen oder bestimmtes Wissen bedingt oder aber von kurzfristig wirksamen Zielen bestimmt sein können. Eilders erklärt die Wirksamkeit der Nachrichtenfaktoren „Personalisierung“, „Emotion“, „Überraschung“, „Sex“ mit deren psychologischen bzw. evolutionären Wirkungen. Ähnliche Überlegungen finden sich bei amerikanischen Forschern, so bei Wilbur Schramm, der die Nachrichtenauswahl bereits 1949 aus einer psychologischen Perspektive erklärte, die sich an Sigmund Freuds Unterscheidung zwischen Lust- und Realitätsprinzip sowie lerntheoretischen Überlegungen orientierte (Schramm:1949:261f.). Schon vor rund fünfzig Jahren sah Schramm in den Nachrichten aufmerksamkeitsauslösende Stimuli, auf die der Rezipient mit Selektion – bzw. mit Nichtselektion reagiert. Die Selektion entspricht einer Response, die darauf abzielt, die größtmögliche Belohnung durch die jeweils rezipierte Nachricht zu erlangen. Dabei differenzierte Schramm zwischen unmittelbaren Belohnungen, die vor allem durch emotional erregende Meldungen über Verbrechen, Unglücke oder Sportereignisse erreicht werden (Lustprinzip). Unter das Realitätsprinzip fallen hingegen Meldungen, die in erster Linie aus politischen Inhalten bestehen. Sie beinhalten eine verzögerte Belohnung, die eine bessere Orientierung des Rezipienten in der Realität ermöglichen. Dabei spielen nach Ansicht Schramms (1949:268) Lern- und Kommunikationsprozesse eine entscheidende Rolle, so dass die Selektionsentscheidungen der Rezipienten das Ergebnis sowohl von Sozialisierungsprozessen als auch der subjektiven Interessenlage sind. [Vergleiche hierzu auch (Staab:1990:46).]

 

Das erklärt die Aussage des Qualitätsforschers Fischer (1995:74), es gebe Themen, die für den Einzelnen, nicht aber für alle Gesellschaftsmitglieder von Bedeutung (relevant) sind. Zu den Themen, die aufgrund der subjektiven  Interessenlage des Einzelnen ausgewählt werden, zählt Fischer solche, die dem Human- Interest- Bereich zugerechnet werden. Als korrespondierende Nachrichtenfaktoren nennt Fischer (1995:74) unter anderem „Überraschung“, „Personalisierung“, „Prominenz“ und Emotionalisierung, die auch als „weiche Nachrichtenfaktoren“ oder „Human- Interest- Faktoren“ bekannt sind (Weischenberg:1990:48).

 

 

Diskussion der Dimension Relevanz

 

 

Weischenberg verbindet mit den Human- Interest- Faktoren den menschlichen Aspekt der Berichterstattung, bei dem Gefühle und Gedanken anderer Menschen offengelegt werden. In Abschnitt 3.2.1 wurde bereits erläutert, dass die Human-Interest- Faktoren mit der Fernsehunterhaltung in Verbindung gebracht werden. Weiterhin wurde in den Abschnitten 3.2.2.1 bis 3.2.2.3 dargelegt, dass Unterhaltung der Regeneration, dem Erleben ungefährlicher Erfahrungssituationen, der Stimmungsregulation und der Lebens- und Umweltorientierung dient. Aus diesem Grund stellen weiche Nachrichtenfaktoren mehr dar, als „unmittelbare Belohnungen“ (rewards) durch die in den Meldungen enthaltenen erregenden Nachrichtenfaktoren (Schramm:1949:260). Sie sind auch mehr als die Vermittlung fördernde „Akzeptanzfaktoren“ [vergleiche hierzu: (Schatz/Schulz:1992: 707), (Fischer:1995:88)]. Bezogen auf Schramm, dienen auch die weichen Nachrichtenfaktoren dem „Realitätsprinzip“, indem sie eine bessere Orientierung in der Realität ermöglichen. Im Fazit von Abschnitt 3.2.2.3 wurde gezeigt, dass in der Unterhaltung aufgrund ihrer Aufgaben und Funktionen eine spezifische Qualität zu sehen ist, die hier, innerhalb der Unterdimension „Individuelle Relevanz“, bewertet werden soll. Dies geschieht mit Hilfe der weichen Nachrichtenfaktoren, die als Qualitätsvariablen zu betrachten sind und deren Vorkommen in einem nachrichtlichen Filmbericht sich anhand verschiedener Indikatoren nachweisen läßt.

 

Aus der Vielzahl an Human- Interest- Faktoren [vergleiche hierzu zum Beispiel: (Weischenberg:1990:21f.)] galt es, die wichtigsten Faktoren zur qualitativen Bewertung der „Individuellen Relevanz“ ausfindig zu machen. Schon bei der Qualitätsbewertung der „externen Relevanz“ bildeten die von Schatz und Schulz genannten „harten“ Nachrichtenfaktoren die Grundlage für die hier verwendete Faktorenliste. Schatz/Schulz (1992:707) stellen ebenso eine Liste von „Akzeptanzfaktoren“ zusammen, welche den „weichen“ Nachrichtenfaktoren entsprechen. Diese Liste der „Akzeptanzfaktoren“ von Schatz/Schulz (1992:707) dient als Ausgangsbasis der Faktorenliste für die im Folgenden stattfindende Suche nach geeigneten Qualitätsindikatoren in Filmberichten. Die von Schatz und Schulz genannten Human- Interest- Faktoren lauten: Überraschung, Kuriosität, Personalisierung, Betroffenheit, Negativismus, Emotionalisierung.

 

Diese Faktorenliste von Schatz/Schulz wird nun verändert. Dabei entfällt der Nachrichtenfaktor „Negativismus“ für die Qualitätsbewertung der individuellen Relevanz, weil er unter dem Stichwort „Negativität“ bereits in Abschnitt 4.3.2.5 in dieser Arbeit der „externen Relevanz“ zugeordnet und diskutiert wurde.

 

Die Nachrichtenfaktoren Überraschung/ Kuriosität werden zusammengefaßt. Der Akzeptanzfaktor „Betroffenheit“ stellt bei Schulz (1976:33) eine Faktorendimension dar, die sich aus den Faktoren „Nähe“, „Ethnozentrismus“, „Tragweite“ zusammensetzt. Unter Betroffenheit versteht Schulz die „Konsequenzen eines Ereignisses für den Rezipienten. Aus der Diskussion in Abschnitt 4.3.2.4. (Diskussion der Qualitätsvariablen „Nähe“) wird die enge Beziehung zwischen der Nähe eines Ereignisses und der Betroffenheit des Rezipienten deutlich.

 

 

Diskussion der Dimension Relevanz

 

 

Etwas, was in der Nähe des Rezipienten geschieht, betrifft ihn unmittelbar und ist für ihn unmittelbar relevant. Damit wird die „Betroffenheit“, die ein Ereignis beim Rezipienten auslöst, schon indirekt durch die Bewertung der räumlichen Nähe berücksichtigt. Aus diesem Grund entfällt der „Akzeptanzfaktor“ „Betroffenheit“ für die qualitative Bewertung nachrichtlicher Filmberichte.

 

Der Akzeptanzfaktor „Emotionalisierung“ (Schatz/Schulz:1992:707), ebenfalls Bestandteil der Liste von Schatz und Schulz, gilt bei Journalisten laut einer Befragung von Albers (1992:53) aufgrund des kathartischen Effekts als Qualität. Emotionalität ist gegeben, sobald menschliche Gefühle dargestellt werden (Eilders:1997:164). Darauf, dass die Emotionalisierung des Zuschauers eine Strategie der Fernsehnachrichten darstellt, spielt Huh (1996:160) an. In diesem Zusammenhang verweist er auf den WTN- Kameramann Krsticevic, der im Jugoslawien- Krieg 1992 zur Stimulation der emotionalen Beteiligung die Kamera laufen ließ, während er um sein Leben rannte. Weiter berichtet Huh (1996:161) von den Bemühungen der Fernsehnachrichtenagenturen Reuters- TV und WTN, die Strategie der Unmittelbarkeit (welche die emotionale Beteiligung des Zuschauers enthält) weiter auszubauen. Zu diesem Zweck kaufen die Agenturen auch Amateurmaterial an.

 

In der printbezogenen Qualitätsforschung ordnet Fischer (1995:74) den Faktor „Emotionalität“ einem Ereignis zu, das höchstwahrscheinlich bei den meisten Menschen starke Emotionen hervorruft, so etwa Liebe, Sex, Tiere, Verbrechen und Unglücksfälle (Fischer:1995:Bd.2:63). Dem Faktor „Emotionalität“ werden bei Fischer auch Sachverhalte zugerechnet, bei dem Betroffene ihre Gefühle schildern.

 

Appeldorn (1984:70f.) ist der Begriff der „emotionalen Wirkung“, den Filme haben, jedoch zu oberflächlich. Er sieht in den Identifikationsmöglichkeiten die Ursache für die gefühlsauslösende Wirkung von Filmen. Dies geschieht nach Meinung Huhs (1996:194) durch die Präsentation von Personen. Somit ergibt sich ein großer Zusammenhang zwischen dem relativ weit definierten Nachrichtenfaktor „Emotionalisierung/ Emotionalität“ und dem eng gefaßten Nachrichtenfaktor der „Personalisierung“, der in dieser Arbeit als Charakteristikum des Fernsehens gesehen wird. Er wird in einem der folgenden Abschnitte behandelt werden. Da der von Schatz/ Schulz genannte Akzeptanzfaktor Nachrichtenfaktor „Emotionalisierung“ zu weitschweifig erscheint, beschränkt sich diese Arbeit auf die „Personalisierung“ als Nachrichtenfaktor zur Bewertung der „individuellen Relevanz“. Somit entfällt der Akzeptanzfaktor Emotionalisierung für die Faktorenliste zur Bewertung der individuellen Relevanz.

Damit verbleiben von Schatz/ Schulz´ (1992:707) Liste die Nachrichtenfaktoren „Personalisierung“, „Überraschung/Kuriosität“. Aufgrund der Ergebnisse der Abschnitte 3.2.2.1 bis 3.2.2.3 und spezieller Studien zur (Fernseh)unterhaltung sind der Faktorenliste der individuellen Relevanz ferner die Nachrichtenfaktoren „Humor“ und „Prominenz“ beigefügt.

 

 

 

 

  

Diskussion der Dimension Relevanz    

4.3.3.1

Der Nachrichtenfaktor „Humor“ als Qualitätsvariable

Bei der Behandlung des Nachrichtenfaktors Negativität in Abschnitt 4.3.2.5 war bereits die Rede davon, dass die große Anzahl negativer Meldungen vom überwiegenden Teil der Zuschauer nicht goutiert wird. Eine Möglichkeit, zu der Überzahl der Negativmeldungen ein Gegengewicht zu schaffen, ist die Präsentation positiver Nachrichten – und anscheinend, die humorvolle Darbietung von dazu geeigneten Sachverhalten. Gleicher Ansicht ist Goldstein (1994:325), der den Nachrichtenfaktor „Humor“ in sämtlichen Genres des Fernsehens ausmachen kann, inklusive der Fernsehnachrichten. Goldstein (1994:321fff.) verweist bei seinen Ausführungen über die Funktionen des Humors in den Massenmedien auf die verschiedenen Ausprägungen des Lachens und des Humors: In diesem Zusammenhang nennt er das überhebliche Lachen (über eine Person), das Mitlachen aus Unsicherheit und das befreiende Lachen nach der Entdeckung zweier nicht kongruenter Prinzipien. In einem Fernsehbeitrag kann Humor dabei als enthüllendes und aufklärerisches Element dienen (Goldstein:1994:324), wobei der Humor, dadurch, dass er häufig mit Stereotypen arbeitet, als politisches Instrument oder als politische Waffe eingesetzt werden kann (Goldstein:1994:328f.). Ferner liefert der Unterhaltungsforscher Zillmann (1994:50f.) einen interessanten Aspekt bezüglich des Humors. So wurden dem Humor bereits im 13. Jahrhundert heilende Wirkungen nachgesagt. Die Gültigkeit dieser Mutmaßung wurde laut Zillmann (1994:50/52.) durch Studien zur Gewissheit. So stärkt das Lachen nicht nur das Immunsystem; humorvolle Unterhaltung senkt darüber hinaus die Schmerzempfindlichkeit. Abgesehen von dieser psychosomatischen Wirkung wünschen sich Leser und Zuschauer eine humorvolle Präsentation der darzustellenden Sachverhalte [vergleiche hierzu: (Straßner:1982:391), (Stiftung Lesen:1993:20f.)].

 

Darüber hinaus wird Humor auch vom Lehrbuchautor Fang (1980:39) für den Bereich der Fernsehnachrichten gefordert. Humor entsteht, so Fang, durch den scharfen Kontrast zwischen Audio- und Videoelementen. Dabei sieht Fang mehrere Möglichkeiten, bei dem Zuschauer ein Lächeln hervorzurufen, beispielsweise durch den Gebrauch von Understatements, die viel weniger benutzt werden als Übertreibungen. Der Nachrichtenfaktor „Humor“ zeigt sich auch in satirischen Fernsehbeiträgen oder in animierten Comics bzw. Cartoons, wie sie im ARD/ZDF- Morgenmagazin verwandt werden.

 

Bruns (1997:155) analysierte die Nachrichtensendungen und politischen Magazine im deutschen Fernsehen für den Zeitraum von 1986 bis 1994. Sein Ergebnis lautet: Die humoristischen Beitragsformen wie Cartoon, Comic, Glosse, Satire finden sich in diesen Genres äußerst selten. Die relative Häufigkeit der eben genannten Beitragsformen liegt während des Untersuchungszeitraumes bei stabilen 2 Prozent, wobei die privaten Anbieter im Vergleich zu den Anfangsjahren den Anteil an humoristischen Beitragsformen etwas reduziert, die öffentlich- rechtlichen Anbieter aber leicht erhöht haben (Bruns:1997:189). Nach Bruns (1997:158) gibt die ARD satirischen Beitragsformen in ihren politischen Magazinsendungen den Vorzug, wohingegen das ZDF zu keiner speziellen unterhaltungsorientierten Beitragsform tendiert.

Fazit für die Bewertung der Qualitätsvariablen „Humor“  

Die Diskussion zeigt, dass der Nachrichtenfaktor „Humor“ durchaus dazu geeignet ist, die Relevanz eines nachrichtlichen Fernsehbeitrages zu erhöhen. Auch in der deutschen sowie in der anglo- amerikanischen Qualitätsforschung genießt der Humor eine große Wertschätzung. Das zeigen die Ausführungen Göpferts (1993:100), Albers (1992:51) und McQuails (1992:287). Daher rührt der Entschluss, den Umstand, dass ein Filmbericht einen humoristischen /satirischen Zugang zu einem Thema aufweist, entsprechend zu honorieren. Ein humoristisch/satirischer Themenzugang zeigt sich beispielsweise an den Formulierungen, die der Beitragssprecher gebraucht. In einem solchen Fall findet der Codierer auf dem Codierbogen folgenden Indikator vor: „Der Filmbericht hat einen humoristischen/ satirischen Zugang zum Thema“ Der Nachrichtenfaktor Humor wird gänzlich offensichtlich, wenn der Filmbericht Cartoon-Sequenzen enthält. Für solche Fälle wurde der Indikator „Filmbericht enthält Cartoon- Sequenzen“ konzipiert. Unabhängig davon, ob der Filmbeitrag einen oder beide Indikatoren erfüllt, erhält der Filmbeitrag in der Qualitätsvariablen „Humor“ 1 Punkt. [Die Begründung für diese geringe Punktzahl erfolgt in Abschnitt 4.3.6. An dieser Stelle sei nur vermerkt, dass alle Qualitätsvariablen, die der Unterdimension „Individuelle Relevanz“ zugeordnet werden, jeweils eine Höchstpunktzahl von 1 Punkt erreichen können.]

Qualitätsvariable „Humor“: Indikator(en)  

-

Der Filmbericht hat einen humoristischen/ satirischen Zugang zum Thema

-

Der Filmbericht enthält Cartoon- Sequenzen  

 

   

 

 

Diskussion der Dimension Relevanz  

4.3.3.1

Die Nachrichtenfaktoren „Überraschung/ Kuriosität“ als Qualitätsvariable  

Laut Lehrbuchautor Sturm (1998:172) ist es das natürliche Bestreben des Menschen, sich im nächsten Lebensumfeld und in der Gesellschaft zurechtzufinden. Neugier sei dabei eine der stärksten Triebfedern des Handelns. Diese Aussage Sturms ist haltbar, wenn man die Untersuchungsergebnisse psychologischer Motivationsstudien zum Vergleich heranzieht. Im Hinblick auf die Neugierde stellt der Medienpsychologe Peter Vorderer (1996:313ff.) derartige Studien vor.Wichtig ist in diesem Zusammenhang die Neugier- Motivationstheorie von D. E. Berlyne (1974). [Vergleiche hierzu auch: (Vorderer:1996:314fff.).] Die zentrale Frage von Berlynes Forschungen lautet: Was löst das Streben nach neuen Erfahrungen aus? Was löst die Neugier aus?

Berlyne sieht den Grund für das Neugierde- Verhalten in den syntaktischen Reizqualitäten von Objekten. Er nennt diese Reizqualitäten kollative Variablen, weil sie, so nimmt der Motivationsforscher an, einen Vergleich mit den Gedächtnisinhalten des Beobachters auslösen. Als kollative Variablen bezeichnet Berlyne (1974:38fff.) Komplexität, Neuartigkeit, Überraschungswert, Ambiguität und Ungewißheit. Dabei kommt es beim Beobachter während des Beobachtungsprozesses zu einer Diskrepanz durch den von den kollativen Variablen ausgelösten Vergleich mit den Gedächtnisinhalten. Der entstandene Konflikt führt zu einem erhöhten bzw. zu einem hohen Erregungsniveau, welches nur durch die Auseinandersetzung mit dem beobachteten Sachverhalt/ Objekt reduziert werden kann. Die Beschäftigung mit dem erregungsauslösenden Sachverhalt /Objekt erfolgt so lange, bis die Erregung auf ein Niveau fällt, das vom Beobachter als angenehm empfunden wird (Berlyne:1974:349fff).

 

Vorderer (1996:314) zufolge sind die Beziehungen zwischen dem Erregungspotential, der daraus resultierenden Erregung und dem hedonistischen Wert des Objektes von entscheidender Bedeutung für die Kommunikations-, und Medienwissenschaft. Daraus folgt, dass mittel- komplexe, neuartige, überraschende Objekte/ Sachverhalte von maximalen hedonistischem Wert sind, während sowohl zu komplexe als auch zu wenig komplexe Objekte/ Sachverhalte für den Beobachter nicht attraktiv sind. Im ersten Fall entsteht eine Überforderung, im zweiten Fall Langeweile. Innerhalb der Kommunikations- und Medienwissenschaft entstanden aus der Berlyneschen Neugiermotivationstheorie zwei Forschungsrichtungen. So basiert die im Abschnitt 3.2.2.2 erläuterte Moodmanagement- Theorie Zillmanns auf der Berlyneschen Neugiermotivationstheorie. [Vergleiche hierzu: (Abschnitt 3.2.2.2 Unterhaltung als Mittel der Stimmungsregulierung).]

 

Vorderer (1996:316) bezieht sich ferner auf Studien, in denen er auf Grundlage von Berlynes Theorie die Motivation der Rezipienten für die Nutzung bestimmter Unterhaltungsangebote untersuchte. So wählten Leser beispielsweise Texte, die komplex, neu und überraschend waren, wobei die Texte bei den Lesern einen gewissen Grad der Verunsicherung auslösten. Vorderer (1996:316) nimmt an, dass diese Verunsicherung das Erregungsniveau der Leser erhöht. Dieser Zustand ändert sich erst nach der erfolgreichen Rezeption des Textes; das Erregungsnivau sinkt auf ein angenehmes Niveau, wobei dieser Zustand korreliert mit der Freude, etwas Schwieriges verstanden zu haben. Arnulf Deppermann (1997:196/216) wies eine vergleichbare Wirkung auch in Bezug auf den Spielfilm „Angelheart“ nach. So kristallisierte sich in der Diskussion mit Jugendlichen die anfängliche Irritation, die der Film bei den Sechzehnjährigen zunächst ausgelöst hatte, als Mittel der Attraktivität und Faszination heraus. Die Ungereimtheiten des Films inspirierten die Jugendlichen zu Erklärungsversuchen und Lösungsansätzen und boten ihnen so ein interaktives Wettbewerbs- und Beteiligungspotenzial.

 

Diskussion der Dimension Relevanz

 

Mit Vorderers (1996:316) theoretischem Ansatz, der sich darum bemüht, die Rezipientenmotivation zur Nutzung bestimmter Medienangebote zu erklären, korrespondiert ein Untersuchungsergebnis Berlynes (1974:105). Im Mittelpunkt dieses Experimentes stand die kollative Variable „Überraschung“. Bei diesem Experiment erinnerten Rezipienten Aussagen, die bei ihnen Überraschung ausgelöst hatten, besser als vergleichbare Aussagen ohne den in ihnen enthaltenen Überraschungseffekt. Dieselbe Erfahrung machte Eilders bei ihrer experimentellen Untersuchung der „Überraschung“, die ja nicht nur eine kollative Variable darstellt, sondern zugleich als Nachrichtenfaktor gehandelt wird. Laut Eilders (1999:54) wohnt dem Nachrichtenfaktor „Überraschung“ eine erinnerungssteigernde Wirkung inne.

 

Die Motivation zur Rezeption eines Filmberichtes oder eines Zeitungsartikels ergibt sich aus der „überraschenden“ und zunächst verunsichernden Vorab- Information in der Artikelschlagzeile bzw. der Anmoderation. Solch eine überraschende wie verunsichernde Schlagzeile könnte etwa lauten: „Neues Medikament bewirkt eine mehrstündig andauernde Geschlechtsumwandlung“. Solch eine Schlagzeile wird den Rezipienten verunsichern. Schließlich ist er sich anhand der von ihm gespeicherten Gedächtnisinhalte sicher, dass Menschen als Mann und Frau geboren werden und solch eine Umwandlung nur in äußerst seltenen Fällen möglich ist. Diese Diskrepanz zwischen den Gedächtnisinhalten und der neuen Nachricht wird ihn jedoch höchstwahrscheinlich zur Rezeption des Filmberichtes/ des Zeitungsartikels veranlassen. Das neue Wissen, welches der Rezipient aus seiner Beschäftigung mit dem Filmbericht/ dem Zeitungsartikel zieht, führt zunächst zu einem „Aha- Effekt“ des Fernsehzuschauers bzw. Lesers. Die Ungewöhnlichkeit der Information führt schließlich zu einer verbesserten Erinnerungsleistung dieser Nachricht.

 

So verwundert es nicht, dass auch in der Praxis der Überraschungs- und Neuigkeitswert eines Ereignisses seitens der Fernsehjournalisten als Qualitätsmerkmal eingestuft wird. Fernsehjournalisten äußerten zum Beispiel gegenüber dem Qualitätsforscher Albers (1992:52) die Ansicht, für einige Produzenten bestünde die spezifische Qualität darin, das Publikum mit etwas Unerwartetem zu überraschen. Überraschung als spezifische Qualität steht auch im Printjournalismus hoch im Kurs. So fordern Schneider und Raue (1996:261), die Rezeption eines Artikels müsse beim Leser ein „Aha- Erlebnis“ auslösen und ihn dazu animieren, das Gelesene in einem „Küchenzuruf“ seiner Umwelt kundzutun. Weiterhin sollen Printprodukte Zimmer (1996:2) zufolge aus einem originellen Blickwinkel geschrieben sein.

Fazit für die Bewertung der Qualitätsvariablen „Kuriosität/Überraschung“  

Die von Berlyne (1974:38fff.) genannten kollativen Variablen „Neuigkeitswert“ und „Überraschungswert“ treten auch als Nachrichtenfaktoren in Erscheinung. So berichten sowohl Staab (1990: 60/61), Eilders (1997:163) als auch Ruhrmann (1994:239) vom Nachrichtenfaktor „Überraschung“ und definieren ihn beinahe übereinstimmend als unvorhersehbares, seltenes oder kurioses Ereignis. Die spezifische Qualität der Variablen „Kuriosität/ Überraschung“ liegt gemäß der obigen Ausführung in der Angliederung neuer, ungewöhnlicher Wissensinhalte nach anfänglichlichem Erstaunen, was der von Vorderer (1996:316) beschriebenen Verunsicherung nahekommt. [Vergleiche hierzu auch: (McQuail:1992:284/ 287).] Der Effekt dieses Erstaunens zeigt sich in der besseren Erinnerungsleistung. In der printbezogenen Qualitätsforschung stuft Qualitätsforscher Fischer (1995:74) den Nachrichtenfaktor „Überraschung“ als verständlichkeitsfördernden Faktor ein.

 

Huh (1996:180f.) und Sturm (1998:207) zeigen auf, in welcher Form die Nachrichtenfaktoren „Kuriosität/ Überraschung“ Eingang in die Fernsehnachrichten finden können. Huh verweist dabei auf die sportbezogenenen Quizeinlagen bei der RTL- Nachrichtensendung „Sieben vor Sieben“, dem Vorgänger der jetzigen Nachrichtensendung „RTL- aktuell“. Ein Telefonquiz bot beispielsweise auch das SAT 1- Regionalmagazin „17:30 “ mit dem Quiz „500 täglich“ und „Tausend täglich“. [Die Aktion dauerte vom 6. September bis zum 3. Dezember 1999.] Dabei stellte der Moderator einem Zuschauer eine Frage zu einer Nachricht, die kurz zuvor mittels magnetischer Bildaufzeichnung eingespielt worden war. Im Falle, dass der Zuschauer das Quiz richtig löste, waren ihm 500 bzw. 1000 Mark sicher. Hier muß angemerkt werden, dass diese Praxis wohl bereits aus Zeitmangel und dem Selbstverständnis der Nachrichtenanbieter keinen Eingang in die Abendnachrichten der privaten und öffentlichen Anbieter finden dürfte. Da das Quiz jedoch all die Anforderungen erfüllt, welche die Qualität der individuellen Relevanz eines Fernsehbeitrages steigern, wird dieser Indikator in den Codierbogen aufgenommen.

 

Des weiteren zeigen sich die Qualitätsvariablen „Kuriosiät/ Überraschung“ in nachrichtlichen Filmberichten, die sich außergewöhnlichen, überraschenden oder kuriosen Themen widmen. Meist stammen außergewöhnliche, kuriose Themen aus dem Bereich von Forschung und Wissenschaft. Diese werden sowohl von privaten als auch von öffentlich-rechtlichen Anbietern aufgegriffen. So berichtete „RTL- aktuell“ beispielsweise von einer britischen Studie, in der nachgewiesen wurde, dass schnelle Rock/ Popmusik die Arbeitsproduktivität steigert. Über den Fall der 42jährigen Patricia White Bull, die unerwartet am 24.12.1999 nach sechzehnjährigem Koma erwachte, berichteten sowohl die „ARD- tagesthemen“, die „Pro 7- nachrichten“, ZDF „heute“ und „RTL – aktuell“ mittels eines kurzen Nachrichtenfilms. Dementsprechend erhält ein Filmbericht, der sich einem überraschenden, kuriosen Thema widmet, oder/ und der mit einem Gewinnrätsel verbunden ist, 1 Punkt.

Qualitätsvariablen „Überraschung/ Kuriosität“: Indikator(en)  

-

Der Filmbericht widmet sich einem überraschendem, kuriosen Thema aus Wissenschaft/ Forschung und Gesellschaft  

-

Der Filmbericht ist mit einem Gewinnrätsel verbunden

 

Diskussion der Dimension Relevanz  

4.3.3.3

 Der Nachrichtenfaktor „Personalisierung“ als Qualitätsvariable

Bei Schatz/ Schulz (1992:707) ist der Nachrichtenfaktor „Personalisierung“ Bestandteil der Kriterienliste zur qualitativen Bewertung der Relevanz. Kennzeichen des Nachrichtenfaktors Personalisierung ist laut Eilders (1997:163) die Tatsache, dass Einzelpersonen im Mittelpunkt der Berichterstattung stehen. Je stärker die gesellschaftliche Rolle oder Funktion im Gegensatz zu ihren persönlichen Eigenschaften herausgestellt wird, desto schwächer ist die Ausprägung des Nachrichtenfaktors „Personalisierung“ und umgekehrt. Ruhrmann (1994:240) bezeichnet den Nachrichtenfaktor „Personalisierung“ als einen zentralen Faktor der Nachrichtenauswahl. Je stärker Personen im Vordergrund stünden, desto eher werde ein Ereignis zur Meldung. Dass die personalisierte Darstellung eines der Hauptcharakteristika des Fernsehens ist, zeigen die zahlreichen Äußerungen von Medientheoretikern und Fernsehjournalisten. [Vergleiche hierzu beispielsweise: (Hickethier:1998:189), (Sauer:1997:134), (Huh:1996:168), (Daschmann:1997:488) oder (Sturm:1989:172) .]

 

Dabei ist die personalisierte Berichterstattung auch für politische Informationssendungen bedeutsam, wobei Sauer (1997:134), die die boulevardesk ausgerichteten regionalen Informationsmagazine von SAT 1, RTL, und WDR untersuchte, die Personalisierung als Merkmal der Boulevardberichterstattung wertet. Die Zuordnung der Personalisierung zur „Unterhaltung“ findet sich auch bei Bruns (1997:146) und bei Groebel (1994:63), welcher die wichtigste Funktion der Personalisierung nennt, die der Identifikation. Sturm (1998:172/206), Klaus (1996:407ff.) und Sauer (1997:138) betonen in diesem Zusammenhang die Möglichkeit des Zuschauers zur Identitätsarbeit, wie sie durch Vorderer (1996:321f.) in seinem Aufsatz zur Rezeptionsmotivation beschrieben wird. Wichtig hierbei ist wohl der Umstand, dass die Zuschauer sich bei der Meinungsbildung an den Äußerungen und Wertungen der dargestellten Person orientieren.

 

 

Diskussion der Dimension Relevanz

 

Dazu merken Sturm (1998:125) und Bruns (1997:169) an, dass im Hinblick der „Personalisierung“ Zuschauerbefragungen wertvolle Dienste leisten. Der befragte Bürger bei der Straßenumfrage redet in einem Tonfall, den der normale Zuschauer versteht und von dem er sich besonders angesprochen fühlt, da ihm im Fernsehen „seinesgleichen“ präsentiert wird. Bezogen auf die politischen Informationsmagazine und Nachrichtensendungen im Fernsehen ist der Anteil der Zuschauerbeteiligung jedoch marginal. Bruns´ (1997:146) Analyse zufolge stieg der durchschnittliche Anteil der Zuschauerbeteiligung von 1,0 Prozent (1986) auf 1,6 Prozent (1994). Als Spitzenreiter der Zuschauerbeteiligung erwies sich SAT 1 mit 6,7 Prozent, wobei SAT 1 seine Position mit der stärksten Zuschauerorientierung weiter ausbaute. Für Kamps (1998:43), Daschmann (1997:488), Sauer (1997:138) Sturm (1998:165) und Ruhrmann (1994:240) ist die Personalisierung eine der wichtigsten Formen der Reduktion von Ereigniskomplexität. So kann beispielsweise bei der Berichterstattung über Flüchtlingsprobleme anstelle schwer darstellbarer migrationspolitischer Zusammenhänge das Schicksal eines einzelnen Asylanten plausibel gemacht werden. Die bessere Verständlichkeit der konkreten, lebhaften Fallbeispiel -Information führt darüber hinaus nach Daschmann (1997:502) und Eilders (1997:163) zu einer Verbesserung der Erinnerungsleistung.  

Fazit für die Bewertung der Qualitätsvariablen „Personalisierung“  

Aus der eben erfolgten Diskussion der Qualitätsvariablen Personalisierung geht hervor, dass der Nachrichtenfaktor Personalisierung einhergeht mit der Verwendung von Zuschauerumfragen und der Darstellung eines Sachverhaltes anhand einer Person. Da die obigen Erläuterungen ebenfalls den spezifischen Nutzen gezeigt haben, den der Zuschauer aus der Rezeption entsprechender Fernsehangebote zieht, werden die Indikatoren „Umfragesequenz“ und „Fallbeispiel“ in den Codierbogen aufgenommen. Ein Filmbeitrag, der eine Umfragesequenz enthält, oder/ und der einen Sachverhalt anhand einer Person darstellt, bekommt 1 Punkt.

Qualitätsvariable „Personalisierung“: Indikator(en)  

-

Der Beitrag enthält eine Umfragesequenz  

-

Der Beitrag stellt einen Sachverhalt anhand einer Person dar 


              

   

Diskussion der Dimension Relevanz  

4.3.3.4

Der Nachrichtenfaktor „Prominenz“ als Qualitätsvariable 

Das Qualitätsniveau der individuellen Relevanz kann durch einen weiteren weichen Nachrichtenfaktor gesteigert werden, den der „Prominenz“

Zunächst folgt jedoch die Definition des Nachrichtenfaktors: Staab (1990:120f.) versteht unter einer prominenten Person eine in der Öffentlichkeit bekannte Person, unabhängig von ihrer politischen Macht. Eilders (1997:163) zufolge führt der Nachrichtenfaktor Prominenz zur Berichterstattung. Sobald ein Ereignis mit einem Prominenten in Verbindung steht, erachten die Journalisten das Ereignis als thematisierungswürdig. In Abschnitt 4.3.2.2 wurde bereits der Indikator der Qualitätsvariable  „Soziale Position“ definiert als „Äußerung einer politisch einflußreichen Person/ Institution, die (un)mittelbare Konsequenzen für die Bevölkerung bezweckt“. Zur präzisen Differenzierung der Funktion der beiden Nachrichtenfaktoren wird hier einer der Indikatoren der Qualitätsvariable „Prominenz“ abweichend von Staab definiert als „ Äußerung einer nicht politisch oder wirtschaftlich einflußreichen Person/ Institution, die (daher) nicht (un)mittelbare Konsequenzen für die Bevölkerung hat.“ Wichtig sind bei den verschiedenen Definitionen die unterschiedlich stark ausgeprägten Möglichkeiten zur politischen Einflußnahme, die bei Politikern und Unternehmern meines Erachten ungleich stärker ausgeprägt sind, als bei Schauspielern, Popstars oder Schriftstellern. Das demonstrieren beispielsweise die Äußerungen des Schriftstellers Peter Handke zum bosnischen Krieg. Die Einflußnahme eines Künstlers geschieht in anderer Form, nämlich durch die Identifikation des zuschauenden Fans mit seinem Vorbild. Die Funktion des Nachrichtenfaktors „Prominenz“ ist folglich in erster Linie die der Identifikation, die zur Umwelt und Lebensorientierung des Zuschauers beiträgt. Unter Abschnitt 3.2.2.3 wurde bereits darauf eingegangen, dass in Märchen und Mythen dem Helden eine Leitbildfunktion zukommt. Gleiches gilt auch für die modernen „Helden“, die Schauspieler, Stars – und nicht zuletzt auch die Moderatoren, die im Leben des Zuschauers eine verläßliche Größe darstellen. In diesem Zusammenhang sei auf  den Bekanntheitsgrad der Nachrichtensprecherinnen Susan Stahnke oder der „Miss Tagesschau“ Dagmar Berghoff verwiesen. Nach Sturm (1998:247f.) fungieren Moderatoren als Bindeglied zum Publikum und als ein Marketingmittel. Interessant ist ferner die Tatsache, dass sich laut Ruhrmann (1994:252) die Zuschauer von ARD und ZDF besonders für die Meinung bekannter Journalisten und Politiker interessieren. [Zur Leitbildfunktion und dem prominenten Status des Fernsehmoderators äußern sich außerdem: (Hug:1998:105), (Hickethier:1997:188), (Goertz:1996:205), (Bente:1997:46), (Sauer: 1997:139).]

 

Der Nachrichtenfaktor „Prominenz“ ist eng mit dem der „Personalisierung“ verbunden. Beide regen den Zuschauer zur Meinungsbildung, Wertfindung und Identitätsarbeit an. Ihr Unterschied liegt in der Stärke der Identifikation mit der auf dem Bildschirm dargestellten Person (Bente:1997:44), die zum einen mit der ständigen medialen „Verfügbarkeit“ eines Prominenten zu erklären ist, zum anderen auch mit seiner gesellschaftlich hervorgehobenen Stellung.

 

Diskussion der Dimension Relevanz

 

Ferner bewirkt die Bildschirmästhetik die Illusion der Nähe zum Prominenten, was wiederum die „parasoziale Interaktion“ mit diesem begünstigt (Mikos:1996:104f). Unter parasozialer Interaktion wird die Bereitschaft des Zuschauers verstanden, mit dem Star, dem Moderator oder der Film- und Fernsehfigur eine emotionale Bindung einzugehen. Die gesteigerte Form der Identifikation zeigt sich folglich beim Faktor „Prominenz“ im Unterschied zum Nachrichtenfaktor „Personalisierung“ daran, dass der Zuschauer zu der auf dem Bildschirm präsentierten (prominenten) Person eine „Beziehung“ aufbaut. Bente (1997:45) bezeichnet derartige Beziehungen mit Personen, die nicht dem unmittelbaren Lebensumfeld entstammen, als „normal“, solange diese Bindungen keine singulären darstellen und damit pathologische Formen annehmen.

 

Eine besondere Qualität der Präsenz erreicht der Nachrichtensprecher bzw. Moderator nach Goertz (1996:205) durch den Blickkontakt während der Moderation. Dieser ist bei der Tagesschau durch das immer noch praktizierte „Ablesen vom Blatt“ mit 24 Prozent sehr gering. Die Verwendung von Telepromptern, etwa beim ZDF oder bei Pro 7 führt hingegen zu einem sehr häufigen Blickkontakt mit dem Zuschauer. Goertz bezeichnet diesen im Fall des Nachrichtenanbieters Pro 7 als „hypnotisch suggestiv“. Er geht im Übrigen davon aus, dass mit der unterschiedlichen Gestaltung der Nachrichtensendung auch die Funktion des Moderators variiert.  

Fazit für die Bewertung der Qualitätsvariable „Prominenz“

Einzig durch die entstehende „Beziehung“ zwischen Zuschauer und Prominenten (parasoziale Interaktion) verfügt ein in den Fernsehnachrichten auftretender Künstler (z.B. in Form eines Filmberichtes) oder Moderator über ein gewisses Maß an Einfluss. [Zur parasozialen Interaktion äußern sich ausführlich: (Mikos:1996:101), (Bente:1997:185), (Vorderer:1996a:169).]

 

Dabei verzeichnet Bruns (1997:106) im Verlauf von 1986 bis 1994 ein verstärktes Auftreten Prominenter in den Fernsehnachrichten, politischen Magazinen und Reportagen. Der Anteil inländischer Prominenter stieg von 8,8 Prozent (1986) auf 15,1 Prozent (1994). [Hierbei sei angemerkt, dass Bruns (1997:166) aufgrund seiner Definition alle Personen des öffentlichen Lebens, einschließlich aktiver und nicht aktiver Politiker zu den Prominenten zählt.] Das Auftreten von Prominenten ist wohl eher politischen Informationsmagazinen, weniger den abendlichen Nachrichtensendungen vorbehalten. [Ein Beispiel ist in diesem Kontext das Studiogespräch mit der Schauspielerin Katharina Wackernagel im ARD- Morgenmagazin am 6. Januar 2000.]

 

In den abendlichen Nachrichtenausgaben sind es vor allem Filmberichte, in welchen Prominente im Fokus des Interesses stehen. Ein typisches Beispiel für solch einen Filmbericht ist das Kurzporträt, wie es zum Beispiel zum 80. Geburtstag von Beate Uhse im ZDF „heute journal“ präsentiert wurde. Bei dieser Gelegenheit äußerte sich Beate Uhse zu ihrem Leben und gab damit den Zuschauern Gelegenheit zum Normen- und Wertevergleich. [Zum Identifikationsangebot des Porträts äußert sich ausführlich Egli (1997)].

  

Die Steueraffäre Steffi Grafs, auf die sich Sturm (1998:159) bezieht, könnte ebenso in Form des Filmberichtes thematisiert werden, wobei für den Zuschauer wiederum Gelegenheit bestünde, seine gesellschaftlichen Normen zu überdenken. Beispiele für Filmberichte über Prominente in den Abend- und Spätausgaben der Fernsehnachrichten, sind die Nachrufe auf Diether Krebs am 5. Januar 2000 [Filmberichte bei: heute-journal (ZDF), RTL- aktuell, Pro7- nachrichten, Tagesschau (ARD)] und Bernhard Wicki. [Filmberichte bei: heute,  heute-journal (ZDF), Tagesschau, Tagesthemen (ARD)].

 

Die zu formulierenden Indikatoren der Qualitätsvariablen „Prominenz“ beziehen sich auf die in den Filmberichten getätigten Äußerungen des Künstlers. Im Falle, dass eine politisch einflußreiche Person porträtiert wird, erscheinen Äußerungen zu allgemeinen Lebensfragen und Werthaltungen unter der Qualitätsvariable „Prominenz“ (z.B. Altbundeskanzler Kohl erzählt über seine Jugend). Sollte das Kurzporträt daneben auch Statements von politisch- aktuellem Charakter aufweisen, so werden diese unter der Qualitätsvariablen „Soziale Position“ codiert. Im Falle, dass ein Filmbericht einen Prominenten porträtiert (oder einen Redeausschnitt eines solchen Prominenten enthält), der mit seinen Äußerungen weder in wirtschaftlicher noch politischer Hinsicht, un(mittelbaren) Einfluss auf das politische Geschehen ausüben kann, entspricht dies einem Indikator der Qualitätsvariablen Prominenz. Solch ein Fall läge zum Beispiel vor, wenn eine deutsche Schaupielerin sich in einem Filmbericht für die politische Isolierung Österreichs ausspricht, nachdem die ÖVP mit Jörg Haiders FPÖ die Regierung stellt.

 

Damit ergibt sich für die Wertung Folgendes: Sowohl Äußerungen zu allgemeinen Lebensfragen und Werthaltungen einer in Wirtschaft und Politik tätigen Person als auch eine „politische“ Äußerung einer politisch/wirtschaftlich nicht einflussreichen Person gelten als Indikatoren der Qualitätsvariablen Prominenz. Beim Auftreten eines oder beider Indikatoren erhält der Filmbericht 1 Punkt.  

Qualitätsvariable „Prominenz“: Indikator(en)  

-

Der Filmbericht entspricht einem Kurzporträt über eine politisch oder wirtschaftlich einflussreiche Person/ Institution, wobei die/ das Statement(s) keine (un)mittelbaren Konsequenzen für die Bevölkerungen beinhalten  

-

Der Filmbericht entspricht einem Kurzporträt über eine prominente Person, die keinen unmittelbaren Einfluß auf das politische Geschehen hat

 

 

Diskussion der Dimension Relevanz  

4.3.4 

Die Unterdimension „Service“ 

Im Zusammenhang mit der externen Relevanz, sowie dem Komplex „Unterhaltung – individuelle Relevanz“ wurde bereits der Aspekt des Nutzens als vom Zuschauer „subjektiv empfundene Qualität“ behandelt. Auch der Service stellt einen Nutzen für den Rezipienten dar; er ist  relevant in dem Sinne, wie er in Abschnitt 4.3.1 definiert wurde. Daher wird der Service der Dimension Relevanz untergeordnet. Aus den Forderungen und Vorschlägen seitens der Medientheoretiker und Fernsehjournalisten sollen die Indikatoren für einen serviceorientierten Nachrichtenjournalismus im Fernsehen hergeleitet werden. Eingang in den Codierbogen finden jene Indikatoren, die sich auf nachrichtliche Filmberichte beziehen. Ausgehend von der fachspezifischen Lektüre zeigt sich Serviceorientierung anhand von Angeboten, die dem Leser in bezug auf seine Lebensorientierung sowie bei der Alltagsplanung von Nutzen sind, wobei dieses Motiv heutzutage ein gängiges Kriterium zur Nutzung von Zeitungen (und auch von Fernsehsendungen) geworden ist [vergleiche hierzu: (Mast:1994:334), (Chmelir:1996:31)(Rager:1993:15)]. Schwaderlapp (1995:49) spricht im Kontext der vom ZDF zu entwickelnden Programmqualität vom

 „dienstleistenden Fernsehen, dessen Servicebereitschaft aus sensibler Zuschauernähe und Publikumsorientierung resultiert“. (Schwaderlapp:1995:49)

 

In dieser Hinsicht stellt auch die aus dem Wettbewerb zwischen den öffentlich-rechtlichen und privaten Anbietern resultierende „neue Übersichtlichkeit des Format- Fernsehens“ einen Service für den Zuschauer dar (Meckel:1997:475). Bei regelmäßiger Fernsehnutzung wird der Zuschauer wissen, dass er nachrichtliche Angebote vom frühen Abend an sowohl bei den privaten als auch bei den öffentlich- rechtlichen Anbietern findet. Gemäß Zimmer (1996:3) ist diese serviceorientierte Grundhaltung eines der besten Mittel, um den Rezipienten an ein bestimmtes Medium – und bezogen auf das Fernsehen- an eine bestimmte (Nachrichten)sendung zu binden.

 

Im Bereich der Printmedien gibt es zahlreiche Hinweise auf die Verwirklichung eines serviceorientierten Angebotes. Bergemann (1992:119) unterscheidet dabei zwischen termingebundenen und terminungebundenen Serviceleistungen. Zu den termingebundenen Serviceleistungen zählen dabei Veranstaltungshinweise (Chmelir:1996:31), (Rager:1994:141) sowie Theater- und Filmkritiken (Bergemann:1992:119). In den ARD- Tagesthemen vom 5. Januar 2000 wurde in diesem Kontext Franco Zeffirellis „Tee mit Mussolini“ in einem Filmbericht vorgestellt. Daneben gibt es nicht termingebundene Serviceleistungen, wie sie beispielsweise beim ZDF/ARD- Morgenmagazin zu finden sind. Unter der Rubrik „Service“ werden dort Gesundheitsfragen und Verbraucherangelegenheiten behandelt. [vergleiche hierzu die Servicewoche rund um Herzkrankheiten im ZDF- Morgenmagazin vom 2. bis 5. November 1999]. Außerdem zeigt sich die Serviceorientiertheit anhand von Buchtipps wie sie im SAT 1 -Frühstücks- TV zu finden sind.

Unter Abschnitt 4.3.3.2 wurden bei der Besprechung der Qualitätsvariablen „Überraschung/ Kuriosität“ bereits die Gewinnmöglichkeit als Indikator für die Variable „Überraschung/ Kuriosität“ vorgestellt. Hier war die Gewinnchance mit einer (im Bereich des Wissens angesiedelten) Aufgabe verbunden, die das Erregungsniveau des Zuschauers kurzfristig steigerte (Vorderer:1996:316). Als Mittel, um Zuschauer, Radiohörer und Zeitungsleser an das entsprechende Medium zu binden, führen Sender und Zeitungsverlage in jüngster Zeit immer wieder Gewinnaktionen durch. Zur besseren Vermarktung der Zeitung empfiehlt zum Beispiel Zimmer (1996:3) Gewinnaktionen „mit Lotterie- Charakter“. Auch für den Bereich der Fernsehnachrichten lässt sich das Gesagte an einem fiktiven Beispiel illustrieren: In solch einem Fall bekäme zum Beispiel jeder 100. Anrufer, der während der Sendezeit von „RTL- aktuell“ eine entsprechende Service- Nummer wählt, 100 Mark. Meines Wissens gibt es solche serviceorientierten Gewinnaktion im Zusammenhang mit Nachrichtensendungen im Fernsehen nicht. Das verwundert nicht, da solch eine „Lotterie- Aktion“ der von den Fernsehanbietern angestrebten Seriösität entgegenstünde. Daher stellen „Gewinnaktionen mit Lotteriecharakter“ innerhalb der Unterdimension „Service“ keinen Indikator für Qualität dar.

 

Des Weiteren sieht der ARD- Verantwortliche Reiter (1998:202) im Online- Angebot ein vielgenutztes Serviceangebot an die Zuschauer. Auch die telefonische Erreichbarkeit zeigt nach Braun (1996:203ff.) und Volpers/ Schnier (1996:250f.) die Zugewandtheit zum Zuschauer. Dazu zählt die Einrichtung von zusätzlichen „Hotlines“ etwa bei sportlichen Großveranstaltungen, sowie die Möglichkeit zu telefonischen Rückfragen bei Expertenrunden.

Innerhalb der Abend- und Spätausgaben der Fernsehnachrichten erkennt man die Serviceorientiertheit anhand von Filmberichten, die sich Verbraucherthemen („consumer reports“) widmen, wie sie von Rager (1994:141) und Fang (1980:220) beschrieben und gefordert werden. Hierzu konnten wiederum Beispiele bei den Nachrichtenanbietern beobachtet werden: „RTL- aktuell“ zeigte am 25. November 1999 einen Filmbeitrag zum Wechsel der KFZ- Versicherung, wobei der Beitrag am Ende einen Verweis auf das RTL- Online- Angebot enthielt. Dort konnte sich der Zuschauer noch eingehender mit dem Thema beschäftigen. Auch die Abendnachrichten von Pro 7 präsentieren immer wieder Serviceberichte, so etwa am 28. Oktober 1999. In dieser Ausgabe der „Pro7- nachrichten“ behandelte ein Filmbericht die Benutzerfreundlichkeit deutscher Flughäfen. Ferner berichtete ein Pro 7 – Beitrag am 10. November 1999 über die Vor- und Nachteile des „Aldi- Computers“. Ein anderes Beispiel für einen serviceorientierten Filmbericht lieferte RTL. So zeigten „RTL-aktuell“ und das „RTL- Nachtjournal“ am 5.Januar 2000 einen Filmbericht, der die Konsequenzen des Verdrängungswettbewerbs der Lebensmittelkonzerne für den deutschen Verbraucher thematisierte.

Fazit für die Bewertung der Unterdimension Service

Aus der obigen Diskussion geht hervor, dass serviceorientierte Filmberichte aufgrund ihres Nutzens für den Zuschauer relevant sind und darüber hinaus für diesen eine spezifische Qualität enthalten. Serviceorientiertheit zeigt sich innerhalb eines Filmberichtes anhand des Vorkommens von Veranstaltungsinformationen, Gesundheitstipps und Verbraucherinformationen. All diese Thematiken können in einem nachrichtlichen Filmbeitrag behandelt werden. Aus diesem Grund erhält ein Filmbericht, der eine Veranstaltungs- oder Verbraucherinformation enthält (z. B. Kinotipps/ Vergleich der billigsten Flugveranstalter) oder der den Zuschauern Gesundheitstipps gibt, 2 Punkte. Die Begründung dieser Wertung wird im Folgendem bei der abschließenden „Gewichtung und Gesamtbewertung der Dimension Relevanz“ unter Abschnitt 4.3.6 geliefert.  

Unterdimension Service: Indikator(en)

-

Der Filmbeitrag enthält Veranstaltungsinformationen

-

Der Filmbeitrag enthält Gesundheitstipps

-

Der Filmbeitrag enthält Verbraucherinformationen

 

Diskussion der Dimension Relevanz

4.3.5

Die Unterdimension Interne Relevanz  

Eine Qualitätsbewertung innerhalb der Unterdimension „Interne Relevanz“ entfällt  

Der Qualitätsforscher Hagen (1995b:159) beschäftigt sich eingehend mit der „Internen Relevanz“, welche laut Hagen die Informationsauswahl und die Anordnung der Informationen qualitativ bewertet. Die Interne Relevanz bezieht sich folglich auf die optimale Präsentation eines Artikels bzw. eines nachrichtlichen Filmberichtes. Zudem wird die „Interne Relevanz“ häufig mit dem Begriff der „Vollständigkeit“ in Verbindung gebracht, welche unter Abschnitt 4.2.4 (Qualitätsvariable Vollständigkeit) behandelt wurde. In diesem Abschnitt wurde bereits unter Berücksichtigung der Studien Findahl und Hoijers (1985:385) ein erweiterter Indikatoren- Katalog der Qualitätsvariablen „Vollständigkeit“ geschaffen. Somit erübrigt sich eine weitere Diskussion über diesen Aspekt der internen Relevanz.

Daneben stellt die optimale Präsentation als Mittel zur besseren Verständlichkeit bei Hagen (1995b:166) einen weiteren Schwerpunkt der „Internen Relevanz“ dar. Die von Hagen als optimal empfohlene Anordnung der Informationen ist jedoch nicht ohne weiteres auf nachrichtliche Filmberichte übertragbar, da sie in erster Linie für die Agenturberichterstattung ersonnen wurde. Mit der optimalen Präsentation beschäftigt sich ferner die folgende Diskussion innerhalb der Dimension „Vermittlung“.

Da die optimale Präsentation eines Filmberichtes innerhalb der Dimension Vermittlung bewertet werden soll und ein weiterer Aspekt der internen Relevanz, nämlich die Vollständigkeit, schon behandelt wurde, erübrigt sich eine weitergehende Beschäftigung mit der Unterdimension „Interne Relevanz“.

Diskussion der Dimension Relevanz  

4.3.6

Gewichtung und Gesamtbewertung der Dimension Relevanz

Obwohl Journalisten in der täglichen Praxis Informationen nach deren Relevanz für die Rezipienten auswählen, hatte die Dimension Relevanz bei den von Weber und Rager (1994:4/11) befragten 101 Journalisten einen sehr geringen Stellenwert. Bei der Einschätzung der Bedeutsamkeit der vier Dimensionen Ragers nahm die Relevanz in der Wertschätzung der Journalisten den letzten Platz ein.

Abweichend von den Dimensionen „Aktualität“ und „Richtigkeit“ wurden bei der Dimension Relevanz keine „Mindeststandards“ festgelegt, die erfüllt werden müssen, damit die Dimension Relevanz insgesamt als erfüllt gilt. Wie bereits in Abschnitt 4.2.6 dargelegt, kann ein Beitrag, der sachlich falsche Informationen über eine Person enthält, dieser großen Schaden zufügen. Ein für den Rezipienten nicht relevanter Beitrag löst dagegen im schlimmsten Fall Desinteresse aus. Innerhalb der Dimension Relevanz wurden in dieser Arbeit die Unterdimensionen „Externe Relevanz“, „Individuelle Relevanz“ und „Service“ diskutiert.

Der „Externen Relevanz“ wurden unter 4.3.2.1 bis 4.3.2.5 die Qualitätsvariablen Reichweite, Soziale Position, Irrevisibilität, Nähe und Negativität/Positivität zugeordnet. Jede dieser Qualitätsvariablen beinhaltet potenziell gesellschaftliche Folgen (Schatz/Schulz:1992:698), die für die Gesamtheit der Rezipienten relevant sind. Aufgrund dieser gesamtgesellschaftlichen Bedeutung bewerte ich die Variablen der „Externen Relevanz“ mit maximal 2 Punkten. Somit ergibt sich für die Dimension „Externe Relevanz“ eine Höchstpunktzahl von 10 Punkten.

Bei der Bewertung der „Individuellen Relevanz“ ergibt sich folgende Situation: Die Diskussion der Qualitätsvariablen „Humor“, „Überraschung/ Kuriosität“, „Personalisierung“ und „Prominenz“ zeigte die Bedeutung dieser der Unterhaltung bzw. der Unterdimension „Individuelle Relevanz“ zugerechneten Variablen.

Zugleich zeigte die Diskussion in Abschnitt 3.2.4.3, dass unterhaltungsorientierte Nachrichtenangebote stabile Zuschauerzahlen aufweisen. In dieser Hinsicht könnte man versucht sein, jeder Qualitätsvariablen der „Individuellen Relevanz“ – wie schon den Variablen der „Externen Relevanz – 2 Punkte zu gewähren.

Dieser Verfahrensweise widerspricht allerdings die Tatsache, dass die Zuschauermehrheit unterhaltungsorientierte Fernsehnachrichten wenig schätzt. [Vergleiche hierzu: Abschnitt 3.2.4.4.] Da diese Arbeit eine zuschauerorientierte Qualitätsbewertung von Filmberichten intendiert, wird die geringe Wertschätzung der Unterhaltung durch eine entsprechend geringe Bewertung der Variablen berücksichtigt. Jede der eben genannten Qualitätsvariablen der „Individuellen Relevanz“ kann maximal 1 Punkt erreichen. Dabei macht es keinen Unterschied, ob ein, zwei oder sogar mehrere Indikatoren innerhalb einer Qualitätsvariable erfüllt wurde. Die maximal erreichbare Punktzahl innerhalb der „Individuellen Relevanz“ beträgt folglich 4 Punkte. 

Die Unterdimension „Service“ wird entsprechend der eben erfolgten Diskussion unter Abschnitt 4.3.4 vom Fernsehpublikum geschätzt. Aus diesem Grund werden jeder Qualitätsvariablen der Unterdimension „Service“ 2 Punkte zugeordnet. Um die Unterdimension Service gegenüber den Variablen der „Externen Relevanz“ nicht überzubewerten, werden der gesamten Unterdimension maximal 2 Punkte vergeben, egal ob nun ein Indikator oder drei Indikatoren erfüllt wurden. Dabei ist die Möglichkeit, dass ein Filmbericht sowohl Veranstaltungsinformationen als auch Gesundheitstipps und Verbraucherinformationen enthält, äußerst gering.

Die maximal erreichbare Punktzahl der gesamten Dimension Relevanz, gebildet aus den Variablen der „Externen Relevanz“, der „Individuellen Relevanz“ und dem „Service“, entspricht 16 Punkten.

5 Luhmann (1996:58-69) nennt die Faktoren, die die Auswahl einer Nachricht bedingen „Selektoren“. Zu ihnen zählt Luhmann unter anderem die Neuigkeit eines Ereignisses, sein Konfliktpotential, seine Quantität, seinen Lokalbezug sowie seine „Skandalträchtigkeit“ .  

 

 

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4.4  Dimension Vermittlung